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Aus: Ausgabe vom 29.04.2025, Seite 6 / Ausland
Kommunalwahl 2025

Wien bleibt rot

Österreich: Bei den Wahlen in der Bundeshauptstadt konnte sich die SPÖ trotz leichter Verluste behaupten
Von Dieter Reinisch, Wien
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Erfolgreich Platz eins verteidigt: Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig im Wahlkampf (25.4.2025)

Die SPÖ ist weiterhin klar die Nummer eins nach den Gemeinderatswahlen in Wien am Sonntag. Gewinner ist der Rechtsausleger FPÖ, dessen Anteil sich verdreifachte, der aber an sein bestes Ergebnis von 2015 nicht herankommt und auch keine Vertretungen in den Flächenbezirken am Stadtrand gewinnen konnte. Enorme Verluste gab es für die konservative ÖVP, die unter die Zehnprozentmarke fiel. Ihre guten Ergebnisse halten bzw. leicht ausbauen konnten die Grünen und die wirtschaftsliberalen Neos, der bisherige Koalitionspartner der SPÖ im Wiener Rathaus.

Das vorläufige Endergebnis vom Montag sieht die SPÖ mit einem leichten Minus bei 39,5 Prozent. Parteichef Andreas Babler gab sich am Rande der Wahlparty in Wien-Ottakring zufrieden: »Wir haben mehr Stimmen erhalten als die Zweit- und Drittplazierten zusammen«, sagte er Medienvertretern. Die FPÖ gewann 13,2 Prozentpunkte dazu und liegt mit mehr als 20 Prozent vor den Grünen, die mit 14,2 Prozent ihren Anteil in etwa hielten. Die ÖVP bekam 9,7 Prozent, die Neos liegen 550 Stimmen vor ihnen und erzielten gerundet 9,8 Prozent. Andere Parteien, darunter die KPÖ, das »Team Strache« des ehemaligen FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache und die migrantische Partei SÖZ scheiterten an der Fünfprozenthürde.

Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag bei 59,76 Prozent. In diesem Ergebnis sind die bis zum Freitag abend eingetroffenen Briefwahlkarten österreichischer Staatsbürger enthalten. Angehörige anderer Nationen dürfen an Gemeinderatswahlen in Österreich nicht teilnehmen, EU-Bürger nur bei den Bezirksvertretungswahlen. Dadurch ist in Wien ein Drittel der Einwohner über 18 Jahren vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Die ORF-Wählerstromanalyse zeigt: Die Stammwähler haben der SPÖ den neuerlichen Sieg garantiert. 71 Prozent der Wähler von 2020 blieben ihr treu, etwas mehr als jeweils zehn Prozent wechselten zur FPÖ oder enthielten sich der Wahl. Die meisten Zugewinne erhielt die FPÖ von Nichtwählern, ÖVP und SPÖ. Viele ÖVP-Wähler von 2020 wechselten zur FPÖ und vor allem zu den Neos. Die Grünen verloren Stimmen an die SPÖ und auch die Nichtwähler, vor allem aber gingen sieben Prozent ihrer Voten von 2020 diesmal an die KPÖ. Dadurch geht der Trend von den Nationalratswahlen im September 2024 weiter: Die SPÖ stagniert in den Prozentzahlen – was sie an die rechte FPÖ verliert, gewinnt sie von Nichtwählern und Grünen.

Die Mehrheit der SPÖ-Wähler will weiter mit den Neos koalieren, zeigten Umfragen am Wahltag. »In den nächsten Tagen werden wir die Sondierungsgespräche zum Abschluss bringen und dann mit einer der drei Parteien in Regierungsverhandlungen treten«, sagte SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig am Wahlabend gegenüber dem ORF. Er erwarte eine zügige Vereidigung der neuen Stadtregierung bis Mitte Juni. Am Montag vormittag trafen sich die SPÖ-Parteigremien: »Ich habe heute in den Gremien vorgeschlagen, dass wir noch diese Woche die Sondierungsgespräche mit Neos, Grünen und ÖVP starten – eine Koalition mit der FPÖ kommt für die SPÖ nicht in Frage«, so Ludwig nach Sitzungsende.

Nach außen hin gab sich die FPÖ am Wahlabend hocherfreut: »Wir sind wieder Nummer zwei in Wien, und das ist ein starkes freiheitliches Zeichen«, sagte Spitzenkandidat Dominik Nepp. Doch ganz so erfolgreich ist die Partei bei genauem Blick nicht: Die nötigen 25 Mandate, um einen »Covid-19-Untersuchungsausschuss« einzurichten, wie im Wahlkampf gefordert, wurden um drei verfehlt. Nach dem »Ibiza-Skandal« war die Partei 2020 auf sieben Prozent gefallen. 2015 hatte sie noch 30,8 Prozent erreicht, und bereits 1991 lag sie mit 22,5 Prozent über dem aktuellen Ergebnis. Gegenüber dem ORF betonten am Rande der FPÖ-Wahlfeier mehrere Funktionäre, das Ergebnis sei eigentlich »bitter«.

Einen Achtungserfolg errang die KPÖ mit fast vier Prozent. Für den Einzug in den Gemeinderat reicht dies dennoch nicht. Barbara Urbanic, Spitzenkandidatin des Bündnisses aus KPÖ und der Kleinpartei »Links«, sagte: »Das ist das beste KPÖ-Ergebnis bei einer Wien-Wahl seit 61 Jahren.« Zuwächse dürfte es insbesondere auf Bezirksebene geben, wo KPÖ und »Links« in 15 Distrikten vertreten sind.

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