Sozialausgaben unter Druck
Von Sebastian Edinger
Aufatmen bei vielen Rentnern, der ganz große Kahlschlag bleibt erst mal aus. Zumindest bis 2031 will die angehende Bundesregierung das sogenannte Rentenniveau bei 48 Prozent stabil halten. Zwar hatte die gescheiterte Vorgängerregierung noch eine Stabilisierung bis 2040 versprochen, aber immerhin. Kürzungen drohen trotzdem, schließlich wird das Rentenniveau »vor Steuern« ermittelt, während durch das Alterseinkünftegesetz von 2005 ein immer größerer Teil der Rente besteuert wird. Etwas höhere Ausgaben sind laut Koalitionsvertrag zudem bei der sogenannten Mütterrente geplant.
Weiter haben Union und SPD nach dem Scheitern der von der FDP forcierten Aktienrente einen neuen Ansatz entwickelt, einen Teil der staatlichen Altersvorsorge an die Kapitalmärkte zu bringen: Ab kommendem Jahr sollen mit der sogenannten »Frühstartrente« für jedes Kind vom sechstem bis zum 18. Lebensjahr zehn Euro monatlich in ein »privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot« eingezahlt werden. Wieviel davon die Kleinen fünfzig Jahre später als Rente ausgezahlt wird, hängt von der Marktentwicklung ab. Bis es so weit ist, werden die Mittel der Volkswirtschaft entzogen und Zockern an der Börse zur Verfügung gestellt.
Mehr Bedeutung in Zeiten sinkender öffentlicher Renten soll laut den angehenden Koalitionären die Betriebsrente bekommen – insbesondere »bei kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienern« soll sie vorangetrieben werden. Wie das gelingen kann, lässt der Koalitionsvertrag offen. Bisher werden Betriebsrenten vor allem dort angeboten, wo ohnehin gute Löhne gezahlt und entsprechend gute Rentenansprüche erworben werden. Gegen die weiter um sich greifende Altersarmut kann sie wenig ausrichten. Dass die gesetzliche Rente gegenüber den anderen Säulen abgewertet werden soll, zeigt sich auch daran, dass Union und SPD eine neue Kenngröße für das »Gesamtversorgungsniveau« einführen wollen.
Insgesamt sieht die Kapitalseite die Rentenpläne dennoch kritisch. »Der Koalitionsvertrag lässt leider jegliche Anstrengungen vermissen, das Ausgabenwachstum in der Rentenversicherung zu begrenzen«, klagte etwa Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, laut dpa. Hingegen bezeichnete der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, die vorläufige Sicherung des Rentenniveaus und die volle Anerkennung der »Mütterrente« seien »wichtige, aber nicht ausreichende Maßnahmen, um den Anstieg von Altersarmut zu bremsen«.
Mehr Sorgen machen den Sozialverbänden derweil die Pläne für die Pflegeversicherung. Die während der Coronapandemie aus der Pflegekasse entwendeten und zweckentfremdeten Mittel von rund sechs Milliarden Euro sollen augenscheinlich nicht aus Steuermitteln zurückerstattet, sondern die Kosten an die Pflegebedürftigen weitergereicht werden. Mit diesen Geldern hatte die damalige Regierung unter anderem Covid-Tests finanziert. Weiter heißt es im Koalitionsvertrag, »strukturelle Lücken zwischen Einnahmen und Ausgaben« sollen geschlossen werden, insbesondere gelte es, die »steigende Ausgabendynamik« zu stoppen. Genaueres soll eine Expertenkommission erarbeiten.
Die Formulierungen deuten »auf mögliche Leistungskürzungen oder höhere Hürden für Leistungsbewilligungen hin«, kritisiert Verena Bentele, Vorsitzende des Sozialverbands VdK. Das »belastet pflegende Angehörige noch stärker«. Laut dem Verband ist bis zum Jahresende ein Minus in der Pflegekasse von 4,4 Milliarden Euro zu erwarten. Angesichts dieser Zahl sei es »unverständlich, dass die Pflegekassen zusätzlich mit 5,9 Milliarden Euro durch ausbleibende Rückerstattungen der Pandemiekosten belastet werden«, so Bentele weiter. Vermisst werden auch konkrete Ankündigungen zur Entlastung pflegender Angehöriger.
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