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Aus: Ausgabe vom 14.04.2025, Seite 6 / Ausland
Portugal

Protest gegen Polizeigewalt

Portugal: Gedenken an im Oktober von Einsatzkräften getöteten Kapverdier Odair Moniz in Lissabon
Von Fabian Linder
A luta continua: Der Kampf gegen die Unterdrückung von Minderheiten geht weiter (Lissabon, 12.4.2025)
Die Demonstranten fordern ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt (Lissabon, 12.4.2025)
Zahlreiche Einwohner aus den betroffenen Vierteln schlossen sich dem Protestmarsch an (Lissabon, 12.4.2025)
Die Rua São Tomé e Príncipe ist eine Straße in Odivelas, einer Vorstadt von Lissabon (12.4.2025)

Ein halbes Jahr nach der Tötung des in Portugal lebenden Kapverdiers Odair Moniz durch die Polizei ist es am Wochenende erneut zu Protesten in den überwiegend migrantisch geprägten Vorstädten der Hauptstadt Lissabon gekommen. Einige Hundert Menschen folgten am Sonnabend dem Aufruf der NGO »Vida Justa« (Gerechtes Leben). Die Demonstration im Gedenken an den 43jährigen Moniz war Teil einer Reihe von Initiativen und Aktionen, die seit einem Monat in verschiedenen Stadtteilen und Vororten Lissabons organisiert werden und sich unter anderem auch gegen Zwangsräumungen richten.

Der Protestmarsch führte von Cova da Moura, wo Moniz am 21. Oktober getötet worden war, ins benachbarte Bairro do Zambujal, wo Moniz mit seiner Familie lebte. Mit Trommeln, Sprechchören und Transparenten zogen die Demonstranten, darunter überwiegend Bewohner der Viertel, durch die Straßen und forderten »Gerechtigkeit für Odair« und alle Opfer von Polizeigewalt. Redebeiträge von Aktivisten und ein HipHop-Konzert bildeten den Abschluss in Bairro do Zambujal, während im Hintergrund Graffitikünstler ein großes Wandbild mit dem Konterfei von Moniz fertigstellten.

Gegenüber dem privaten katholischen Rádio Renascença erklärte Lusa Luísa Semedo von »Vida Justa«, man fordere »Gerechtigkeit für Odair und für alle Odairs, die unglücklicherweise durch polizeilichen Missbrauch getötet wurden«. Es brauche ein Ende von Polizeigewalt. Semedo warf der Regierung des noch amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Luís Montenegro fehlendes Verständnis für die Belange von Minderheiten insbesondere in den Vororten vor. Zwar habe es in Reaktion auf die Proteste und Ausschreitungen im Oktober Treffen zwischen der Regierung und Migrantenverbänden gegeben, allerdings hätten diese nichts an den Problemen geändert. Statt dessen sehe der Staat die in den Vierteln lebenden Minderheiten weiter wie Kriminelle an.

Der Abgeordnete Fabian Figueiredo vom Linksblock Bloco de Esquerda, der sich auch am Marsch beteiligte, erinnerte in einer Rede vor dem Parlament an die Tötung von Moniz. Figueiredo wies darauf hin, dass es in Portugal für schwarze Personen 21mal wahrscheinlicher ist, von der Polizei getötet zu werden. Die strukturelle Benachteiligung zeige sich auch an der fünffach geringeren Wahrscheinlichkeit, wenn es um den Zugang zur Hochschulbildung geht. Darüber hinaus nannte Figueiredo viele weitere Personen, die in der Vergangenheit bei Polizeiaktionen getötet worden waren, darunter auch Minderjährige.

Nach der Tötung von Moniz durch einen Polizeibeamten der Polizeieinheit PSP, die insbesondere in urbanen Zentren zuständig ist, war es im Großraum Lissabon zu mehrtägigen Ausschreitungen und Protesten gegen Polizeigewalt und nach wie vor bestehenden Diskriminierungen gekommen. Die Wut wurde auch durch die Verlautbarungen der Behörden angefacht, die immer neue Versionen hervorbrachten und sich in Unstimmigkeiten verstrickten. So äußerte die Polizei fälschlicherweise, dass Moniz, der sich mit dem Auto einer Verhaftung entziehen wollte, die Beamten vor den tödlichen Schüssen auf ihn mit einem Messer bedroht habe. Diese Version konnte auch durch entsprechende Videobilder als unwahr entlarvt werden. Darüber hinaus wurde auch das aggressive Vorgehen der Polizei in Reaktion auf die Proteste scharf kritisiert.

Gegen den Beamten der PSP, der Moniz erschossen hatte, erhob die Staatsanwaltschaft im Januar Anklage wegen Mordes. Darüber hinaus hat die PSP ein Disziplinarverfahren gestartet und das Innenministerium Untersuchungen angekündigt. Bei einer Anhörung im Februar äußerte sich der Beschuldigte nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Durch einen ersten Gerichtsbeschluss wurde der Beamte dann zunächst suspendiert. Zuvor war der Polizist lediglich in eine andere Polizeistation versetzt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragte außerdem ein unabhängiges Gutachten zum Polizeibericht, der womöglich gefälscht ist. Dieser weise eklatante Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten auf, die nicht klar auf den Urheber und den Zeitpunkt der Erstellung schließen lassen.

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