Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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jW-Ostsee-Tour 2010

jW-Ostsee-Tour 2010

  • · Tagebuch

    Wer war Albin Köbis?

    Peter Rau

    Wie viele seiner Kameraden hat der Namensgeber "unseres" Traditionsseglers zunächst mal nichts mit Meer und Marine zu tun. Doch immerhin ging Albin Köbis, geboren am 18. Dezember 1892 in einer sozialdemokratischen Berliner Arbeiterfamilie - der Vater war Schlosser bei der AEG -, bereits mit 15 Jahren zur See.

    1911 fuhr er als Matrose auf einem Handelsschiff der Westafrika-Linie. Im marokkanischen Hafen von Tanger machte er in jenem Jahr erstmals Bekanntschaft mit des Kaisers Kriegsflotte. Das berüchtigte Kanonenboot "Panther" (Panthersprung nach Agadir) hatte über Funk die Weisung erhalten, den knapp 18jährigen Seemann festzusetzen und von Marokko zurück nach Deutschland zu bringen, wo inzwischen ein Gestellungsbefehl für ihn vorlag.

    So wurde das erste Kriegsschiff, dessen Planken er betrat, auch sein erstes Gefängnis - und eine erste Lehrstunde über den wahren Charakter des deutschen Imperialismus und Militarismus, wie es in einem späteren Bericht hieß.

    Aus dem Handelsmatrosen wurde in der Folgezeit ein Heizer, später Oberheizer, auf dem Linienschiff "Prinzregent Luitpold", das nach dem 1821 geborenen und 1912 gestorbenen fünften Kind von König Ludwig I.von Bayern benannt war. An Bord dieses erst 1912 in Kiel vom Stapel gelaufenen, fast 25 000 Tonnen verdrängenden, 172 Meter langen und 29 Meter breiten Kolosses mit seinen mehr als 1000 Mann Besatzung und 32 Schnellfeuerkanonen verschiedener Kaliber- es war das Flaggschiff des IV. Geschwaders der Kaiserlichen Hochseeflotte - hatte Köbis u. a. im Mai 1916 die verlustreiche, von der Flottenführung dennoch in einen Sieg umgemünzte Schlacht im Skagerrak gegen die britische Flotte miterlebt.

    Da hätte der Zwangsdienst als des Kaisers Kuli für ihn schon wenigstens ein Jahr vorbei sein können, wäre da nicht der 1. August 1914 gewesen und der damit beginnende todbringende Kampf des Kaiserreiches um einen "Platz an der Sonne".

    Nach dem sinnlosen Seemannstod Tausender Kameraden mehrten sich unter den Besatzungen Rufe wie "Nieder mit dem Krieg!" Hinzu kamen die täglichen Schikanen der Vorgesetzten und eine Verpflegung der Mannschaften, die - im krassen Widerspruch zu der der Offiziere - diesen Namen nicht verdiente. Hinzu kam das Beispiel der russischen Februarrevolutionvon 1917, die zum Sturz des Zaren führte.

    All das ließ Köbis mehr und mehr zum Kriegsgegner reifen, wobei er in seiner Heizerwache wie an Bord seines Schiffes und auf den anderen Schiffen des Geschwaders Gleichgesinnte um sich scharen konnte. Selbst auf dem Flottenflaggschiff "Friedrich der Große" fanden er und seine Gefährten Verbündete, die sich um den dort als Signalgast fahrenden und ebenfalls aus Berlin stammenden Max Reichpietsch gruppiert hatten. Der hatte in einem Urlaub Kontakt zur USPD-Zentrale herstellen können; die im April 1917 gegründete Unabhängige Sozialdemokratische Partei wurde - trotz hinhaltenden Taktierens ihrer Führung - mehr und mehr zur ideologischen Basis einer revolutionären Flottenbewegung.

    Wiederholt demonstrierten die Kulis mit Essensverweigerung und Hungerstreiks, Arbeite-langsam- oder Feuer-aus-den-Kesseln-Aktionen ihre Macht, genauer gesagt: den Offizieren deren Abhängigkeit von den Mannschaften. Auf den Schiffen des I. und IV. Geschwaders unterschrieben rund 5000 Mann eine Resolution zugunsten eines annexionsfreien Verständigungsfriedens; davon allein auf "Prinzregent Luitpold" 400 und auf "Friedrich der Große" gar 850.

