Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Wenn Toaster töten: Die Nostalgie-Splatter-Komödie »Y2K«

Von André Weikard
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What the fuck …

Okay, das mit der Dubai-Schokolade haben jetzt alle mitbekommen. Aber wie steht’s mit nem anderen Tik-Tok-Trend: Y2K. Schon mal gehört? Steht für Year 2000 und meint das, was wir früher uncooler Weise die nuller Jahre genannt haben. Hört sich doof an, war in der Erinnerung des Verfassers dieses Textes auch kein Jahrzehnt, das sich popkulturell besonders ausgezeichnet hat, ist aber »in«, sagen die Influencer. Und die GQ. Y2K-Kollektionen gibt’s von Dior, Gucci und Louis Vuitton, mittlerweile auch von Adidas und ja, auch von C&A. Und jetzt gibt’s außerdem einen Film zur Nullernostalgie. Wie könnte der wohl heißen? »Y2K«.

Er spielt passenderweise am Silvesterabend 1999. Die Älteren erinnern sich. Der Jahreswechsel war nicht nur deshalb besonders aufregend, weil damit ein neues Jahrtausend eingeläutet wurde. Mit dem Wechsel auf die Doppelnull würden auch zahlreiche Computersysteme weltweit verrückt spielen, glaubte man. Die wären nur auf zweistellige Jahreszahlen geeicht. Flugzeugabstürze wären die Folge, der Ausfall von Zahlungssystemen, Ampeln, Kraftwerken. Nichts davon geschah wirklich. Wohl aber in »Y2K«.

Das macht einer Gruppe von Teenagern um Eli (Jaeden Martell) und Laura (Rachel Zegler) das Leben schwer. Sie bekommen es nun mit wild gewordenem Kinderspielzeug, tödlichen Toastern und Rasierapparaten zu tun, die ihrem Benutzer an die Gurgel springen. Was zu blutbespritzten Wänden, abgetrennten Gliedmaßen und rollenden Köpfen führt. Wer wissen möchte, wie auch ein Videorekorder, eine Mikrowelle oder ein Tamagotchi Menschen vom Leben in den Tod befördern können, erfährt es hier. Von Bohrmaschinen, Mixern und elektrischen Heckenscheren erst gar nicht zu reden.

Das sind noch die kreativsten Elemente von »Y2K«. Denn vor allem kapriziert das B-Movie sich darauf, Zeitkolorit zu versprühen. Das Modem piepst, eine Videothek darf so wenig fehlen wie der bekiffte Späthippie mit Stirnband und Holzperlenkette, der vergeblich mit Diabolo-Jonglierstöcken hantiert. Rappende Kids, Videokameras, Skateboards bekommen ihren Auftritt. Dazu scheppert Fatboy Slims »Praise You«.

Wer Spaß daran haben soll, ist nicht recht klar. Denn um die Nuller im Blut zu haben, muss man doch wenigstens an die 40 Jahre alt sein. Nicht ganz das typische Publikum für einen Teenagerfilm, der in der Enge eines Dixi-Klos Romantik aufkommen lässt, in dem von Robotern aufgespießte Jungs mit ihren letzten Worten ein Kondom vererben.

Dafür machen die beiden Hauptdarsteller Jaeden Martell und Rachel Zegler ihre Sache gut. Letztere ist derzeit auch als Schneewittchen im Remake von Disneys Märchenklassiker im Kino zu sehen. Das gefällt nicht jedem, weil die Haut der Halbkolumbianerin dem konservativen Publikum nicht »weiß wie Schnee« genug ist.

»Y2K« hat ein ganz anderes Pro-blem. Der Film ist nicht witzig genug, nicht überraschend, nicht so schräg, nicht so mutig, wie er es als Trash-Horror-Komödie sein müsste. Eher wie ein angekündigter Jahrtausendbug, der sich am Ende als lahmer Fehler in einigen automatisiert ausgestellten Brief-köpfen herausstellt. Willkommen im Jahr 1900, ha, ha. Aber der Ohrwurm bleibt: »We’ve come a long, long way together. Through the hard times and the good …« Waren vielleicht doch nicht so schlecht. Die nuller Jahre.

»Y2K«, Regie: Kyle Mooney, USA/Neuseeland 2024, 92 Min., Kinostart: heute

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Christel H. aus Aschersleben (27. März 2025 um 12:41 Uhr)
    Der Silvesterabend 1999 und der darauffolgende Neujahrsmorgen 2000 läuteten mitnichten ein neues Jahrtausend ein, dies geschah erst ein Jahr später, aber das ist wohl ein Detail, das für manche Leute schwierig zu verstehen ist. Vielleicht nochmal ins Mathebuch schauen!

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