Waffenruhe war kurz
Von Reinhard Lauterbach
In der Ukraine haben beide Konfliktparteien die Kampfhandlungen nach dem Ablauf der 30stündigen Osterwaffenruhe am Montag wieder aufgenommen. Sie berichteten über Abschüsse von Drohnen, die Ukraine darüber hinaus über Einschläge russischer Raketen und Marschflugkörper in mehreren Städten. Von russischer Seite hieß es, in einem konzentrierten Schlag see- und luftgestützter Raketen sei ein zentrales Lager der ukrainischen Armee für Artilleriemunition zerstört worden. Eine ukrainische Bestätigung dafür gab es am Montag zunächst nicht.
Beide Seiten warfen einander im übrigen vor, die Waffenruhe auch am Sonntag in großem Umfang gebrochen zu haben. Russland zählte knapp 4.000 Verstöße von ukrainischer Seite auf, die Ukraine 2.935 durch Russland. In Kiew wurde allerdings bestätigt, dass es am Sonntag keinen einzigen Luftalarm gegeben habe. Einen ukrainischen Vorschlag, die Waffenruhe auf 30 Tage zu verlängern und alle Angriffe auf zivile Ziele einzustellen, wies Russland zurück: Wer wie die Ukraine eine Waffenruhe keine 30 Stunden einhalten könne, bei dem könne man nicht erwarten, dass er 30 Tage auf Angriffe verzichte, sagte Außenamtssprecherin Marija Sacharowa am Montag.
Trump wirbt für »Deal«
In den russischen Regionen Kursk und Belgorod hatte die Waffenruhe ohnehin nicht gegolten. Dort wurde auch am Sonntag weitergekämpft. Beobachter in Kiew sahen das als positives Zeichen: Russland stelle sich womöglich auf eine baldige Waffenruhe ein und wolle zuvor sein international anerkanntes Territorium vollständig zurückerobert haben. Auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz war der Schwerpunkt der russischen Angriffe am Montag offenbar die Umgebung der Bergbaustadt Torezk im Donbass. Der US-Thinktank Institute for the Study of War meldete, dass russische Truppen mehrere Dörfer im Umland der weitgehend zerstörten Stadt sowie die das Terrain beherrschende Abraumhalde einer nordwestlich der Stadt gelegenen Kohlenzeche erobert hätten. Vor allem letzteres deutet darauf hin, dass Russland wahrscheinlich vorhat, Torezk zunächst zu umgehen, Häuserkämpfe zu vermeiden und auf das etwa 20 Kilometer nordwestlich gelegene Kostjantyniwka (russisch: Konstantinowka) vorzustoßen. Kleinere Geländegewinne machte Russland offenbar auch westlich von Kurachowe weiter südlich.
Auf dem Onlinenetzwerk Truth Social verbreitete Präsident Donald Trump eine Mitteilung, wonach er hoffe, dass Russland und die Ukraine sich bis zum Ende der laufenden Woche auf einen »Deal« einigen würden. Danach könne es für beide Länder die Chance auf blühende Geschäfte mit den wirtschaftlich boomenden USA und darauf geben, dass sie »ein Vermögen verdienen« würden.
Entwurf für Friedensvertrag
Derweilen meldet das Wall Street Journal, die Trump-Administration habe der Ukraine ihren Entwurf für einen Friedensvertrag vorgelegt. Darin sollen die USA nach dem Börsenfachblatt bereit sein, die Krim als russisches Staatsgebiet anzuerkennen. Für die übrigen ehemals ukrainischen Gebiete – also die Regionen des Donbass und der russisch kontrollierten Teile der Bezirke Cherson und Saporischschja – solle dagegen keine juristische, sondern nur eine faktische Anerkennung der russischen Kontrolle erfolgen. Ebenso sollen die USA bereit sein, auf eine Aufnahme der Ukraine in die NATO zu verzichten; auf die Forderung nach radikaler Abrüstung der ukrainischen Armee, die Russland als »Demilitarisierung« verlangt, sei Washington dagegen nicht einzugehen bereit. Im Laufe dieser Woche soll Trumps Sondergesandter Steve Witkoff offenbar erneut nach Moskau fliegen und mit Präsident Wladimir Putin verhandeln. Ob dagegen die Ukraine bereit wäre, sich auf die mit dem US-Vorschlag verbundenen umfangreichen Gebietsverluste einzulassen, ist nicht bekannt; aus Kiew lagen zunächst keine offiziellen Stellungnahmen vor. Ukrainische Kommentatoren schätzten ein, dass Wolodimir Selenskij erstens nicht viele Chancen habe, einen solchen »Vorschlag« abzulehnen – und dass es Selenskij persönlich zweitens auch egal sein könne. Denn er habe die Chance, sich anlässlich der fälligen Neuwahlen in der Ukraine aus der Politik zurückzuziehen und das Problem seinem Nachfolger zu hinterlassen. Die Ukraine hat allerdings gerade erst den Kriegszustand bis Anfang August verlängert und damit auch Wahlen jeder Art für diese Zeit ausgeschlossen.
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