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Aus: Ausgabe vom 17.04.2025, Seite 8 / Ansichten

Trumps Jünger

Spahn will neuen Umgang mit AfD
Von Arnold Schölzel
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Das galt 2019 als »Bild des Jahres«: Jens Spahn noch vor der Coronakrise vor dem Washington Monument (21.9.2019)

Jens Spahn hat ein Herz für Rechte, Faschisten eingeschlossen, und ein Näschen für Macht. Ostern 2017 besuchte er zum Beispiel im Weißen Haus Stephen Bannon, als der in der Berliner Politblase als Ekligster unter den Ekligen rund um das Ekel Donald Trump galt. Im Juli 2024 reiste Spahn als einziger CDU-Mann zur Inthronisation Trumps an Stelle Gottes, genannt Parteitag, in die USA. Bannon saß gerade im Knast. Er hatte sich geweigert, zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 auszusagen – ein Heiliger. Am Sonnabend regte Spahn in Bild an, mit den deutschen Jüngern der aktuellen Trump-Apostel, der AfD, im Bundestag so umzugehen »wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch«.

Spahn weiß, was das höhere Wesen in Washington will: Atlantiker sein heißt, nicht mehr von Brandmauer zu quatschen. Erst im Januar zwitscherten Alice Weidel und Elon Musk allerhand Tollkühnes, etwa, dass nur die AfD Deutschland retten könne. Ähnliches Heil verkündete Trumps Stellvertreter auf Erden, J. D. Vance, danach in München zwar nicht, wurde aber verstanden. Einige Wochen nach seiner Rede über Verfolgung von Trump-Gläubigen in der EU machten 20,8 Prozent der deutschen Wähler, 10,3 Millionen Personen, die AfD mit 152 Abgeordneten zur zweitstärksten Bundestagsfraktion.

Die Partei aber war enttäuscht, es hatte mehr sein sollen. Sie stand aber wieder auf, analysierte, dass sie soziale Fragen im Wahlkampf vernachlässigt und dadurch der Linkspartei genützt habe. Schlussfolgerung: Die AfD muss »Volkspartei« werden, also allen alles bieten. So brachte zum Beispiel ihre Fraktion im Brandenburger Landtag Ende März einen Antrag ein, in dem zu lesen war: »Von einem achtzigjährigen Jubiläum der ›Befreiung‹ zu sprechen« sei »gerade im Hinblick auf die unmittelbar vor und auch nach der Niederlage begangenen Kriegsverbrechen der Roten Armee unangemessen und geschichtsvergessen.« Dieses Arm in Arm mit der Ideologie, die auch die »Handreichung« des Auswärtigen Amtes trägt, Russen und Belarussen von Gedenkfeiern auszuschließen, hinderte den AfD-Fraktionsvorsitzenden Hans-Christoph Berndt am Mittwoch nicht, das Außenamtspapier auf X als »ein politischer Baerbock« zu bezeichnen. Am selben Tag vergab die AfD-Bundesspitze an Friedrich Merz wegen seiner Ankündigung, den »Taurus« nach Kiew zu liefern, Kopfnoten: »Abenteurertum«, »Brandbeschleuniger«, »verspielt Deutschlands Zukunft«. Vom »Prorussen« zum Transatlantiker neuen Stils ist nur ein AfD-Schritt.

Davon werden CDU und CSU noch lernen. Die Migrationspolitik ließen sie sich wie die Ampel ohnehin von der AfD diktieren. Spahn wittert nun zu Recht: Aus diesen einst von der Union Abtrünnigen wird mehr. Wenn Merz sich weggesprengt hat, das deutsche Kapital es will und Trump nickt, wird die Union demnächst kleiner Koalitionspartner der Hellblauen. Faschisten eingeschlossen.

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