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Aus: Ausgabe vom 09.04.2025, Seite 8 / Ansichten

Offener Widerstand

Chinas Reaktion im Zollkrieg
Von Jörg Kronauer
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Bildschirm in Hongkong zeigt den Hang-Seng-Index an

Ein Weltkrieg hat viele Fronten – auch dann, wenn es ein Zollweltkrieg ist. Die wohl wichtigste Front im gegenwärtigen Zollgemetzel verläuft zwischen den Vereinigten Staaten und China. An ihr ist keine Entspannung in Sicht, vielmehr hat US-Präsident Donald Trump klargestellt, dass er zu weiterer Eskalation bereit ist, während Beijing ankündigt, »bis zum Ende kämpfen« zu wollen. Beide suchen also die Entscheidung: Wer den Zollkrieg gewinnt, gewinnt eine Etappe im großen Kampf darum, ob die westliche Dominanz dem Ende entgegengeht und China zur neuen Weltmacht wird. Beijing ist offenkundig überzeugt, sich behaupten zu können. Und es gibt in der Tat gute Gründe, den Kampf jetzt auszufechten: Die eigene Wirtschaft ist viel stärker als während der Zollscharmützel zu Trumps erster Amtszeit, die Vereinigten Staaten sind im Innern gespalten, die Volksrepublik nicht, und Trumps Politik löst selbst in den eigenen Reihen Widerspruch aus. Wann, wenn nicht jetzt?

Anders verhält es sich mit Deutschland und der EU. Der Zollkrieg trifft sie in einer Phase offen zutage liegender ökonomischer und politischer Schwäche. Zudem ist die EU zerstritten und sie hat im US-Geschäft viel zu verlieren. Was, wenn man US-Whiskey mit hohen Zöllen belegt, dann aber damit rechnen muss, dass Trump mit noch erheblich höheren Zöllen EU-Alkoholika abwehrt? Letztere bringen Italien und Frankreich in den USA mehr ein, als Kentucky mit seinem Whiskey in der EU verdient. Mit Vergeltungszöllen schneidet man sich also leicht ins eigene Fleisch. Und die Idee, dort zuzuschlagen, wo man weniger in die USA exportiert als andersherum – nämlich bei den Dienstleistungen? Nun, man kann Facebook, Google oder X kräftig auf die Füße treten, solange man aber keine Alternativen hat – die hat China, die EU aber hat sie nicht –, solange sind die Möglichkeiten, ernsthaft Druck auszuüben, beschränkt. Also bemüht sich die EU um Verhandlungen.

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Und dann wären da noch die Länder des globalen Südens, von denen viele, weil sie ärmer sind, noch erheblich brutaler als die EU getroffen werden. Ihnen bleibt nichts anderes als die Bitte um Verhandlungen, ergo Kapitulation. Vorläufig jedenfalls. Denn wer lernt, dass er die Bereitschaft zur Kooperation mit den Vereinigten Staaten unter Umständen mit heftigem Prügeln aus Washington quittiert bekommt, wird Schlussfolgerungen daraus ziehen. Es gab eine Zeit, da droschen die USA mit Knüppeln und Kanonen auf ihre Gegner ein, hielten aber ihre Verbündeten geschickt mit ein wenig Zuckerbrot bei der Stange. Diese Zeit ist vorbei. Washington geht unter Trump auch gegenüber Verbündeten zu demonstrativer Unterwerfung über. Das ist für niemanden wirklich attraktiv. Sobald sich Alternativen bieten, werden sie wahrgenommen werden. Das dürfte ein weiterer Grund dafür sein, dass China nicht nachgibt und die Zeit zum offenen Widerstand gegen die US-Dominanz gekommen sieht.

