Rein in die Unterwanderstiefel
Von Peter Merg
Der Liedermacher und Maler Dieter Süverkrüp ist tot. Das meldete der WDR am Dienstag unter Berufung auf die Familie. Süverkrüp starb am 16. März im Alter von 90 Jahren in Köln. Er gilt als einer der wichtigsten politischen Liedermacher Deutschlands.
Am 30. Mai 1934 in Düsseldorf geboren, widmete er sich zunächst der Bildenden Kunst, nahm bereits als Gymnasiast akademischen Zeichenunterricht. Nachdem er in den frühen 1950er Jahren an der Werkkunstschule Düsseldorf studiert hatte, arbeitete Süverkrüp als Artdirector in der Werbung. Parallel spielte er Jazzgitarre bei den Feetwarmers, 1969 erschien seine erste LP »Ça ira« mit Liedern der Französischen Revolution, übersetzt von seinem Freund Gerd Semmer. Bald schrieb Süverkrüp eigene politische Lieder. Er gründete mit anderen den Verlag Pläne, wo beinahe jährlich auch neue Alben von ihm erschienen. Deren Haltung war sozialistisch, die Form spielerisch. Typisch die Wortspiele wie das »Korrumpelstilzchen« oder der »Omniboss«. Das beliebteste seiner Lieder ist wohl »Der Baggerführer Willibald«, in dem nicht nur die Kleinen lernen: »Der Boss steht meistens rum / Und redet laut und dumm / Sein Haus, das soll sich lohnen! / Wer Geld hat, kann drin wohnen / Wer arm ist, darf nicht rein! / Gemein!« Und: »Das hat doch keinen Zweck, der Boss geht besser weg; / dann bauen wir uns selber ein schönes Haus mit Keller, / da ziehn wir alle ein – au fein!« So wird einer Kommunist. Kein Wunder, dass Süverkrüp mit seinen Liedern die Kulturpolitik seiner Partei, der DKP, prägte.
Als »Quartett 67« ging Süverkrüp mit Franz Josef Degenhardt, Hanns Dieter Hüsch und Wolfgang Neuss auf Tournee, er arbeitete mit der Rockgruppe Floh de Cologne zusammen, hatte zeitweilig eine eigene Fernsehsendung, schrieb Lieder für andere TV-Sendungen oder Freunde wie die »Zupfgeigenhansel«. 1976 erhielt er den Heinrich-Heine-Preis der DDR, 1986 den Deutschen Kleinkunstpreis.
In den 80ern hatte Süverkrüp wieder mehr Lust auf Bildende Kunst, malte, zeichnete und radierte, aber mit dem Rücken zum Kunstmarkt. Daneben übernahm er den Stiftungslehrstuhl für Poetik an der Folkwang-Hochschule und erfand Bild-und-Lied-Geschichten für die »Sendung mit der Maus«. Hören wir zum Abschied noch einmal seine »Moritat vom Kryptokommunisten«: »Wenn die Sonne, bezeichnenderweise im Osten / und rot hinter Wolken aufgeht, / ja das ist dann die Zeit, da er flach wie ein Tiger / aus härenem Bette aufsteht. / Er wäscht sich nur ungern und blickt in den Spiegel / mit seinem Mongolengesicht. / Er putzt sich die Zähne mit Branntwein und trinkt einen Wodka, / mehr frühstückt er nicht. / Hu, huhuuu / Dann zieht der Kommunist die Unterwanderstiefel an, / und dann geht er an sein illegales Untertagwerk ran.«– es gibt mehr denn je zu tun.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Kurt W F. (18. März 2025 um 20:24 Uhr)Auf dem Bonner Parteitag der DKP hielt Süverkrüp am 19.03.1976 ein Referat, in dem er u. a. sagte: »Ein halbes Leben lang hat einer Knackwurst gegessen und war’s zufrieden. Seit er mal getrüffelte Fasanenbrust bekam, spürt er andere Appetite; seine Persönlichkeit erweitert sich um neue kulturelle Bedürfnisse. Ähnlich könnte es ihm mit der Literatur ergehen. – Oder um auf Goethe und den Betriebsrat zurückzukommen – ich will dem Genossen keine Goethe-Gesamtausgabe aufschwatzen (ich habe ja nicht mal selber eine) ...« Wer reißt, wie er mir in seinem Dankes-Brief schrieb, »einfach 12 Bände aus seinem Leben und schickt sie einem zu, der nur irgendwo gesagt hat (an wichtiger Stelle, allerdings), daß er von Goethe ... daß er von jemandem nicht die gewünschte, erforderliche Zahl von Texten besitzt«. Er bekam sie nach »ziemliche(n) Irrfahrten und wohl auch eklige(r) Warterei ... just wenige Tage vor diesem christlichen Zentralfest« (Weihnachten, KWF) und es kam ihm »bis heute nicht recht in den Sinn, daß da jemand, nur weil er ein kleines Referat von mir (wo eigentlich?) gelesen hat, plötzlich seine Goethe-Ausgabe aus dem Regal rafft und sie rüberschickt. Oder anders: Was ist das eigentlich für eine hochentwickelte Form von Organisation, diese kommunistische Weltbewegung?«*) Weiter schrieb er, daß er meinen »Brief ... als wichtiges Indiz aufheben: so gefährlich lebendig ist die Geschichte, die bereits vergangene, wenn das Proletariat sie begreift: Goetheausgabe als Hilfsmittel für den Klassenkampf – welcher bürgerlich-konservative Studienrat, Professor, was weiß ich muß da nicht, nimmt er’s nur einigermaßen genau, mindestens einen mittleren intellektuellen Infarkt kriegen? – Vielleicht kommt es hier einigermaßen heraus, was ich herauskriegen wollte. Sollte es nicht, wirst Du es trotzdem begreifen. Sonst hätte ich jetzt nicht Deinen Brief und die Ausgabe. Sei mir herzlich bedankt, gegrüßt! Dein sehr gerührter Dieter Süverkrüp.« KWF *) Der Satz im Original unterstrichen.
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