    So kam es im Sommer 1917 zur Bildung einer revolutionären Flottenzentrale, zu deren anerkannten Wortführern Albin Köbis und Max Reichpietsch gehörten. Anfang August eskalierte die Situation, als auf eine spontane Aktion der Heizer vom "Prinzregenten" hin willkürliche Verhaftungen erfolgten.

    Die Antwort darauf war am 2. August ein Ausmarsch, an dem von 700 anwesenden Besatzungsmitgliedern außer den Offizieren und Unteroffizieren 600 teilnahmen und sich zu einer Kundgebung in der Gaststätte "Weißer Schwan" in Rüstersiel bei Wilhelmshaven versammelten. Hier ergriff Köbis das Wort: "Kameraden. Die dritte Wache hat gestern zu früh losgeschlagen. Erst in einigen Wochen wollten wir zu einem großen Schlag ausholen. Mit uns gehen 'Friedrich der Große' mit 850 Mann, 'König Albert' mit 400, 'Westfalen' mit 350, 'Kaiserin' mit 600, 'Helgoland' mit 200 und die ganze 'Pillau'-Besatzung ..." Er sprach von einer Bewährungsprobe für die kommende große Schlacht, die nun erst mal zur Freilassung der eingesperrten Kameraden führen müsse, und schloß mit den Worten: "Wir sind die wahren Patrioten. Nieder mit dem Krieg! Wir wollen nicht mehr Krieg führen!"

    Wieder zurück an Bord, befahl der Kommandant auf Weisung des über den geschlossenen Landgang informierten Marinestabes das unverzügliche Auslaufen des Linienschiffes. Köbis gelang es noch, der Flottenzentrale einen Kassiber zukommen zu lassen: "Schiff läuft aus. Wahrscheinlich unter Belagerungszustand. Wenn in drei Tagen keine Nachricht, dann los!"

    Doch dazu kam es nicht mehr. Eine Verhaftungswelle erfaßte auch die anderen Schiffe. Gestützt auf Lauscher, Zuträger und Denunzianten in den Mannschaftsdecks hatten die Offiziere ein leichtes Spiel, die "Rädelsführer" zu ermitteln und festzusetzen. Da kamen Hunderte zusammen. Noch im selben Monat wurden sie vors Kriegsgericht gezerrt. Am 28. August trat das Feldkriegsgericht des IV. Geschwaders zur Urteilsverkündung zusammen. "Wegen vollendeter kriegsverräterischer Aufstandserregung" wurden Köbis und Reichpietsch und drei ihrer Gefährten "zum Tode, zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebensdauer und Entfernung aus der Marine" verurteilt.

    Dabei waren die Bedingungen für die Todesstrafe mitnichten - und selbst nach dem Buchstaben des bürgerlichen Gesetzes nicht - gegeben. Das wußten die Herren der Admiralität nur zu genau. "Überhaupt dürfte es sich empfehlen", hieß es etwa in einem Schreiben an den für Marinefragen zuständigen Staatssekretär Eduard von Capelle, "mit keinem Wort sich auf die Frage einzulassen, ob der Tatbestand des Gesetzes, der die Verhängung von Todesstrafen zuläßt, erfüllt war oder nicht. Die Marinejustizverwaltung darf sich auf einen Streit hierüber, aus dem sie nicht als Sieger hervorgehen würde, nicht einlassen."

    Während die Todesurteile gegen ihre drei Kameraden in letzter Minute noch in 15jährige Zuchthausstrafen umgewandelt worden waren, wurden die gegen Reichpietsch und Köbis am 5. September 1917 um sieben Uhr morgens auf dem Schießplatz Wahn bei Köln - also weit weg von der Küste - durch ein Landsturmkommando vollstreckt.

    Doch selbst die Landwehrmänner waren über die Delinquenten belogen worden; man hatte ihnen gegenüber von zwei englischen Spionen gesprochen. Den Angehörigen der Marine wurde die erfolgte Hinrichtung erst fünf Tage später mitgeteilt. Die Abschiedsbriefe der Ermordeten wurden den Eltern erst Wochen später von den Justizbehörden übermittelt. Albin Köbis schrieb darin abschließend: "Ich sterbe zwar nicht gern so jung, aber ich sterbe mit einem Fluch auf den deutschen Militärstaat."