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  • Leserbrief von Klaus Ludwig aus Bosserode (10. April 2025 um 14:10 Uhr)
    (…) Russland ist ein ganz normaler Staat auf dem Weg zurück in den Westen, der ihn aber nicht will. China ist auf dem klugen Weg zum Sozialismus, verzichtet aber auf entsprechende Ovationen auf Parteitagen, sondern durch reale Anwendung der marxistischen Wissenschaft, also unter Ausgrenzung von Dogmen. Das macht sie für die USA viel gefährlicher als Moskau je war und beinhaltet u. a. das Projekt BRICS, das sich mit einem Wechsel der Hegemonie nicht verträgt. Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zu Russland. Putin strebt eine multipolare Führung der Welt an, wovon er ein Teil sein will, während China dies durchbrechen will und unter Multi eine Welt von gleichberechtigten Gliedern versteht. China hat abgewartet, was Trump tatsächlich aus dem Hut zaubert. Als er 180 Staaten gegen sich bzw. die USA gegen sich aufbrachte, blieb einer führenden Nation des sog. Globalen Südens keine Wahl als zum Schutz aller das Feuer auf sich zu lenken, während die EU zu Kreuze kroch und egoistisch versucht, sich selbst zu schützen und alle anderen Trump auszuliefern. Wer die Diktatur der USA über die Welt beendet sehen will, mag zu China stehen, wie man will, aber den US-Imperialismus bremst keine Arbeiterbewegung und keine Linke, egal welcher Couleur.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (9. April 2025 um 11:54 Uhr)
    Zum Thema Zuckerbrot und Peitsche aus den USA hört(e) man in DE nicht sooo viel. Von Halblinks vielleicht mal was aus der Lafontaine-Ecke. Die jW könnte sich mit Lorbeer bekleckern, wenn sie zum Thema »Alternativen«, also nicht Alternativen für Deutschland, sondern für die/in der internationalen Politik aufzählen und diskutieren würde. Über konkrete Themen wird ja berichtet. Z. B. über die »russische Schattenflotte«. Die dahinter steckenden größeren und großen Zusammenhänge bleiben aber unterbelichtet (weil bei der Leserschaft als Kontext vorausgesetzt?). Welche aktuellen und potentiellen Möglichkeiten haben sanktionierte und neuerdings vom Zollkrieg betroffene Staaten/Volkswirtschaften, zu handeln/zu reagieren? Die Drohung von Trump steht im Raum, den Versuch, sich der Leitwährung zu entziehen, zu bestrafen (Gaddafi lässt grüßen). Was bleibt den Sanktionierten auf Dauer aber anderes über, als sich (durch Multipolarität), diesem Druckmittel zu entziehen? Aus der Vergangenheit wissen wir, wie die Ablösung einer Weltwährung durch eine andere vor sich geht: Siehe Pfund durch Dollar. Das schreibt »Das Investment« unter »Als Leitwährung ausgedient?«: »Während der US-Dollar derzeit noch alternativlos erscheint, zeichnet sich ein Szenario ab, in dem er zunehmend mit dem Yuan und dem Euro konkurrieren muss. Eine multipolare Weltordnung mit mehreren gleichwertigen Leitwährungen könnte dabei ein denkbares Ergebnis sein – sofern die USA nicht rechtzeitig gegensteuern.« (https://www.dasinvestment.com/welthandel-nach-trump-us-dollar-leitwaehrung/). Die Konsequenzen eines Abschmierens des Dollars wären gewaltig. Wobei die Frage nicht ist, ob er abschmiert, sondern wie und unter welchen Begleitumständen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (9. April 2025 um 08:33 Uhr)
    Lieber Herr Kronauer, deine Idee: »Sobald sich Alternativen bieten, werden sie wahrgenommen werden« bricht sich an der Realität. Aus anscheinend politischen Gründen, die bis heute nicht wirklich analysiert wurden, werden in der EU bislang sämtliche Alternativen ignoriert. Es gab sowohl von den BR8CS als auch von China Angebote zu Gesprächen über gemeinsame Reaktionen. Beide Male wurden diese Angebote mit der von der Leyen typischen Arroganz ausgeschlagen. Auch die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Beziehungen zur RF, welche eine Alternative wäre, gilt hier als Hochverrat. Trump kann sich darauf verlassen, dass die Dummdeutschen keine Alternativen wahrnehmen werden.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. April 2025 um 22:00 Uhr)
    Die meisten Länder werden nach Alternativen suchen – sie wollen sich nicht dauerhaft einem wirtschaftlichen Druck aussetzen, der immer weniger berechenbar wird. Nur einige wenige total ausgelieferte, wie etwa Israel, werden sich weiterhin unterordnen, oft aus strategischer Notwendigkeit. Eines steht fest: Die Welt ist kein Unternehmen, und sie funktioniert nicht wie ein Konzern. Trumps Versuch, globale Politik mit der Mentalität eines Geschäftsmanns zu betreiben, führt in die Irre. Die Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen – auch die Vereinigten Staaten werden nicht wieder zu dem industriellen Machtzentrum, das sie vor hundert Jahren waren. Die Welt verändert sich – und China ist entschlossen, dieser Veränderung ein neues Gesicht zu geben.

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