Ölpreise stark gesunken
Von Knut Mellenthin
Der von der Trump-Regierung ausgelöste Zollkrieg, Chinas Reaktion mit einer zusätzlichen Abgabe von 34 Prozent auf alle US-Waren, die Sorge vor einer weltweiten Rezession und eine überraschende Entscheidung der Arbeitsgemeinschaft »OPEC plus« zeigen Wirkung. Nach einem Absturz am Freitag lagen die Erdölpreise auch am Wochenanfang auf dem niedrigsten Stand seit April 2021. Damals hatten die Beschränkungen der Wirtschaftstätigkeit aufgrund der Coronapandemie einen Rückgang der globalen Nachfrage nach Rohöl und Erdölprodukten zur Folge. In der vorigen Woche fiel der Preis der international wichtigsten Marke Brent um 10,9 Prozent, während der für Nordamerika maßgebliche Wert West Texas Intermediate (WTI) 10,6 Prozent verlor. Am Montag mittag (mitteleuropäischer Zeit) wurden Brent mit 63,65 US-Dollar und WTI mit 60,03 US-Dollar pro Barrel notiert.
Die meisten Experten sehen in den neuen Zöllen gegen alle Länder der Welt, die der US-Präsident am 2. April ankündigte, die Hauptursache für die gegenwärtigen Turbulenzen. Auf dieser Grundlage gibt die unerwartete Produktionserhöhung von acht Mitgliedstaaten der »OPEC plus«, die am Mittwoch bekanntgegeben wurde, der krisenhaften Entwicklung einen zusätzlichen Schub. Beteiligt sind mit Saudi-Arabien, Russland, Irak und den Vereinigten Arabischen Emiraten die größten Erdölproduzenten des Kartells. Zur Gruppe gehören außerdem Kuwait, Kasachstan, Algerien und Oman. Gemeinsam hatten sie im April ihre geplante Förderleistung um 135.000 Barrel pro Tag erhöht. Auf diese Weise sollen 2023 beschlossene Produktionskürzungen dieser acht Länder in einer Gesamthöhe von 2,2 Millionen Barrel pro Tag rückgängig gemacht und bis Ende September 2026 vollständig abgebaut werden.
So hatten die acht Staaten es schon am 5. Dezember vorigen Jahres beschlossen. Trotzdem gaben sich viele westliche Medien überrascht und titelten stark überzogen, jetzt drehe die OPEC den Ölhahn auf. Wirklich unerwartet kam aber die Ankündigung vom 3. April: Ihre Förderung soll im Mai nicht routinemäßig um 135.000, sondern um das Dreifache, 411.000 Barrel pro Tag, gesteigert werden.
Das ist bei der gegenwärtigen Weltproduktion von rund 104 Millionen Barrel pro Tag immer noch eine geringe zusätzliche Menge und sollte, rein technisch betrachtet, die Preise nicht zum Absturz bringen. Trotzdem bleibt es vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse auch eine rätselhafte, nicht schlüssig nachvollziehbare Entscheidung. In der Presseerklärung der OPEC vom 3. April heißt es, die Maßnahme sei »mit Blick auf die anhaltend gesunden Marktgegebenheiten und den positiven Marktausblick« sowie »in Übereinstimmung« mit dem Beschluss vom 5. Dezember getroffen worden. Das ist sachlich unglaubwürdig, denn die Perspektiven der Ölmärkte werden allgemein als schlecht für die Produzenten beurteilt. Schon vor der von Trump ausgelösten Zollkrise hatte zum Beispiel das Investmentbanking-Unternehmen Goldman Sachs am 17. März seine Prognose für den Brent-Preis 2025 um fünf US-Dollar auf 71 US-Dollar pro Barrel gesenkt. Das ist besonders für Saudi-Arabien viel zu wenig, um einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können.
Wie es weitergehen soll, ist ungewiss. Die acht Mitglieder der »OPEC plus« wollen am 5. Mai erneut beraten und ihre Produktionsmenge für Juni beschließen. Bei der Bewertung der tatsächlichen Ergebnisse ist zu beachten, dass sie in der Regel nicht mit der geplanten Summe übereinstimmen. Mehrere Staaten, vor allem Irak, Kasachstan, Russland und Saudi-Arabien, haben in der Vergangenheit ihre Quoten überzogen. Sie sind verpflichtet, die Überschreitungen zu kompensieren, also künftig entsprechend weniger zu fördern. Das ergibt zum Beispiel für Mai eine abzuziehende Menge von 309.000 Barrel pro Tag.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. April 2025 um 10:41 Uhr)Die Tatsache, dass sich die düsteren Prognosen des Club of Rome aus den 1970er Jahren bislang nicht bewahrheitet haben, wirkt beruhigend: Die globale Öl- und Gasförderung wächst, neue Vorkommen werden erschlossen. Von akuter Ressourcenknappheit kann keine Rede sein. Dennoch fallen die Preise nicht – sie werden künstlich hochgehalten, nicht zuletzt durch die Politik der OPEC plus. Würden Länder wie Iran, Irak oder Venezuela ohne geopolitische Einschränkungen ihr Öl exportieren dürfen, läge der Weltmarktpreis vermutlich deutlich niedriger. Diese Staaten sind durch Sanktionen und politische Isolation faktisch vom freien Handel ausgeschlossen – zum Vorteil westlicher Interessen. Ein oft übersehener Faktor ist der spekulative Einfluss großer Öl-Fonds, vor allem aus den USA. Diese trieben den Preis mit massiven Käufen in die Höhe – trotz Anzeichen einer schwächelnden Weltwirtschaft und wachsender Handelskonflikte. Nun geraten einige dieser Fonds unter Druck, ziehen sich zurück und wirken dadurch preisdämpfend. Die Preisvolatilität am Ölmarkt ist somit nicht nur Folge geopolitischer Entwicklungen, sondern auch spekulativer Finanzmechanismen, die sich zunehmend vom realen Marktgeschehen abkoppeln. Hinzu kommt: Immer mehr Ölgeschäfte werden nicht mehr in US-Dollar, sondern in anderen Währungen wie Yuan oder Rubel abgewickelt. Der sogenannte Petrodollar – lange das Rückgrat der US-Finanzmacht – verliert an Bedeutung. Die geopolitischen Folgen dieser Entwicklung könnten langfristig weitreichender sein als jeder kurzfristige Preisverfall. Fazit: Die aktuelle Ölpreiskrise ist mehr als ein ökonomisches Phänomen. Sie markiert eine geopolitische und währungspolitische Zäsur – ein Zeichen tiefgreifender globaler Machtverschiebungen.
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