  • · Tagebuch

    Einsatz in der Badehose

    jW

    Es kommt selten vor, daß die junge Welt aus Kühlungsborn berichtet, welches heute von der »Albin Köbis« und dem »Landrattenteam« angesteuert wird.

    Vor gut drei Jahren aber stand das Ostseebad schon fast im Zentrum der Weltgeschichte. Ein unheilvolles Gipfeltreffen fand im benachbarten Heiligendamm statt – und engagierte junge Menschen fielen in der gesamten Region durch vielfältige und kreative Störaktionen auf.

    »Mindestens 12 Teilnehmer der G8-Proteste sind heute beim Schwimmen vor Kühlungsborn von Zivilpolizisten in Badehosen festgenommen worden«, meldete die junge Welt im G8-Spezial-Blog am 8. Juni 2007. »Nach Informationen des anwaltlichen Notdienstes befanden sie sich auf Privatgelände, das zu dem Hotel gehörte, in dem während des G8-Gipfels das offizielle Medienzentrum untergebracht war. Ein Teil der unerwünschten Badegäste sei zunächst von Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes am Strand festgehalten worden – andere mußten wenig später von leicht bekleideten Zivilpolizisten aus dem Wasser gefischt werden.« Kühlungsborn hat also durchaus eine für unsere Leserinnen und Leser interessante Tradition.

  • · Tagebuch

    Botschaft trifft Crew

    Claudia Wangerin
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    Nelson Varona Rodriguez, Kulturattaché der Republik Kuba (links) besucht die Albin Köbis

    Die Station Wismar der jW-Ostsee-Tour steht heute im Zeichen einer revolutionären Karibik-Insel. Vor der Diskussionsveranstaltung mit dem Titel »Yes we can – Terror gegen Kuba«, die um 18 Uhr um Technologie- und Gewerbezentrum am Alten Holzhafen in Wismar begann, fanden jW-Lateinamerika-Redakteur André Scheer und der Kulturattaché der Republik Kuba, Nelson Varona Rodriguez noch Zeit für einen Besuch an Bord der »Albin Köbis«.

    Die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion muß sich gegen strahlend schönes Sommerwetter behaupten - trotzdem haben rund 20 weitere Zuhörer ihren Weg hierher gefunden.

    Weitere Referenten sind Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schulz und der Lateinamerikaspezialist Prof. Werner Pade. Um 20 Uhr wird das Abendprogramm der jW-Ostsee-Tour mit einem Konzert »Gegen alle Kriege und für Dich« von Liedermacher Frank Viehweg fortgesetzt.

    Schulz spricht über die in den USA inhaftierten fünf Mitarbeiter der kubanischen Terrorabwehr, die auf der Karibikinsel als »die fünf Helden« bekannt sind - sowie über politische und soziale Menschenrechte. Letztere seien von Organisationen wie Amnesty International bisher unterbewertet worden, das ändere sich aber gerade. Bei akutem Hunger könnten die Betroffenen mit Meinungsfreiheit allein wenig anfangen, so Schulz. Jedes Land der Welt werde von Amnesty International kritisiert - und Kuba gehöre nicht zu den Staaten, denen Folter vorgeworfen werde. Die theoretische Existenz der Todesstrafe auf Kuba kritisiert der Rechtsanwalt, hebt aber hervor, daß seit rund zehn Jahren ein Moratorium existiere, während in den USA die Todesstrafe praktiziert wird. 

    Nelson Varona Rodriguez betont, wie sehr die Todesstrafe im Widerspruch zum kubanischen Sozialismus stehe. »Wir tun viel dagegen, daß überhaupt irgendein Mensch stirbt«, sagt Rodriguez und erinnert an die kubanischen Ärzte, die sich im Auslandseinsatz befinden.

    Allerdings befinde sich die kubanische Revolution in einem Krieg - er meint die seit Jahrzehnten andauernde Wirtschaftsblockade und zahlreiche, zum Teil terroristische Destabilisierungsversuche, die von den USA ausgehen.

