So muss es sein!
Von Hagen Bonn
Wow, dieser Nachmittag hat gezündet! Ein Feuerwerk aus Grußadressen, Videoeinspielungen, biografischen Bonmots, feierlichen Reden und Musik illuminierte die erste Verleihung des Rosa-Luxemburg-Preises durch diese Zeitung und das Magazin Melodie & Rhythmus. Nick Brauns, Mitglied der jW-Chefredaktion, eröffnete am Sonnabend die sehr gut besuchte Verleihung im Berliner Kino Babylon. Er erinnerte an die Selbstrettung der schon eingestellten Zeitung vor 30 Jahren, als die Mitarbeiter das Kommando übernommen und das Blatt zurück ins Leben gerufen hatten. Durch das vielfältige und durchgehend auf hohem Niveau vorgetragene Programm führte souverän die Künstlerin Isabel Neuenfeldt.
Eine sehr persönliche Laudatio hielt der israelisch-deutsche Soziologe und emeritierte Professor an der Universität Tel Aviv, Moshe Zuckermann. Der wandte sich per Videoaufzeichnung von der Leinwand des Kinosaals an den Freund und Weggefährten Rolf Becker. Zuckermann wies beispielhaft auf den politischen Aktivisten hin, der während der eskalierenden Schuldenkrisen ab 2015 nicht müde wurde, Solidarität mit dem vom EU-Austeritätszwang bedrängten Griechenland zu üben, und mit seiner Entschlossenheit bei den griechischen Genossen und Gewerkschaftern Eindruck hinterließ.
Insgesamt wurden drei kurze Videoaufnahmen aus Programmen mit Rolf Becker eingespielt. So auch aus dem Oratorium »Floß der Verdammten«, das symbolisch die im Mittelmeer ertrunkenen oder zurückgetriebenen Geflüchteten thematisiert. Nächster Programmhöhepunkt waren Rebers & Band: Andreas Rebers interpretierte Lieder des Altmeisters Franz Josef Degenhardt, begleitet von den wohltemperierten Gitarren seiner Künstlerkollegen. Ein großes Bravo folgte dem Instrumental aus zwei Gitarren und dem unvergleichlichen Akkordeon des Bandleaders.
Stiller, aber nicht weniger intensiv war die Grußadresse der Mitkämpferin Esther Bejaranos, Antje Kosemund. Die Aktivistin des Internationalen Auschwitz-Komitees verwies eindringlich auf die Bedeutung der Namensgeberin des Preises, Rosa Luxemburg. Ulrike Eifler, Politikerin (Die Linke), Gewerkschafterin und Autorin, hielt als Laudatio eine kluge und kämpferische Rede für den Frieden. Der Kampf darum sei immer auch »ein Kampf gegen den Kapitalismus«, führte sie aus und brandmarkte scharf den Kriegskurs der Herrschenden in Deutschland. Ein weiterer Höhepunkt des Nachmittags war der Auftritt einer achtköpfigen Delegation von griechischen Aktivisten, die Rolf Beckers Engagement für ihr Land musikalisch ehrten. Da verwunderte es nicht, dass dem Preisträger das palästinensische Tuch, die Kufija, überreicht wurde. Internationalismus kann sinnbildlicher nicht ausgedrückt werden!
Mumia Abu-Jamal, der US-amerikanische Journalist, Bürgerrechtler und leider immer noch politisch Gefangener, gratulierte mit einer Audiobotschaft. Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, übermittelte seine kämpferischen Glückwünsche per Video. Der tastengewaltige Gerhard Folkerts (Klavier) und die Sängerin Julia Schilinski (Mezzo-sopran) brillierten unter anderem mit der Musik von Mikis Theodorakis. Das war wahrlich hymnisch-feierlich. Plötzlich stand ein Dreijähriger vor der Bühne und beobachtete wie hypnotisiert die Sängerin.
Ohne Luft zu holen ging es weiter im Programm. Eine Grußbotschaft des linken Historikers Karl Heinz Roth wurde verlesen, dann sprach Beckers Frau Sylvia darüber, wie sich Rolfs politisches Engagement und sein Künstlerschaffen auf den Alltag der Familie auswirkten. Rolfs Sohn Anton Wempner meinte trocken: »Mein Vater ist ein Kämpfer!« Seine biographischen Notizen zum Vater erheiterten den Saal. Und Ali, ein 2016 nach Deutschland geflüchteter junger Freund der Familie, bedankte sich nachdrücklich für deren Hilfe. Die Überreichung der Preistrophäe des Künstlers Rolf Biebl sei nur kurz beschrieben: Standing Ovations! Mehr muss nicht hinzugefügt werden. Auch nicht zum Paukenschlagabschluss von Sohnemann Ben. Als Ben Becker & Band mit einer Interpretation von David Bowies »Heroes« den Schlussakkord setzten, wandte ich mich aus Reihe eins den Gesichtern im Publikum hinter mir zu. Es war begeistert. Fazit: Alles Knüller, kein Füller! So muss es sein: Mut, Kraft und Solidarität!
Es ging, und das war immer wieder zu spüren, an diesem Abend nicht nur um Rolf Becker und den Preis für ihn – es ging um weit mehr. »Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen« sagt man. Darum geht es.
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