Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Zeit fürs große Geballer

Der ziemlich unterhaltsame Gangsterfilm »Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache«
Von Ronald Kohl
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Lefty macht das Bill-Murray-Gesicht, Sohnemann Lonnie (Pete Davidson) hat Spaß

Mit dem Orgasmus sei es so eine Sache, leider eine sehr komplizierte, erklärt DJ (Miles J. Harvey) seiner hochschwangeren Schwägerin Marina (Emanuela Postacchini) in »Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache« von Regisseur Dito Montiel. Der evolutionsbiologische Hintergrund des oft enormen Aufwands, den Männer betreiben müssten, sei, so DJ, folgender: Je schwieriger es für sie wäre, ihre Geliebte zum Höhepunkt zu bringen, desto größer würden die Ansprüche der Frauen bei der Partnerwahl werden, was zwangsläufig dazu führen würde, dass nur die Besten zum Zuge kämen.

Marina legt die Stirn in Falten. Sie weiß nicht so recht, ob das jetzt ironisch gemeint war, denn eins ist Fakt: Sie hat sich, um es freundlich zu formulieren, bestimmt nicht mit Rocco (Lewis Pullman), DJs Halbbruder, eingelassen, weil sie auf Siegertypen steht. Außerdem ist da noch etwas, woran es nichts zu rütteln gibt, und das sagt sie ihrem spätpubertierenden Schwager auch ins Gesicht: »Wenn du dir nicht abgewöhnst, so klug zu reden, wirst du nie eine Freundin haben!« – Familienleben, wie wir es kennen, auch wenn es diese Familie, die sich hier in der Küche eines modernen Landhauses in den Wäldern von Neuengland zur morgendlichen Tasse Kaffee eingefunden hat, erst seit ein paar Stunden gibt.

Eigentlich wollte Vincent (Ed Harris) mit seiner über alles geliebten zweiten Frau (geschätzt 40 Jahre jünger) und ihrem gemeinsamen Sohn DJ ganz allein und in Ruhe den Jahreswechsel feiern: eisgekühlter Weißwein, ein gesundes Abendessen und drei, vier Raketen.

Noch in der Nacht vor Silvester taucht nun plötzlich Rocco, Vincents Sohn aus erster Ehe, auf. Vincent weiß sofort, dass Rocco in Schwierigkeiten steckt. Und er weiß es nicht nur, weil Rocco eine Schmarre über der linken Augenbraue hat. Rocco steckt ganz einfach immer irgendwie in der Scheiße. Dieses Mal muss es besonders schlimm sein, sonst hätte Rocco neben der schwangeren Freundin nicht auch noch seine Mutter Ruth (Jennifer Coolidge) im Schlepptau.

Ruth und Marina geben übrigens ein drolliges Paar ab; eine ist so breit, wie die andere rund ist. Die volltrunkene Ruth muss ins Haus getragen und auf einer Couch abgelegt werden (ein schönes Bild und auch ein sehr passendes, da Jennifer Coolidge wieder umwerfend spielt). Doch mal einen zur Brust zu nehmen, muss ja nicht gleich heißen, dass man »Gesindel« ist, so die Übersetzung für Riff Raff. Es wird da also noch jemanden geben.

Lefty (Bill Murray) ist ein Gangster der alten Schule, sein Motto: »Wenn man erst einmal mit dem Umlegen angefangen hat, wird es schnell zur einfachsten Lösung für alle Probleme.« Leftys rechte Hand ist Lonnie (Pete Davidson). Allerdings ist Lonnie eher eine linke Hand, noch dazu eine mit fünf Daumen, von denen jedoch jeder einzelne sehr locker am Abzug sitzt. Weil Leftys Sohn nach einem völlig harmlosen Streit in einem Lokal plötzlich ein Stuhlbein im Ohr stecken hatte, begaben sich Lefty und Lonnie auf den Weg, um Rocco zu finden. Jeder, der ihnen dabei ein kleines Stück weiterhalf, machte als Zeichen des Dankes am Ende Bekanntschaft mit Lonnies Daumen. Dies traf selbstverständlich auch auf die zu, die ihnen nicht weiterhelfen konnten oder wollten. Auch wenn Lefty und Lonnie also nicht gerade mit dem Hut in der Hand durchs Land reisen, finden sie doch irgendwann Vincents einsam gelegenes Landhaus. Leider ein bisschen zu spät, denn Vincent hat seine Silvesterraketen schon abgefeuert. – Zeit für das ganz große Geballer.

Trotz der ziemlich einfältigen und im Grunde auch absolut unlogischen Story ist »Riff Raff« ein unterhaltsamer Film und auch ein irgendwie vertrauter, denn alles, was uns geboten wird, haben wir so oder so ähnlich schon gesehen. Meistens handelt es sich sogar um einen ziemlich billigen Abklatsch. Bei der Masse an Thrillern, Krimis usw., die nun schon seit einer Ewigkeit auf die Leinwand gebracht werden, ist es auch nahezu unmöglich, etwas total Neues zu erfinden. Man kann jedoch die gewohnten Bilder auf ungewohnte Art aneinanderreihen. Genau darin ist der Film gut. Und wenn er mal nicht so gut ist, hält er einen hübschen Kniff parat.

Dashiell Hammett, der vor knapp 100 Jahren schon mit seinen ersten Büchern den Kriminalroman revolutioniert hat, sagte im Alter einmal: »Immer, wenn ich nicht mehr weiterwusste, habe ich einen Typen mit einer Kanone ins Zimmer stürmen lassen.« (Wenn ich mal blank bin, zauber ich einfach irgendein Zitat aus dem Hut.) Für »Riff Raff« lässt sich sagen: Immer, wenn der Film zu kippen droht, erwacht Jennifer Coolidge aus dem Koma. Beim letzten Mal, mitten im Finale, liegt sie nachts blutend im Gras. Whiskydämpfe steigen aus den Einschusslöchern in ihrer Brust auf. Das bringt sie wieder auf die Beine. Und irgendwo in der Dunkelheit muss da noch ihr großes Messer liegen … Ritsch, ratsch.

»Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache«, Regie: Dito Montiel, USA 2024, 103 Min., Kinostart: heute

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