  • · Tagebuch

    Rote Matrosen vorübergehend verbannt

    Claudia Wangerin
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    Rest eines deutschen Kleinst-U-Boots aus dem Zweiten Weltkrieg

    Wir wollten Kiel nicht verlassen, ohne das Schifffahrtsmuseum in der ehemaligen Fischauktionshalle besucht zu haben. Ein malerisch schöner Ziegelbau direkt an der Förde – aber für das Schifffahrtsmuseum einer diesbezüglich so traditionsreichen Stadt wie Kiel vor allem klein.

    So mußten die Ausstellungsstücke zum Kieler Matrosenaufstand im November 1918 der Sonderausstellung „Nordlandreise – die Geschichte einer touristischen Entdeckung" weichen – und werden wohl in diesem Jahr nicht mehr zu sehen sein. Die Meuterei gegen den Befehl, kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges noch gegen die britische Marine auszulaufen, hat nicht weniger als das Ende der Monarchie in Deutschland eingeläutet – aber die Geschichte des deutschen Tourismus nach Norwegen hat wohl in Krisenzeiten Priorität.

    Neben Schiffs- und U-Bootmodellen, Gemälden und Galionsfiguren sowie dem Original-Echolot, einem Anschütz-Kreiselkompaß und anderen nautischen Instrumenten konnten wir außerdem ein Modell des Kieler Brandtauchers, des ältesten U-Boots der Welt, besichtigen.


    Von Kiel aus begab sich das Land-Team direkt nach Wismar, wo wir gegen 14 Uhr der Albin-Köbis-Crew beim Anlegen halfen. 
  • · Tagebuch

    Der erste Tag auf See ...

    Peter Rau
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    "Klar bei Fender und Leinen!"

    Pünktlich um acht Uhr hieß es am Mittwoch für Mannschaft und Mitsegler der „Albin Köbis" im Germaniahafen zu Kiel „Leinen los!" Der Gastgeber unserer jW-Antörntour entlang der Ostseeküste, der Traditionssegler mit dem ehrenvollen Namen eines der roten Matrosen und Wegbereiters der Novemberrevolution verließ seinen Liegeplatz im sogenannten Museumshafen der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein. Am Großmast flatterte unsere eigens für diesen Törn angefertigte Flagge mit dem jW-Schriftzug und der Aufschrift unserer aktuellen Abo-Werbekampagne "Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen."

    Gut anderthalb Stunden später hatten wir die Kieler Außenförde passiert – vorbei an dem nach einem Großadmiral der kaiserlichen Hochseeflotte benannten Tirpitz-Hafen der Bundesmarine am Westufer der Förde und dem unseligen, zur Erinnerung an die deutschen Opfer des U-Boot-Krieges des Ersten und des Zweiten Weltkrieges gestalteten, inzwischen allen Toten auch der zivilen Seefahrt gewidmeten Marine-Ehrenmal von Laboe. Nach dem Ablegemanöver, das noch mit Maschinenkraft erfolgte, wurden beim Segelsetzen alle Hände an Bord gebraucht, natürlich auch die der mitsegelnden „Landratten".

    Die von Lutz Buche, dem Skipper, wie der Kapitän in der norddeutschen Umgangssprache genannt wird, schon am Vortag beim Anmustern seiner Crew auf Zeit ausgegebene Devise „Learning by doing" funktionierte prompt und beinahe reibungslos. Nahezu im Handumdrehen waren Klüver, Fock-, Groß- und Besansegel aufgezogen. Die vom Seewetterdienst für die Region ausgegebene Prognose sah günstig aus für unser Vorhaben, im Verlauf des Tages die Insel Fehmarn anzulaufen. Der Wind wehte mäßig, teilweise auch frisch aus nordwestlichen Richtungen, der Seegang wurde mit Stärke drei angegeben. Das waren Bedingungen, die einige kleinere Segelyachten in unserer Nähe bereits gehörig zum Tanzen brachten. Doch auch unser Segler mit seinen knapp 25 Meter Länge über alles, also inklusive Bugsprit, und gut 200 Quadratmetern Segelfläche geriet gelegentlich ganz schön ins Schlingern. Trotzdem hielten sich die neben Lutz Buche und seinem Bootsmann Achim Bittrich mitsegelnden zehn Leser und Sympathisanten der jungen Welt als gestandene Landratten ganz wacker im steten Auf und Ab der Ostseewellen; über die wenigen Ausnahmen decken wir natürlich gern den Mantel des verständnisvollen Schweigens.

