Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 8 / Inland
Militarisierung

»Es geht um Konjunkturförderung«

Aufrüstung und Kapitalinteressen gehen Hand in Hand. Ein Gespräch mit Matthias Jochheim
Interview: Gitta Düperthal
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Ein gepanzertes Fahrzeug vom Typ »Fennek« des Jägerbataillons 91 (Peine, 26.2.2024)

In Frankfurt am Main diskutierte die Friedensbewegung am Sonnabend über systemische Hintergründe von Aufrüstung und Krieg. Die Veranstaltung trug den Titel: »It’s the economy, stupid!«. Geht es bei den Plänen, die BRD »kriegstüchtig« zu machen, mehr um ökonomische als um politische Fragen?

Deutschland feuert die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten an. Mit dem Aufrüsten der Bundeswehr ist zu befürchten, dass deutsche Truppen in den Ukraine-Krieg involviert werden sollen. Begründungen, dass mit Kriegsvorbereitungen und Waffenlieferungen angeblich Demokratie verteidigt werden soll, bezweifeln wir. Schließlich interessiert Regierende auch nie, ob andere Staaten, etwa die Türkei, Menschenrechte einhalten. Deutschland handelt im eigenen strategischen, ökonomischen Interesse – nicht um Menschenrechte und Demokratie zu wahren. Dafür wurden die 500 Milliarden für die Aufrüstung beschlossen und per Grundgesetzänderung verfügt, dass der Betrag dafür nach oben nicht begrenzt sein soll. All das hat keinen völkerrechtlichen Hintergrund. Es geht um Konjunkturförderung.

Frei nach dem Motto: »Macht die deutsche Autoindustrie schlapp, wird die Waffenproduktion angekurbelt«?

Teilweise werden Fabriken der Metallverarbeitung direkt auf Waffenproduktion umgestellt. Rheinmetall will Werke in Berlin und Neuss umwidmen: Wo der Konzern derzeit Autoteile produziert, soll künftig auch Rüstung hergestellt werden. Eine Görlitzer Waggonfabrik für die Eisenbahn wird auf Kampfpanzer umsteigen. Die Branche jubelt. Statt bisher einige Zehntausende werden künftig Hunderttausende für die Rüstungsindustrie tätig sein. Wir Friedensbewegten müssen jetzt daran arbeiten, die zuständige Gewerkschaft IG Metall in dieser Frage an unsere Seite zu bekommen. Ehemals war sie für eine Konversion der Waffenindustrie in zivile Industrie engagiert.

Bei der Debatte in Frankfurt ging es um »Militärkeynesianismus«.

Der britische Ökonom John Maynard Keynes vertrat die These, dass der Staat im Fall von wirtschaftlicher Schwäche Kredite aufnehmen soll, um Wachstum wiederzubeleben. Keynes erläuterte das am Beispiel von Infrastruktur. Genau das tut Deutschland nun, indem es Kriegswirtschaft ankurbelt.

Ein weiteres Thema war, wie sich europäische Staaten aus einem »Vasallenstatus« gegenüber den USA lösen können. Will die zukünftige Regierung, voraussichtlich aus Union und SPD, die Abhängigkeit von den USA überhaupt verringern?

Der Wissenschaftler Werner Rügemer registriert aktuell einen Bruch, nachdem die Wirtschaft der BRD sich stets an die Entwicklung in den USA angelehnt hat. Die USA unter Präsident Donald Trump wollen sich aus dem Ukraine-Krieg heraushalten. Allerdings legt man Wert darauf, dass die westeuropäischen Staaten Hochrüstung betreiben sollen, mit der Maßgabe, Rüstungsgüter weiterhin hauptsächlich aus den USA zu beziehen. Die US-Industrie will auch weitere Atomwaffenträger für den Fliegerhorst Büchel liefern.

Was ist von der Begründung zu halten, die Kriegsgefahr gehe von Russland aus?

Laut einer Greenpeace-Studie stimmt die anhaltende Aufrüstungsrhetorik in Deutschland nicht mit dem tatsächlichen militärischen Kräfteverhältnis überein. Selbst wenn die USA sich zurückziehen sollten, ist die NATO Russland militärisch deutlich überlegen. Die europäischen NATO-Staaten haben ein Übergewicht von 420 Milliarden US-Dollar zu 300 Milliarden US-Dollar in den Rüstungsausgaben gegenüber Russland. Bei Kampfausrüstung, Technologie und Truppenstärke ist die NATO überlegen. Einzig in der Nuklearbewaffnung ist Russland Supermacht; bezieht man die USA ein, gibt es ein Gleichgewicht des Schreckens. Eine militärische Konfrontation könnte schnell an die nukleare Schwelle führen. Doch niemand könnte ein Interesse haben, in einen solchen Krieg einzutreten – auch Russland nicht. Wir halten das nur für einen Vorwand für die aktuelle Aufrüstungskampagne in der BRD.

Matthias Jochheim ist Sprecher des Arbeitskreises Süd-Nord von IPPNW, Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e. V.

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