Heimstaden klagt auf Räumung
Von Oliver Rast
Das fragen sich viele: Wenn Verträge auslaufen, was dann? Etwa bei befristeten Mietverträgen? Besonders in Zeiten von Wohnungsnot und Mietenwahnsinn? Klare Sache: eine Entfristung vom Vermieter fordern. Notfalls juristisch durchsetzen. Auch und gerade gegen private Immobilienunternehmen erzwingen, beispielsweise gegen die schwedische Branchengröße Heimstaden mit rund 20.000 Wohnungen in Berlin.
Exakt das haben engagierte Mieter vor. Die Steilvorlage lieferte Heimstaden selbst mit Räumungsklagen gegen Bewohner, deren Mietverträge ausgelaufen waren. Und die ihren Wohnraum trotz Vermieterdrohungen nicht verlassen haben, geblieben sind.
Am vergangenen Donnerstag vormittag begann vor dem Amtsgericht Neukölln das erste Verfahren. Aktivisten der Kampagne »Stop Heimstaden« hatten zur »solidarischen Prozessbegleitung« mobilisiert, rund 40 Personen folgten dem Ruf, sagte Sprecherin Karolin Steger (Name geändert) am Montag jW. Ferner haben betroffene Mieter eine Anwältin beauftragt, mittels Feststellungsklage rechtlich klarstellen zu lassen, dass diese Form der Befristung unzulässig ist, teilte der Berliner Mieterverein (BMV) vor Prozessbeginn mit.
Heimstaden hatte Ende 2021 den Berliner Wohnungsbestand des Konkurrenten Akelius übernommen. Der Vorgänger hatte zwischen 2019 und dem Übernahmejahr laut BMV zahlreiche Mietverträge von zumeist fünf Jahren Laufzeit abgeschlossen – »mutmaßlich, um den damals geltenden Mietendeckel zu umgehen«, so der BMV. Belegen lässt sich dies indes nicht.
Richtig ist hingegen: Heimstaden Deutschland habe die Mietverträge »geerbt«, sagte dessen Kommunikationschef Michael Lippitsch am Freitag auf jW-Nachfrage. Und nein, befristete Verträge seien keine gängige Vermietungspraxis. Lippitsch: »Wenn Heimstaden heute neue Wohnungsmietverträge abschließt, sind diese standardmäßig unbefristet.«
Nur, warum werden die Altverträge nicht entfristet? Weil nach Anwaltsprüfung die Befristungen und deren Gründe rechtmäßig seien, »wenn es zur Durchführung der vertraglich festgehaltenen Sanierungsmaßnahmen kommt«. Klar, eine Lösung mit Mietern zu finden ohne Gerichtsverfahren wäre der bessere Weg. Aber wenn der Mietvertrag offiziell ausgelaufen sei, »der Mieter aber in der Wohnung verbleibt und mit uns den Dialog ablehnt, müssen wir auf eine gerichtliche Klärung hinwirken«, meint Lippitsch.
Davon will Steger nichts wissen. Mieter mit befristeten Verträgen mögen sich bei der Kampagne »Stop Heimstaden« melden, gemeinsam für die Entfristung aller Mietverträge kämpfen. Politisch, juristisch. Und für jene Betroffenen, die gegen ihren Willen aus Wohnungen ausgezogen seien, weil Heimstaden entfristete Mietverträge verweigert habe, »fordern wir Schadenersatz«, betonte Steger. Nicht zuletzt müssten die Bestandswohnungen des deutschen Ablegers des schwedischen Immohais in eine Gemeinwohlbewirtschaftung überführt werden.
Niklas Schenker (Die Linke) unterstützt das. Und sowieso, es gebe keine juristische Grundlage für diese Befristungen, bemerkte der Sprecher für Mieten und Wohnen seiner Abgeordnetenhausfraktion am Montag gegenüber jW. »Deshalb ist es gut, dass nun dagegen geklagt wird.« Heimstaden müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Das heißt? Schenker: »Dieser Konzern muss enteignet werden.« CDU und SPD müssten ihre Blockade gegen die Vergesellschaftung endlich aufgeben.
Zurück zum Neuköllner Amtsgerichtsprozess: Der Richter habe Steger zufolge einen Vergleich angeregt. Also die Beilegung des zivilrechtlichen Streits im Wege gegenseitigen Nachgebens. Wie das konkret aussehen kann, unklar. Klar hingegen ist: Sollte ein Vergleich nicht zustande kommen, geht die Verhandlung in die zweite Runde. Am Gründonnerstag, 17. April. Sicher wieder mit »solidarischer Prozessbegleitung«. Motto: gegen Räumungsklage, für Generalentfristung. Keine Frage.
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