Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 12.04.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kino

In einsamer Mission

Professionalität wird überschätzt: James Hawes’ Remake des Spionagethrillers »The Amateur«
Von Maximilian Schäffer
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Feuertaufe im Hotelpool: Amateuragenten unter sich

The Amateur« ist ein professionell gemachter Film von mittlerem Budget (etwa 100 Millionen US-Dollar) für ein breites Publikum. Ein Agententhriller der Marke James Bond, mit internationalen Schauplätzen, viel Action und Spionagepuzzelei, aber eben mit einem Antihelden als Protagonisten. Kein Sex, keine Cocktails, dafür Trauer und Rache. Weder Anmutung noch Metier sind irgendwie neu, nicht einmal ansatzweise. Bezeichnenderweise handelt es sich um ein Remake des kanadischen Thrillers »Der zweite Man« aus dem Jahr 1981 mit John Savage in der Hauptrolle. Nie davon gehört? Kein Wunder. Ein handwerklich routinierter Abendfüller so wie seine Reinkarnation.

Unser Mann heißt Charles Heller und wird gespielt von Rami Malek, der außer Freddie Mercury in »Bohemian Rhapsody« (2018) schon einmal einen Hacker mimte, und zwar 2015 in der Serie »Mr. Robot«. Heller also ist Computerspezialist beim zivilen Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten von Amerika – der CIA. In deren Hauptquartier in Langley, Virginia, arbeitet er in der Verschlüsselungsabteilung. Seine große Liebe und Ehefrau Sarah (Rachel Brosnahan) wird eines Tages in London von Terroristen ermordet. An der Quelle von vertraulichen Informationen sitzend, kann Charles nicht widerstehen: Sobald er sich den Fall genauer anschaut, wird klar, dass die drei Killer vom Staat selbst gesponsert wurden. Er benutzt streng geheime Unterlagen, um seine Vorgesetzten zu erpressen. Die sind nämlich erstens korrupt, und zweitens will der Computernerd selbst die Rolle des Racheengels übernehmen.

Eine offensichtliche Krankheit des kontemporären Kinos ist es, zu lange Filme mit zu dünnen Drehbüchern zu produzieren. Man könnte diese Pathologie auch das »Seriensyndrom« nennen, mit dem man der Erwartungshaltung und Gewohnheit des Publikums entgegenzukommen versucht: Endlosstränge erzählter Beiläufigkeiten auf Netflix. Zwangsläufig stellt sich bei »The Amateur« nach gut anderthalb von zwei Stunden das Gähnen ein. Das liegt zum einen an Maleks absolut charismabefreitem Spiel. Anscheinend hatte er sich vorgenommen, den Informatiker als bereits AI-konfiguriertes Wesen zu porträtieren. Sicherlich weint »Charlie« immer wieder um seine Frau, sicherlich hat er Angst, wenn er verfolgt wird, sicherlich fällt ihm das Töten anfangs nicht leicht. Was aber melodramatische Kühlschränke wie Walter White in »Breaking Bad« einst so interessant machte, war ihr soziales Netzwerk. Ein funktionierender Familienvater und Lehrer als Drogenbaron und Killer, der sich an der Gesellschaft für seine Unterbezahlung rächt. Heller hingegen ist ein solitärer Single (Witwer), von dessen Privatleben man nur einmal sein hübsches Haus sieht. Zudem arbeitet er selbst hochlukrativ für eine Organisation, die sich in den letzten 77 Jahren ihrer Existenz nicht gerade durch internationale Wohltätigkeit hervorgetan hat.

Zum anderen wirkt Regisseur James Hawes dann wieder unentschlossen darüber, wie er Tränendrüse und Killeraction adäquat dosieren soll. Da passieren James-Bond-reife Explosionen wie die Sprengung eines Hotelpools und Verfolgungsjagden mit ordentlich Geballer. Während Hellers Finten die Bösewichte der CIA und deren internationales Netzwerk immer wieder in die Irre führen, verkommt seine Mission zum Überlebenskampf. Freunde und Weggefährten hat er keine, nur einen anonymen E-Mail-Kontakt, mutmaßlich in Istanbul. Dieser stellt sich als vom Spionagewesen ebenso einsam gemachte Person heraus.

Böse CIA, gute CIA – zum Schluss möchte der Agent in allen Ehren zurückkehren in den Schoß seiner Behörde. Sie müssen verstehen: Sonst hat er ja auch nichts mehr im Leben. Ob ihm dies gelingt und ob er einige Killer mit betont russischen Nachnamen auf seinem Weg ausschalten kann, dürfen nun auch deutsche Kinobesucher erfahren. Die Russen übrigens hat man erst im Remake zahlreich hinzugefügt. Im Original von 1981 waren die Bösen meist Tschechen, manchmal Deutsche. Der Oberböse im neuen Film allerdings heißt heute wieder »Schiller«. Mal sehen, wie lange es dauern muss, dass sich das wieder als glaubwürdig etabliert.

»The Amateur«, Regie: James ­Hawes, USA 2025, 123 Min., bereits angelaufen

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