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Aus: Ausgabe vom 23.04.2025, Seite 2 / Ausland
Ukraine-Krieg

Russland dämpft Erwartungen

Moskau und Kiew erklären Gesprächsbereitschaft. Kämpfe gehen weiter
Von Arnold Schölzel
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Schäden an einem staatlichen Verwaltungsgebäude in Odessa nach einem russischen Drohnenangriff (22.4.2025)

Moskau sieht die Verantwortung für das Zustandekommen von Verhandlungen über eine begrenzte Waffenruhe in Kiew. Der Sprecher der russischen Präsidialverwaltung, Dmitri Peskow, erklärte am Dienstag: »Wenn die ukrainische Seite offen (für Verhandlungen) ist und diese wünscht, dann sollte sie wohl irgendwelche Schritte unternehmen, um die Hindernisse auf dem Weg zu solchen Kontakten abzubauen.« Am Montag hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in seiner abendlichen Videoansprache seinen Vorschlag erneuert, auf Angriffe gegen zivile Ziele zu verzichten. Kiew erwarte »eine klare Antwort aus Moskau« und sei »zu jedem Gespräch bereit, um dies zu erreichen.«

Auf X teilte Selenskij zudem mit, er habe eine Verhandlungsdelegation nach London entsandt. Bei dem Treffen an diesem Mittwoch mit Vertretern der USA, Frankreichs und Großbritanniens gehe es um Wege zur Beendigung des Krieges.

Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, er sei gesprächsbereit, zunächst gelte es aber genau zu klären, welche Objekte als zivil gelten. Das könne auch in bilateralen Gesprächen zwischen Moskau und Kiew geklärt werden. Eine Antwort habe es darauf bislang nicht gegeben, erklärte Peskow dazu am Dienstag. Somit gebe es derzeit auch noch keine konkreten Pläne für ein Treffen. Putin und Selenskij reagierten auf US-Präsident Donald Trump, der am Sonntag geäußert hatte, er hoffe auf eine Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine »diese Woche«. Einige Medien veröffentlichten außerdem einen Entwurf des Weißen Hauses für einen Friedensplan.

Unterdessen gingen die Kämpfe weiter. Die russischen Streitkräfte eroberten laut TASS in der Grenzregion Kursk das Belogorski-Kloster nahe dem Dorf Gornal zurück. Um das Kloster sei zehn Tage lang heftig gekämpft worden. Russland griff in der Nacht zum Dienstag die ukrainische Hafenstadt Odessa mit Drohnen und am Vormittag Saporischschja mit Gleitbomben an. Dabei wurden eine Frau getötet und etwa 25 Menschen verletzt.

Ebenfalls am Dienstag berichteten russische Medien, dass der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff in dieser Woche erneut in Moskau erwartet wird. Es wäre der vierte Besuch Witkoffs in Russland seit der Amtsübernahme Trumps.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (22. April 2025 um 21:09 Uhr)
    Eine Vereinbarung über den Verzicht auf Angriffe auf zivile Ziele wird – wie ähnliche zuvor – scheitern, spätestens dann, wenn die ukrainische Armee mit ihrer Praxis fortfährt, zivile Einrichtungen für ihre Zwecke zu nutzen, für Diensträume, als Depots, als Unterkünfte für ukrainische Soldaten und ausländische Söldner oder als Versammlungsräume, wie jüngst in Sumy. Die russische Armee wird solche Orte nach wie vor als legitime Angriffsziele betrachten und beschießen, auch unter Inkaufnahme von Opfern unter der ukrainischen Zivilbevölkerung. Was wiederum die ukrainische Regierung und Armee weiterhin nicht davon abhalten wird, ihre eigene Bevölkerung als menschlichen Schutzschild zu missbrauchen, nur um dann jedes Mal wieder vor der internationalen Öffentlichkeit Russland anzuklagen, wenn nach einem solchen russischen Angriff wieder zivile Opfer zu beklagen sind.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (22. April 2025 um 21:06 Uhr)
    Halten wir mal fest: Putins Vorschlag für eine Waffenruhe rund um Ostern wurde von Selenskij ausgeschlagen. Wieder einmal wurde eine diplomatische Chance leichtfertig verspielt – und das ausgerechnet in einem Moment, in dem beide Seiten zumindest Gesprächsbereitschaft signalisieren. Ein Fehler, der sich nicht mehr korrigieren lässt. Russland zeigt sich offen für direkte Verhandlungen – allerdings nur mit einer legitimierten Regierung. Da die Ukraine den Kriegszustand bis August verlängert hat und damit auch die Präsidentenwahl aussetzt, ist eine völkerrechtlich bindende Unterschrift aktuell nicht möglich. Das Ergebnis: der Krieg wird nicht beendet, sondern verwaltet. Und dann ist da noch der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff – ein Immobilienmakler im diplomatischen Rampenlicht. Er hat offenbar noch nicht ganz verstanden, dass man einen Konflikt zumindest ansatzweise verstehen sollte, bevor man vorgibt, ihn zu lösen. Was hier vorgeht, ist kein diplomatisches Handwerk, sondern außenpolitischer Aktionismus im Blindflug.

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