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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 7 / Ausland
Libyen

Sicherer Hafen für Milizenchef

Gesuchter Menschenrechtsverbrecher aus Libyen besucht mit Schengen-Visum unbehelligt Italien
Von Yaro Allisat
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Fünfter von links: Der Milizenchef und gesuchte Menschenrechtsverbrecher Abdul Ghani Al-Kikli (o. D.)

Abdul Ghani Al-Kikli, einer der mächtigsten Milizenführer Libyens, der für zahlreiche Verbrechen verantwortlich gemacht wird, soll unbehelligt Italien besucht haben – mit einem Schengen-Visum, ausgestellt von Malta. Der in Schweden ansässige libysche Dissident Husam El Gomati hat am vergangenen Donnerstag ein Foto veröffentlicht: Al-Kikli, grinsend mit Daumen hoch am Krankenhausbett eines Ministers der international anerkannten libyschen Regierung, Adel Dschumaa Amer, im Europäischen Krankenhaus in Rom, wo dieser laut Medienberichten nach einem Attentatsversuch behandelt wird. Um sie herum weitere hohe Tiere der libyschen Politik, mutmaßliche Mörder, Folterer und Komplizen. Laut El Gomati steht Al-Kikli wegen Verbrechen gegen die Menschheit auf der Fahndungsliste des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und ist Protagonist in einschlägigen Berichten der UNO und von Amnesty International.

Die italienische und die maltesische Regierung schweigen bisher zu dem Vorfall. Erst im Januar war der international gesuchte libysche Polizeichef Osama Almasri Njeem in Turin aufgegriffen und dann per Regierungsmaschine in die Freiheit entlassen worden. Al-Kikli ist laut einem Statement von Amnesty International aus dem Jahr 2022 als Milizenführer der »Stability Support Authority« (SSA) für »rechtswidrige Tötungen, willkürliche Verhaftungen, Abfangen und anschließende willkürliche Inhaftierung von Migranten und Flüchtlingen, Folter, Zwangsarbeit und andere schockierende Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen nach dem Völkerrecht« verantwortlich. Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs sind verpflichtet, dessen Entscheidungen umzusetzen.

»Warum ist Italien ein sicherer Hafen für Milizenführer, anstatt für Gerechtigkeit einzustehen?« kommentierte El Gomati auf X. Die Antwort ist leicht: Italien und die EU kooperieren seit Jahren mit ebenjenen vom libyschen Staat finanzierten Milizen, um Flüchtende auf dem Mittelmeer abzufangen und nach Libyen zu verbringen, wo ihnen Folter und Tod drohen. Auch Gelder der Europäischen Union fließen nach Libyen, um die »Festung Europa« aufrechtzuerhalten. So kam ein UN-Bericht aus dem Jahr 2023 zu dem Schluss, dass die EU durch ihre Unterstützung der sogenannten libyschen Küstenwache – ebenfalls eine Miliz – mit Schiffen und Ausrüstung selbst Beihilfe zu Straftaten geleistet hat. Grundlage für das Verhalten der EU ist die 2017 beschlossene Erklärung von Malta, eine Willenserklärung, die im EU-Sprech eine »wirksame Kontrolle unserer Außengrenzen« fordert und »illegale Zuwanderungsströme eindämmen« will. In der Praxis also: Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen oder sie den libyschen Folterern überlassen. Das gefällt Italiens faschistischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, einer der Vorreiterinnen bei der Auslagerung von Asylverfahren in Nicht-EU-Länder.

Noch 2011 hatte die EU eine Resolution des UN-Sicherheitsrats mitgetragen und ein Waffenembargo gegen Libyen verkündet, das ein Verbot der Aus- und Einfuhr von »Dienstleistungen in bezug auf Güter der internen Repression« und Verbote für das »Laden, Entladen und Befördern von Erdöl, Rohöl und Erdölerzeugnissen auf bestimmten Schiffen« vorsieht. Seitdem verhängte die EU auch weitere Sanktionen, jedoch ohne nennenswerte Auswirkungen auf die sogenannte Küstenwache. Weder gab es Aufklärung noch einen Stopp der Zusammenarbeit.

Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer insbesondere für Schutzsuchende aus Subsaharaafrika. Seit das Land sich mit dem Sturz von Muammar Al-Ghaddafi 2011 im Krieg befindet, haben Übergriffe auf Geflüchtete nicht abgenommen. Mehreren NGOs zufolge hat sich die Gewalt gegen schwarze Menschen in Libyen in den vergangenen Jahren verstärkt. Anfang Februar waren zudem zwei Massengräber mit den Leichnamen Dutzender Migranten entdeckt worden, einige mit Schusswunden, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) mitteilte. Es ist nicht der erste Fund dieser Art: Schon im März 2024 war ein ähnliches Massengrab im Südwesten des Landes gefunden worden.

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