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Aus: Ausgabe vom 11.04.2025, Seite 4 / Inland
Koalitionsvertrag

Kabinett Blackrock I

Reaktionen auf den Koalitionsvertrag von »Schwarz-Rot«
Von Karim Natour
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Die »Alphas« von »Schwarz-Rot« am Mittwoch in Berlin

Als »heimlicher Sieger« wurde CSU-Chef Markus Söder nach der Präsentation des Entwurfs für einen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD am Mittwoch bezeichnet. Einen Tag später war es dann auch die CSU, die als erste grünes Licht für eine Neuauflage von »Schwarz-Rot« gab. Die Wahl von CDU-Chef Friedrich Merz zum nächsten Bundeskanzler könnte laut CSU-Chef Markus Söder am 6. Mai stattfinden. Die CDU entscheidet Ende April auf einem Parteitag, die SPD lässt ihre Mitglieder entscheiden.

In dem 144seitigen Papier wird eine umfangreiche »Staatsmodernisierung« angekündigt. Das Informationsfreiheitsgesetz, dessen Abschaffung die CDU angestrebt hatte, soll »reformiert« werden. Auch bei der Migrationspolitik strebt die neue Bundesregierung einen härteren Kurs an, und beim Bürgergeld winken Betroffenen härtere Sanktionen. Wenig überraschend sieht der Vertrag »deutlich« höhere Rüstungsausgaben vor. Schließlich soll die Abschaffung der Schuldenbremse nicht umsonst gewesen sein – es kann »gestaltet« werden.

Andere hatten anstelle der CSU die SPD als »Siegerin« der Koalitionsverhandlungen ausgemacht, weil die Sozialdemokraten ganze sieben Ressorts für sich reklamieren konnten. Prompt verteidigte Parteichefin Saskia Esken am Donnerstag die Verteilung und Anzahl der Ministerien. Es sei »im Konsens« entschieden worden, was »durch die unterschiedliche Größe der Ministerien auch der Realität des Einflusses in der Regierung« entspreche.

Steuerlich entlasten will das »Kabinett Blackrock I« vor allem »die Wirtschaft«. Trotzdem kam am Donnerstag Kritik von mehreren Thinktanks. Damit allein werde man die Probleme der deutschen Wirtschaft kaum lösen können, so Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft in Berlin. Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen kritisierte vage Formulierungen. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn bemühte sich, Panikattacken in Konzernchefetagen vorzubeugen, und bezweifelte gegenüber RTL und N-TV, dass der Mindestlohn 2026 auf 15 Euro steigen könne. Im Entwurf heißt es, ein solcher sei »erreichbar«. Diskussionen gab es auch um die angekündigten »Zurückweisungen« von Asylsuchenden »in Abstimmung« mit den betroffenen Nachbarländern. »›In Abstimmung‹ heißt nicht ›mit Zustimmung‹«, sondern »dass die Entscheidung in Deutschland getroffen wird«, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Donnerstag dem Sender Phoenix. Bei Abschiebungen werde Deutschland mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten. Dabei soll es »Konsequenzen« haben, sollten diese ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen – etwa bei Visa-Erteilungen und der Handelszusammenarbeit.

Kritik am Entwurf kam von den Grünen. Die Partei warf Union und SPD fehlende Generationengerechtigkeit vor. Neben drohenden Rückschritten beim Klimaschutz beklagten die Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge das Vertagen von Entscheidungen über die Zukunft sozialer Sicherungssysteme. Die junge Generation habe »das Recht, dass Politik für sie gemacht wird«, so Haßelmann am Donnerstag in Berlin. Die AfD – in Umfragen zum ersten Mal bundesweit stärkste Kraft – bemängelte das Ausbleiben eines Kurswechsels. »Der vorgelegte Koalitionsvertrag setzt den Kurs der vergangenen Jahre nahtlos fort«, so der Brandenburger AfD-Landesvorsitzende René Springer laut Berliner Zeitung am Mittwoch. Linke-Chefin Ines Schwerdtner warf Union und SPD »Ignoranz« gegenüber dem »wachsenden Unmut in der Gesellschaft« der Umweltzerstörung, der Armut und globalen Konflikten vor.

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