Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 14.04.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Repression und Massenüberwachung

Alte Pläne in neuem Papier

Union und SPD wollen Polizei neue Instrumente für Repression und Überwachung an die Hand geben
Von Marc Bebenroth
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Traum vom allsehenden Auge: Was auch immer bald als »Kriminalitätsschwerpunkt« gilt, soll videoüberwacht werden (Berlin, 8.4.2024)

Stärke sei die Voraussetzung für Frieden. Diese »Para bellum«-Sentenz aus der Präambel des Koalitionspapiers darf man auch auf die innenpolitischen Aufrüstungspläne von CDU, CSU und SPD übertragen. So kündigen die drei Parteien unter dem Etikett der »Terrorismusbekämpfung« an, den Anwendungsbereich des Paragrafen 89 a StGB (»Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat«) auf Fälle auszudehnen, in denen ein Tatverdächtiger »keinen Sprengstoff, sondern Gegenstände wie ein Messer oder einen Pkw benutzen will«.

Die geplante Ausweitung ziele auf die einer Person unterstellte Absicht und rücke damit »gefährlich nah an ein Gesinnungsstrafrecht« heran, warnt die Hamburger Rechtsanwältin Ronja Pfefferl in ihrem auf dem Fachportal Legal Tribune Online veröffentlichten Gastbeitrag. Jenes Prinzip habe die Strafgesetzgebung in der Nazizeit geprägt. Pfefferl zufolge ist das Missbrauchspotenzial »evident«. So könne die angekündigte Novelle dazu führen, dass Ermittlungsbehörden Hausdurchsuchungen und andere Grundrechtseingriffe mit dem bloßen Kauf eines Alltagsgegenstandes begründen.

Zur »Resilienzstärkung unserer Demokratie« solle Menschen das passive Wahlrecht entzogen werden können. Voraussetzung soll sein, dass jemand mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist. Den Tatbestand wolle man »verschärfen«. Künftig soll der »Aufenthalt« in Deutschland einfacher »beendet« werden können. Zur »Regelausweisung« sollen dem Papier zufolge auch Verurteilungen wegen Volksverhetzung, »antisemitisch motivierten Straftaten sowie bei Widerstand und einem tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte«. Letztere können von Einsatzkräften bei Bedarf auch provoziert werden.

Auch ohne es die Betroffenen unmittelbar spüren zu lassen, wollen Christ- und Sozialdemokraten neue staatliche Machtinstrumente schaffen. So versprechen sie, der Bundespolizei die »Quellen-Telekommunikationsüberwachung« zu erlauben. Dabei spielen Beamte Schadsoftware auf Geräte von Verdächtigen, um zum Beispiel auch verschlüsselte Kommunikation mitlesen zu können. Zu »Strafverfolgungszwecken« werde man den »Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesesystemen« im sogenannten Aufzeichnungsmodus erlauben. Unter dem Vorwand, Einbrecher einfacher fassen zu können, soll die Befristung der Telefonüberwachung beim Wohnungseinbruchsdiebstahl wegfallen. Auch die sogenannte Funkzellenabfrage, bei der sämtliche in einer Mobilfunkzelle angemeldeten Endgeräte erfasst und geortet werden, »wollen wir wieder umfassender ermöglichen«, heißt es im Koalitionspapier.

Den sogenannten Sicherheitsbehörden sollen »die automatisierte Datenrecherche und -analyse« ermöglicht werden. Ebenso der »nachträgliche biometrische Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten« – mittels »künstlicher Intelligenz«. An »Kriminalitätsschwerpunkten« wollen Union und SPD »eine Videoüberwachung« einführen. Das Ziel: Die möglichst vollständige Überwachung des öffentlichen und digitalen Raums sowie aller, die sich dort bewegen. Für diese Vorhaben wird Spezialsoftware benötigt, die in der Regel von gewinnorientierten Unternehmen eingekauft wird.

Deutsche Behörden setzten teilweise bereits Produkte aus dem Hause Palantir ein, dem vom Oligarchen Peter Thiel gegründete geheimdienstnahen US-Unternehmen. Im Koalitionspapier wird passenderweise angekündigt, dem Bundeskriminalamt »eine Rechtsgrundlage« für das »Testen und Trainieren von IT-Produkten« zu geben.

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