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Aus: Ausgabe vom 22.04.2025, Seite 6 / Ausland
Free Mumia!

Solidarität, die verbindet

Seit Jahrzehnten kämpft Rolf Becker für die Freiheit des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal
Von Jürgen Heiser
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Kämpfer für Gerechtigkeit: Rolf Becker am 12. April in Berlin

Das rote Banner auf der Bühne des Berliner Babylon – Jubel und Beifall im Publikum. Doch nicht der revolutionäre Arbeiter Smilgin war es, der das rote Tuch wie in Bertolt Brechts Stück »Die Mutter« gegen die zaristische Polizei führte, sondern Ben Becker, der es nach seiner kraftvollen Interpretation von Bowies »Heroes« zum Sound seiner Band über die Bühne schwenkte. Im Rot des Banners der Unterdrückten und Ausgebeuteten leuchtete am 12. April auch die Kraft internationalistischer Solidarität anlässlich der Verleihung des Rosa-Luxemburg-Preises an Bens Vater, den Schauspieler und Menschenrechtsaktivisten Rolf Becker.

Für dessen jahrzehntelange Solidarität bedankte sich auch der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal mit einer Audiobotschaft aus dem US-Knast. Er gratulierte Becker zum Preis, »der nach der brillanten deutschen sozialistischen Anführerin und Denkerin benannt ist«, und beglückwünschte ihn zu seinem »bemerkenswerten« 90. Geburtstag. Mit »danke, Bruder« erinnerte der US-Bürgerrechtler an Beckers Besuch im September 2009, als beide sich persönlich im Todestrakt von Waynesburg, Pennsylvania, kennenlernten, in dem Abu-Jamal damals bereits 27 Jahre einsaß.

Kostbare dreieinhalb Stunden verbrachten sie zusammen, »weil ich das Glück hatte, Mumia zusammen mit Robert R. Bryan, seinem Verteidiger, besuchen zu können«, wie Becker damals im jW-Interview berichtete. Es sei ihnen »nicht schwergefallen, ins Gespräch zu kommen, wir kannten uns ja eigentlich schon lange«. Von der Haft des Black-Panthers-Mitglieds seit 1981 und vom Unrechtsprozess mit Todesurteil wusste Becker seit 1989, als im Magazin Die Feder seiner Gewerkschaft IG Medien (heute Verdi) der erste Solidaritätsaufruf für Abu-Jamal aus Bremen abgedruckt wurde.

Es war der Beginn einer Kampagne im deutschsprachigen Raum mit Veranstaltungen und Demos dagegen, dass ein engagierter Journalist weggesperrt wurde, weil er staatliche Korruption und rassistische Polizeigewalt als »Stimme der Unterdrückten« offensiv angegriffen hatte. Nach Bundesdelegierten der Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) unterstützten auch »viele anderen DGB-Gewerkschaften den Aufruf«, so Becker.

Als Thomas Ridge, Pennsylvanias Gouverneur, im Frühjahr 1995 den ersten Hinrichtungsbefehl gegen Abu-Jamal unterzeichnete, mobilisierten dagegen bereits 44 lokale Ableger des damaligen »Bundestreffens der Mumia-Abu-Jamal-Unterstützungskomitees«. In Berlin demonstrierten im Juli über 5.000 Menschen gegen die drohende Vollstreckung des Todesurteils. Ortsgruppen der IG Medien und DJU forderten zusammen mit dem Schriftstellerverband VS im Literaturhaus Hamburg Abu-Jamals Freilassung. Bei der Veranstaltung sprach der Völkerrechtler Norman Paech über das Unrechtsverfahren gegen den Bürgerrechtler, Becker trug Texte aus der deutschen Edition von Abu-Jamals erstem Buch »…aus der Todeszelle« vor, und der Verfasser berichtete als Delegierter des »Bundestreffens« über die Ziele der Kampagne »Für Mumias Leben und Freiheit«.

Das war der Beginn einer 30jährigen fruchtbaren Zusammenarbeit, getragen »von der damals breiten Solidarität mit Mumia durch die Gewerkschaften, nicht nur in der BRD, sondern europaweit«, erinnerte sich Becker. Am 27. Mai 2001 gab es einen weiteren der vielen noch folgenden Höhepunkte der Kampagne, als Becker die Laudatio auf den politischen Gefangenen hielt, dem in Lübeck der Erich-Mühsam-Preis verliehen wurde. Abu-Jamal sei »anwesend, hier unter uns, lebt vor, was ›die Kraft der Schwachen‹ bewirken kann«, so Becker, »wie Erich Mühsam und viele andere aus der deutschen Arbeiterbewegung, die Widerstand geleistet haben noch im Angesicht des Todes«. Und der Gewerkschafter schloss damals mit den Worten des US-Autors John Edgar Wideman, die uns auch vor Abu-Jamals 71. Geburtstag am 24. April zum Handeln mahnen: »Mumia kann uns helfen, Mauern niederzureißen, weil er die Wahrheit sagt – Gefängnismauern und die Mauern, hinter denen wir uns verstecken, um uns der Bürde unserer Geschichte zu verweigern.«

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