Vorwürfe reißen nicht ab
Von Volker Hermsdorf
In Ecuador wird das Ergebnis der Präsidentschaftswahl weiter angezweifelt. Obwohl der Nationale Wahlrat (CNE) am Donnerstag alle Einwände gegen den Sieg des rechten Amtsinhabers Daniel Noboa zurückgewiesen hatte, halten sich Betrugsvorwürfe. Am Wochenende legte der Anwalt des Wahlbündnisses der linken Parteien Revolución Ciudadana (RC) und Renovación Total (Reto), Francisco Estarellas, einen neuen Einspruch gegen die vom CNE veröffentlichten Zahlen ein. Auch Expräsident Rafael Correa wiederholte in einem von der spanische Agentur Efe am Sonntag veröffentlichten Interview seinen Vorwurf des Wahlbetrugs und forderte eine Überprüfung der Stimmzettel. Das linke Regionalbündnis ALBA-TCP verurteilte ebenfalls die Ablehnung von früheren RC-Anträgen durch den CNE.
»Wir werden den Rechtsweg weiterverfolgen. Im Moment läuft der Einspruch, dann die Berufung, anschließend werden wir auch das Wahlverfahren anfechten und, falls nötig, internationale Gremien anrufen, um alle Unregelmäßigkeiten zu klären«, erklärte Estarellas. Der angekündigte Weg durch weitere Instanzen sei nötig, weil er nicht darauf vertraue, dass der CNE die Einwände unabhängig prüfen werde. Alle bisherigen Beschwerden hatte der Wahlrat am 24. April als nicht begründet abgelehnt und den millionenschweren Bananenunternehmer Noboa mit 55,63 Prozent zum Sieger der Stichwahl vom 13. April erklärt. Der angebliche Vorsprung von mehr als elf Prozentpunkten vor der RC-Kandidatin Luisa González, die laut CNE auf 44,37 Prozent kam, war zunächst bezweifelt worden, weil das Ergebnis allen Prognosen und Wahltagsbefragungen eklatant widersprach. Doch diese Unterschiede allein seien kein Beweis für Betrug, wies der Chef der EU-Beobachter, Nacho Sánchez, die Vorwürfe zurück. Stunden bevor die Allianz RC-Reto ihren Einspruch einreichte, hatte die Wahlbeobachtungsmission der washingtonnahen Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die vom CNE am Donnerstag veröffentlichten Zahlen nunmehr als offizielles Endergebnis anerkannt.
In einem früheren vorläufigen Bericht hatten die OAS-Beobachter noch Zweifel »hinsichtlich der Unabhängigkeit« der Wahlbehörde geäußert und kritisiert, dass die Regierung öffentliche Mittel verwendet hatte, um Stipendien, Gutscheine und Bargeld zu verschenken und das staatliche Fernsehen Botschaften des Präsidenten verbreitete. Dies habe zu »ungleichen Bedingungen« geführt. Zudem sei in einigen Fällen beim Falten der Wahlzettel Tinte auf das Feld des anderen Kandidaten übertragen worden. Neben derartigen Verstößen habe es laut Estarellas zahlreiche weitere »Unregelmäßigkeiten« gegeben. Die Revolución Ciudadana verwies in einer Analyse von 2.800 Wahlurnen darauf, dass auf zahlreichen Unterlagen die erforderlichen Unterschriften der Wahlleitung fehlten. Insgesamt gebe es bei mehr als 750.000 Stimmen Unstimmigkeiten, die das Ergebnis der Wahl verfälschen könnten. »Der Fehler, den sie gemacht haben, ist, dass sie zu weit gegangen sind und einen Elf-Punkte-Vorsprung geschaffen haben. Wenn sie die Ergebnisse nicht so drastisch verändert und uns nur um zwei Punkte hätten verlieren lassen, wäre es glaubwürdiger gewesen«, erklärte der linke Expräsident Correa gegenüber Efe. »Warum sind diese Leute so dagegen, die Wahlurnen zu öffnen?« fragte er. Die von ihm gegründete RC-Partei setzt nun auf den angekündigten Weg durch die Instanzen. »Erst wenn alle Einsprüche geklärt sind, kann der CNE dem Gewinner die offizielle Beglaubigung aushändigen«, berichtete der regionale Fernsehsender Telesur.
Die Forderung der Revolución Ciudadana zur Prüfung von 100 Prozent der Wahlakten unterstützen neben dem Bündnis ALBA-TCP auch das Forum von São Paulo und die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur). Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, dem die OAS und die EU – ohne Beweise vorzulegen – bis heute Wahlbetrug vorwerfen, kritisierte, dass der CNE »der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen jede verfassungsrechtliche Überprüfung verweigert, die einem von Betrug, Verbrechen, Schmutz und Gewalt geplagten Wahlprozess zumindest ein gewisses Maß an Transparenz verleihen würde«.
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