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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 10 / Feuilleton
HipHop

War Pigs

Kneecap protestieren gegen den Gazakrieg – und werden von deutschen Festivals ausgeladen
Von Peter Merg
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»Wir haben bei jedem einzelnen Auftritt seit der Gründung der Band über Palästina gesprochen« – Kneecap

Man hätte sich den Auftritt der nordirischen Rap-Crew Kneecap beim diesjährigen Coachella-Festival (10.–19.5.) in Kalifornien gerne einmal angesehen, aber außer verwackelten Handykameraaufnahmen findet sich auf Anhieb kein Mitschnitt online. Nicht verwunderlich, denn der Livestream bei Youtube war schon beim ersten von zwei Gigs abgebrochen und beim nun inkriminierten zweiten erst gar nicht gesendet worden. Also wird man sich bei der Einordnung des neuesten »Antisemitismusskandals« auf die Videoschnipsel und die Darstellung in den internationalen Medien verlassen müssen. Jedenfalls hat er der Band schon einmal ihre Auftritte bei den deutschen Musikfestivals Hurricane und Southside gekostet, die wurden nämlich abgesagt, wie übers Wochenende bekannt wurde.

Natürlich geht’s um Nahost. Kneecap sind nordirisch, links, sogar radikal. Und wie so ziemlich alle Republikaner von der Insel »Pro Palestine«. Das hat Gründe, britischer Kolonialismus, »400 years of suffering«, und gelitten wird in Palästina bekanntlich auch nicht zu knapp. Der Slogan »Fuck Israel, Free Palestine« – der zu Kneecaps zweitem Gig an die Bühnenwand projiziert wurde – ist noch eine der harmloseren Sachen, die einem zu Gaza einfallen mögen, und anders, als nun zuvörderst die Springer-Presse weismachen will, eben auch nicht »Viva Hamas«.

Über letztere könnte man als prinzipiell antiislamistischer Kommunist mit Kneecap wahrscheinlich tatsächlich gut streiten, war ihnen unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 doch nichts Passenderes eingefallen, als erneut ihre »Solidarität mit dem palästinensischen Kampf« zu bekunden. Aber »Antisemitismus« kann man besagte Verwünschung plus Brandrede auf einer US-Bühne, mit der den Vergnügungssüchtigen davor in die Hirnrinde gemeißelt wird, dass ihr Land die Waffen zum Massenmord liefert, nein, Antisemitismus kann man das schwerlich nennen – außer man hat ein politisches Interesse, den Unterschied zwischen Aussagen wie »Wenn ihr es nicht Genozid nennen wollt, wie verf*ckt wollt ihr es nennen?« und »Treibt die Juden ins Meer!« zu verwischen.

Das sah Frau Osbourne, Musikmanagerin und Angetraute von Black-Sabbath-Sänger Ozzy, anders und forderte in einem viel beachteten Post den Entzug der Arbeitserlaubnis. Woraufhin Kneecaps US-Bookingagentur, die Independent Artist Group, und der deutsche Konzertveranstalter FKP Scorpio ihre Kündigungsschreiben verschickten. Die Band zeigte sich wenig überrascht: »Es ist nicht erstaunlich, dass große Unternehmen die Wahrheit nicht gerne hören, es sei denn, sie passt zu ihren Narrativen und ihrem Geldbeutel«, schrieb Kneecap-Rapper Mo Chara dem Rolling Stone. Man habe sich nicht gegen normale Israelis gewandt, sondern gegen die schrecklichen Handlungen der israelischen Regierung. Einen Rat an Sharon Osbourne hatte er auch noch: Vielleicht mal wieder den Antikriegssong »War Pigs« von Black Sabbath hören.

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