»Wir müssen unsere Regierung daran hindern«
Interview: Gitta Düperthal
Sie waren 29 Jahre lang in der US-Armee, wechselten aber vor der Invasion im März 2003 im Irak in die Opposition gegen den Krieg. In Wiesbaden haben Sie am Sonnabend die deutsche Antikriegsbewegung beim Protest gegen die für 2026 geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen unterstützt. Die Raketen können Ziele in Russland erreichen. Was bedeutet das für Sie in diesen Zeiten?
Diese Pläne der Vereinigten Staaten und Deutschland sind sehr gefährlich. Die Probleme, die Europa mit Russland hat, müssen gewaltfrei und mit Diplomatie gelöst werden. Statt Waffen gilt es, Worte zu verwenden. Nach einem so lange andauernden Krieg ist es nie einfach, eine alle zufriedenstellende Einigung zu finden. Es ist aber wichtig, jetzt Frieden zwischen Russland und der Ukraine herbeizuführen, damit keine ukrainischen, russischen und koreanischen Menschen mehr sterben müssen. Das Töten muss gestoppt werden.
Wie schätzen Sie die Chancen auf eine Friedenslösung in Zeiten der Regierung Donald Trumps ein, im Vergleich zu dessen Vorgänger?
Unter der Administration Joseph Bidens war es gefährlicher, weil er keinen Dialog und keine Einigung mit Russland wollte und ständig provozierte. Selbstverständlich halte ich die Invasion Russlands in der Ukraine für fatal. Doch beide Minsk-Abkommen waren gelogen, wie die vormalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel zugab. Darin vereinbarte Voraussetzungen habe man gar nicht umsetzen, sondern nur Zeit gewinnen wollen. Die USA und die Europäer planten die Aufnahme der Ukraine in die NATO, um dieses Bündnis weiter nach Osteuropa auszudehnen. Unter der Regierung Trumps gibt es die Chance, den Krieg zu beenden, weil er sich als Friedenskandidat feiern lassen will. Aus seiner Sicht stellt China für die nationalen Interessen der USA die größere Bedrohung dar als Russland. Mittelstreckenwaffen in Europa interessieren ihn weniger. Er meint, die Europäer sollten selbst für ihre Verteidigung sorgen.
Was halten Sie von der politischen Strategie der deutschen Regierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, zugleich aber zu versichern, dass die Bundesrepublik nicht in den Krieg verwickelt werden soll?
Die europäischen Länder, die Waffen liefern, haben alles in den Krieg investiert, außer dass sie Bodentruppen schicken. Keines der Länder will den Krieg auf europäischem Boden haben, aber sie orchestrieren die Kriegshandlungen. Die Friedensbewegung muss dafür sorgen, dass die Kämpfe jetzt beendet werden.
Sie sind für Ihre scharfe Kritik an der NATO bekannt. Ist das Militärbündnis aufgrund des Rechtstrends in mehreren Mitgliedstaaten gefährlicher als zuvor?
Ja, und dies führt zu mehr Repressionen. Von rechten Regierungen geht mehr Akzeptanz für das Kriegsgeschehen aus.
Wie schätzen Sie die deutsche Antikriegsbewegung ein?
Wir Friedensbewegungen – ob in Deutschland oder etwa in den Vereinigten Staaten – sind international niemals so stark, wie wir es uns wünschen würden. Wir müssen mehr Leute auf die Straße bekommen, um den Support für Lösungen mit Waffengewalt zu stoppen. Die Demonstration in Wiesbaden war wichtig, um zu zeigen, dass die Zivilgesellschaft die Stationierung der Mittelstreckenwaffen für gefährlich hält – und nicht etwa für einen Kurs, der Sicherheit und Schutz bietet. Ich bin sicher, dass die Tausenden Menschen dort nicht sagen: »Das war’s jetzt«. Sie werden ihr Wissen darüber, wie schnell eine solche Waffe abgefeuert und die ganze Welt in Gefahr bringen kann, in ihrer Nachbarschaft und bei Konferenzen weiter verbreiten, denn es könnte den Beginn eines Nuklearkrieges bedeuten, der alles zerstört.
Welche Ziele verfolgt die US-Friedensbewegung aktuell?
Wir fordern vor allem, den israelischen Genozid in Gaza zu stoppen. Das Problem der Mittelstreckenwaffen in Europa hatten wir weniger auf dem Radar. Wir müssen unsere Regierung daran hindern, die Lieferung amerikanischer Waffensysteme nach Europa zu pushen, so wie es nach dem NATO-Doppelbeschluss mit den atomaren Mittelstreckenraketen Anfang der 1980er Jahre geschah. Wir müssen uns deutlich positionieren. Das werde ich mit nach Hause nehmen.
Ann Wright ist in der Antikriegsbewegung in den Vereinigten Staaten aktiv. Sie ist ehemalige Angehörige der US-Streitkräfte im Rang eines Colonel im Ruhestand und war US-Diplomatin
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