Appell wird zum Blutbad
Von Reinhard Lauterbach
Bei einem russischen Raketenangriff auf das Zentrum der grenznahen Großstadt Sumi im Nordosten des Landes sind am Sonntag nach Informationen ukrainischer Behörden 32 Menschen getötet worden, darunter zwei Kinder. Die Zahl der Verletzten wurde gleichzeitig mit 84 angegeben. Ziel des Beschusses mit zwei ballistischen Raketen gegen elf Uhr Ortszeit war das Kongresszentrum der örtlichen Universität und der Platz davor. Zerstört wurde auch ein zufällig vorbeifahrender Trolleybus. Die Raketen hätten Sprengsätze mit Streumunition getragen, sagte der Kanzleichef von Präsident Wolodimir Selenskij, Andrij Jermak. So habe Russland eine möglichst hohe Zahl an Zivilisten treffen wollen.
Die immer wieder mit kritischen Aussagen über die ukrainische Militärführung hervortretende Parlamentsabgeordnete Marjana Besugla schrieb derweil, der Angriff habe einem Appell ukrainischer Soldaten anlässlich einer Ordensverleihung gegolten. Sie warf dem militärischen Oberkommandierenden Olexander Sirskij Rücksichtslosigkeit gegenüber ihrem Leben und dem Schicksal der Zivilbevölkerung vor und forderte Präsident Wolodimir Selenskij auf, ihn zu entlassen. Weiter schrieb Besugla, die russische Seite sei wie in früheren Fällen offenbar auch diesmal von örtlichen Sympathisanten kurzfristig auf die in Reih und Glied angetretenen Soldaten aufmerksam gemacht worden.
Ukrainische Versuche, durch hohe Geldprämien jugendliche Freiwillige für die Armee zu gewinnen, sind offenbar weitgehend gescheitert. Nach Angaben der ukrainischen Präsidialverwaltung vom Sonntag hätten sich in zwei Monaten nur 500 junge Männer gemeldet, und nicht alle von ihnen hätten nach Erhalt der Werbeprämie tatsächlich den Dienst angetreten. Der stellvertretende Leiter der Behörde bedauerte, dass die Eltern oft ihre Kinder von der Meldung abhielten: Verbreitet sei der Gedanke, dass ja doch bald Frieden sein werde; es lohne nicht, jetzt noch sein Leben zu riskieren. Ein ukrainischer Offizier, der sich zum selben Thema äußerte, sagte, die freiwillige Rekrutierung sei gescheitert, weil es »nicht genug Patrioten« in der Ukraine gebe.
Am Sonnabend verlor die Ukraine einen ihrer wenigen F-16-Jagdbomber aus US-Produktion. Wie ukrainische und russische Medien meldeten, wurde die Maschine von einer russischen Flugabwehrrakete getroffen und stürzte ab. Der Pilot kam ums Leben.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (14. April 2025 um 14:03 Uhr)Warum wird statt des militärischen Ziels ein ziviles (Bus und Fußweg) getroffen?
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. April 2025 um 09:20 Uhr)Russland verfügt über ein enormes Raketenarsenal sowie eine überlegene Feuerkraft und Luftherrschaft. Wenn es wirklich das Ziel hätte, die gesamte Ukraine zu vernichten, wäre dies militärisch längst möglich gewesen. Doch genau das scheint nicht die Absicht zu sein. Nicht ohne Grund wurde das militärische Vorgehen von Beginn an als »Spezialoperation« bezeichnet. Immer häufiger deutet sich an, dass das russische Militär gezielt über militärisch relevante Veranstaltungen auf ukrainischer Seite informiert wird – offenbar auch durch lokale Sympathisanten. Die darauffolgenden Schläge wirken wie gezielte Bestrafungen und hinterlassen verheerende Schäden. Kein Wunder also, dass viele Jugendliche – ob patriotisch oder nicht – keine Motivation verspüren, sich zum Wehrdienst zu melden, wenn das Risiko, sinnlos zu sterben, so offensichtlich ist. Die F-16-Jagdbomber aus US-Produktion sind keine Wunderwaffe. Vielmehr dienen sie der ukrainischen Armee in erster Linie zur Luftverteidigung. Doch auch sie sind nicht unverwundbar. Der jüngste Abschuss eines F-16 zeigt, wie hoch das Risiko selbst für moderne Kampftechnik ist, und unterstreicht die militärische Überlegenheit der russischen Luftabwehr. Der Versuch, weitere Angriffe abzuwehren, endete in diesem Fall tragisch.
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