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Aus: Ausgabe vom 05.04.2025, Seite 11 / Feuilleton
Fußball

Madman

Jens Lehmann und das richterliche Erziehungsgespräch
Von Felix Bartels
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Der Westfalen-Obelix: Als Kind in ein Schnapsfass gefallen

Immerhin war er ohne Kettensäge gekommen. So mochte die Richterin Mut gefasst haben, dem früheren Torwart heimzuleuchten. Bemerkenswert, denn eigentlich sprach sie Jens Lehmann beim Amtsgericht München vom Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit am Steuer frei, trotz getesteter 0,72 Promille. Den Ausschlag gab Lehmanns Verhalten vor Gericht, aber kein gutes. Was nicht leicht zu erklären ist.Während der Verhandlung soll Lehmann einen Polizisten fotografiert und anschließend gefragt haben, ob er Kinder habe. »Ihr distanzloses Verhalten war auch hier zu sehen«, fasste die Richterin des Torwarts Show zusammen. Die Beamten, die ihn getestet hatten, beschrieben ihn als »distanzlos, aggressiv, gereizt« bei der Kontrolle. Das glaube sie sofort, sagte die Richterin im Saal. Lehmann soll einen der Beamten während der Kontrolle mehrfach angehaucht haben, um seine Nüchternheit zu beweisen. Das sei nicht zwingend auf den Alkohol zurückzuführen: »Sie hätten sich auch im nüchternen Zustand ähnlich verhalten.« Jens Lehmann, mit anderen Worten, braucht nicht gesoffen zu haben, um sich besoffen aufzuführen.Das klingt verstiegen, weil es verstiegen ist. Die getesteten 0,72 Promille fallen noch in den Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit, von einer absoluten kann man zwingend erst ab 1,1 Promille sprechen. So bleibt dem Gericht ein Spielraum zu entscheiden, ob die konkrete Person, um die es geht, fahrlässig trunken war oder nicht. Dass Lehmann nun keinen Alkohol intus haben muss, um sich wie ein Alkoholisierter aufzuführen, mag nicht für ihn sprechen, vor Gericht hat es ihn geholfen: »Ihr kritischer Geist, wenn man es freundlich sagen will, ist oftmals ungehobeltes, vielleicht auch schlechtes Benehmen. Das kommt Ihnen hier heute aber tatsächlich zugute.«Das an die Stelle des Schuldspruchs getretene Erziehungsgespräch setzte sich dann noch etwas fort: »Das wird Sie auf Dauer nicht weiterbringen. Ob das das Bild ist, was Sie abgeben wollen, wage ich zu bezweifeln. Daran können Sie ja arbeiten.« Schon etwas seltsam, denn bislang scheint Lehmann mit der Nummer recht gut durchgekommen zu sein, sieht man mal von dem Ding mit der Kettensäge ab.

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