Mehr, einfacher, günstiger bauen
Von Susanne Knütter
Nicht Boden- und Immobilienspekulation, Leerstand oder Eigentum an Wohnraum sind das Problem. Die Kosten für Baumaterialien sind es. Das war die Botschaft des 16. Wohnungsbautags, der am Donnerstag in Berlin stattfand. Frei finanzierter Wohnungsbau sei unterhalb von 17,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter demnach kaum mehr rentabel. Weil sich das so gut wie keiner mehr leisten kann, werde weniger statt mehr gebaut. Aber, so die optimistische Botschaft der führenden Verbände der Bau- und Wohnungswirtschaft von Mieterbund und IG BAU bis Verband der Baustoffindustrie: Das Ziel von 400.000 Wohnungen jährlich sei perspektivisch wieder erreichbar, wenn Bauen günstiger und einfacher würde. Hebel seien die Ausweisung neuer Baugebiete, das Verabschieden von zu hoch gesteckten Baustandards, die Aussetzung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent im sozialen Wohnungsbau und ein Zinsverbilligungsprogramm.
Die Baukosten, die infolge des Wirtschaftskriegs gegen Russland seit 2022 stark gestiegen sind, müssten um ein Drittel gesenkt werden. Für 100.000 neue Sozialwohnungen müssten Bund und Länder dann nicht mehr 15 Milliarden Euro in Förderung investieren, sondern nur noch elf Milliarden. Sparen könnte man unter anderem durch den Einbau dünnerer Außenwände und Decken. Auch weniger Pkw-Stellplätze und der Verzicht auf Tiefgaragenplätze machten das Bauen günstiger. Abstellräume sollten von der Wohnung in den Keller gelegt werden. Außerdem sollte beim Lärm- und Klimaschutz – etwa durch dreifach verglaste Fenster – nicht überzogen werden. Dadurch würden am Ende auch Baustoff- und Energieressourcen gespart, erläuterte Dietmar Walberg, Leiter der schleswig-holsteinischen Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen. Auf diese Weise seien kürzlich Mietwohnungen in Schleswig-Holstein fertiggestellt worden, bei denen die reinen Baukosten – ohne Grundstück, Planung, Außenanlage – im Schnitt bei 2.230 Euro pro Quadratmeter liegen.
Aktuell fehlten bundesweit mehr als 550.000 Wohnungen. 9,6 Millionen Menschen – und damit elf Prozent der Bevölkerung – leben nach Angaben der Wissenschaftler und Verbände in überbelegten Wohnungen. Das sind 1,1 Millionen mehr als noch vor fünf Jahren. In Mittel- und Großstädten lebe mittlerweile sogar jeder sechste mit zu vielen Menschen in einer zu kleinen Wohnung.
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Tatsächlich fehlt es entlang der gesamten Bau- und Immobilienkette – vom Bauherrn über Eigentümer, Architekten und Bauunternehmen bis hin zu Maklern – häufig am Interesse, kostengünstig zu bauen. Die Vergütungsmodelle sind in der Regel prozentual am Projektvolumen orientiert, nicht aber an sozialer Verantwortung oder der tatsächlichen Leistbarkeit für Mieterinnen und Mieter.
Ein weiterer struktureller Engpass: Die Baubranche arbeitet vielerorts noch immer im Stil traditioneller Handwerksbetriebe – kaum automatisiert, mit geringer technischer Innovationsbereitschaft. Es fehlt nicht nur an Anreizen, sondern oft auch an Willen, moderne Bau- und Fertigungstechnologien einzusetzen, die das Bauen effizienter und preiswerter machen könnten.
Auch die künstliche Verknappung von Bauland treibt die Preise weiter in die Höhe. Zwar existieren gesetzliche Vorgaben, die vorschreiben, dass erschlossene Baugrundstücke innerhalb eines bestimmten Zeitraums – in der Regel fünf Jahre – bebaut werden müssen. Doch diese Regelungen werden einfach nicht durchgesetzt. Eine konsequente Anwendung könnte die
Grundstückspekulationen unterbinden, die Bautätigkeit ankurbeln und dem Markt dringend benötigte Dynamik verleihen – auch in preislicher Hinsicht.
Ein oft unterschätzter, aber entscheidender Faktor ist zudem der gesellschaftliche Widerstand gegen sozialen Wohnungsbau in bestimmten Stadtvierteln. Gerade im Großraum Stuttgart gab es immer wieder Fälle, in denen privilegierte Anwohnerinnen und Anwohner aktiv gegen die Ansiedlung von Sozialwohnungen vorgingen – aus Angst vor einem vermeintlichen Wertverlust ihrer Immobilien – nachweisbar etwa über den Mietspiegel – oder einer »sozialen Durchmischung«. Die Vorstellung, dass Kinder von Sozialhilfeempfängern dieselben Schulen besuchen könnten wie die eigenen, führte in manchen Fällen zu offener Ablehnung. In Baden-Württemberg ging dies sogar so weit, dass über Jahre hinweg Mittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau gar nicht erst abgerufen wurden.
Solange diese strukturellen, politischen und gesellschaftlichen Blockaden nicht ehrlich thematisiert und beseitigt werden, reicht es nicht aus, lediglich auf Materialpreise oder Baustandards zu verweisen. Eine nachhaltige Lösung erfordert einen umfassenden, ehrlichen Blick auf das Bauen – und auf das gesellschaftliche Klima, das Wohnraum für alle überhaupt erst ermöglichen muss.