Solidaritätszuschlag bleibt – vorerst
Von Arnold Schölzel
Der sogenannte Solidaritätszuschlag darf weiter erhoben werden. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch und wies eine Beschwerde von sechs ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten zurück. Die 2019 überarbeitete Ergänzungsabgabe, die 1995 für alle Steuerzahler eingeführt worden war, müssen Unternehmen, Kapitalanleger und Gutverdienende in Höhe von 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer (Körperschafts-, Kapitalertrags- und Einkommenssteuer) zahlen. Sie steht allein dem Bund zu und spülte ihm 12,6 Milliarden Euro 2024 in die Kassen.
Der Zweite Senat des Gerichts urteilte nun: »Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann auch heute (noch) nicht festgestellt werden.« Allerdings treffe den Gesetzgeber »eine Beobachtungsobliegenheit«, das heißt die Pflicht zur Überprüfung, ob »der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf« noch vorhanden sei. Das Gericht vertrat zudem die Auffassung, 5,5 Prozent von einer Steuer seien keine unzumutbare Belastung, eine Ungleichbehandlung der Steuerzahler liege nicht vor. Vor allem mit letzterem hatten die Kläger argumentiert.
Einer von ihnen, der frühere FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr, erklärte im gewohnt neoliberalen Jargon, die Beschwerde sei zwar zurückgewiesen worden: »Aber der Senat hat dem Steuerstaat heute klare Grenzen gesetzt.« Friedrich Merz müsse als Kanzler handeln: »Wer sich 1,5 Billionen Euro Schulden genehmigt, sollte auch in der Lage sein, 13 Milliarden Euro jährliche Entlastung für Betriebe, Leistungsträger und Sparer umzusetzen.«
Aus der CDU kamen ähnliche Töne. Ihr Haushaltspolitiker Mathias Middelberg rief nach Steuersenkung für Wohlhabende: »Wir akzeptieren das Urteil. Gleichwohl bräuchten wir jetzt dringend steuerliche Entlastungen für die Unternehmen und für die arbeitende Mitte.« Auch das deutsche Kapital war mit dem Urteil unzufrieden. Wirtschaftsverbände forderten Union und SPD auf, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (28. März 2025 um 17:08 Uhr)(…) »Die 2019 überarbeitete Ergänzungsabgabe, die 1995 für alle Steuerzahler eingeführt worden war, müssen Unternehmen, Kapitalanleger und Gutverdienende in Höhe von 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer (Körperschafts-, Kapitalertrags- und Einkommenssteuer) zahlen.« Ich bin überrascht, dass jetzt auch Unternehmer usw. Steuern aus »ihrer« Tasche zahlen. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass die Arbeiter den Mehrwert schaffen und nicht der Unternehmer. Meines Wissens sind der Reichtum und alle anderen Abgaben des Unternehmers das Ergebnis von der Produktivität des Arbeiters, von seiner Mehrwertschaffung – egal ob im Inland oder im Ausland. Für mich bedeutet das, dass alles, was der Staat oder der Unternehmer usw. zahlt, letztendlich nur der Arbeiter bezahlt.
- Antworten
-
Leserbrief von Oskar Klima aus Leipzig (27. März 2025 um 09:25 Uhr)Exfinanzminister Theo Waigel hat im MDR »Riverboot« die Entstehungsgeschichte dieser Solisteuer beschrieben. Sie sei eine Scheinsteuer gewesen, um den USA das geforderte Geld für den Irak-Krieg überweisen zu können. Es war eine Kriegssteuer! Erst nach Jahren konnte Geld aus dieser Steuer in den Aufbau Ost fließen. Linke sollten immer darauf hinweisen, wozu diese Steuer eigentlich von Kohl und Waigel ausgedacht war.
- Antworten
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (27. März 2025 um 08:22 Uhr)Die Unterzeile »Bundesverfassungsgericht: Mehraufwand wegen deutscher Einheit noch vorhanden« halte ich für irreführend. Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Gesetzen, nicht aber deren wirtschaftliche oder finanzielle Notwendigkeit. Es kann also gar nicht feststellen, ob tatsächlich noch ein Mehraufwand wegen der deutschen Einheit besteht. Vielmehr hat das Gericht nur entschieden, dass der Gesetzgeber weiterhin begründen kann, warum der Solidaritätszuschlag erhoben wird, und dass dieser nicht offensichtlich verfassungswidrig ist. Eine sachliche Überprüfung der finanziellen Notwendigkeit dieses Zuschlags obliegt hingegen dem Gesetzgeber oder wirtschaftspolitischen Institutionen. Die Aussage, das Gericht habe einen Mehrbedarf bestätigt, ist daher unzutreffend!
- Antworten
Mehr aus: Inland
-
Im Schneckentempo
vom 27.03.2025 -
Zynismus und Hohn
vom 27.03.2025 -
Universität weiter auf Jagd
vom 27.03.2025 -
Bahn neben der Spur
vom 27.03.2025 -
Agrarminister verhandeln Ökoregeln
vom 27.03.2025 -
»Es geht um Konjunkturförderung«
vom 27.03.2025 -
Daniela Klette: Es geht um die Abrechnung mit dieser Widerstandsgeschichte
vom 27.03.2025