    Gegen 14 Uhr tauchten am Horizont die Umrisse von Fehmarn auf; unserem gestrigen Tagesziel. Die Insel ist über die 934 Meter lange Fehmarnsundbrücke mit dem Festland verbunden – man sieht sie schon aus zig Seemeilen Entfernung. Allerdings wollten wir nicht unter der Brücke hindurchfahren – unser Skipper entschied sich, nach Backbord abzubiegen und einen Liegeplatz im Dörfchen Orth zu suchen.

    Dort erwartete uns schon unser »Landkommando« - die Kollegen nahmen die Leinen, halfen beim Festmachen und beim obligatorischen Einlaufbier. Dann bauten sie umgehend den »Agitationsstand« auf – ein großer Campingtisch, vollgepackt mit aktuellen Zeitungen und Werbematerial. Jeder vorüberschlendernde Urlauber bekam eine Zeitung in die Hand gedrückt, auch der Hafenmeister wurde beglückt. Nach fünf Minuten kam er zurück: »Jungs, gebt mir noch drei Zeitungen mit, ich habe ein paar Freunde, denen ich das Blatt mal zeigen will.«

  • · Tagebuch

    Ein Schiff wird kommen

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    »Liebeslieder nach 12«: Frank Viehweg

    Und zwar von der Ostsee: Die Künstler der »Antörntour« der jungen Welt

    Am liebsten wäre diese Zeitung ein Piratenschiff. So wie in Monty Pythons letztem Film »Sinn des Lebens« ein Bürohaus, das mitten in der Stadt die Leinen losmacht, die Segel setzt und ab dafür – gegen Kapitalismus, Lügen und Fron. Surfen im Mediendschungel, nicht internetzig-individuell, sondern als Kollektiv sozialistischer Freibeuter.

    Aber Achtung: Ein Schiff wird kommen und zwar vollkommen in echt, im Jetzt und Hier, im Heute und Morgen! Gewissermaßen als Vorschein der Utopie kreuzt zur Zeit die »Albin Köbis« auf der »Antörntour« der jungen Welt auf der Ostsee herum.

    Piratenschiffe müssen schnell und leicht sein, sie müssen immer nahe an der Küste segeln – für blitzartige Beutezüge an Land. Die »Albin Köbis« taucht regelmäßig an Land auf, doch sie verbreitet nicht Angst und Schrecken, sondern Poesie und Freundlichkeit, um die Menschen zu aus ihren alltäglichen Verlegenheiten zu befreien.

    Bei der jW schwärmen Künstler aus an Land und geben Konzerte zur Bewußtseinshebung und Unterhaltungssteigerung, denn »die Spinner sterben aus, mein Schatz, die sanften Wolkenschieber, die Leser aus dem Kaffeesatz, die Don Juans im Fieber«, wie der Liedermacher Frank Viehweg singt. Piratentum für die Seele, Viehweg macht »Liebeslieder nach 12«. Er vertonte und dichtete schon Shakespeare, Silvio Rodriguez oder Wladimir Wyssozki nach. »Viehweg ist ein Mutmacher, ein zornig Liebender im Krieg, der zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen, zwischen Oben und Unten tobt. Er ist ein Mann, der nach Hoffnung sucht und sie weitergibt, wann immer er sie findet«, schrieb Henry Martin Klemt über ihn.

    Die Sängerin, Schauspielerin und Gesangslehrerin Isabel Neuenfeldt operiert mit dem Akkordeon, »das mir zur Jahrtausendwende in die Hände fiel« wie die alte Piratenkönigin Grace O’Malley mit dem Säbel: kräftig, gefährlich und entrückend. »Zusammen sind wir mobil und nicht so viele«, sagt Neuenfeldt, aber holla, es geht in die Tiefe der Chansons, auf deutsch, französisch, englisch. Neuenfeldt singt ebenso Tom Waits wie Erich Mühsam, Serge Gainsbourg oder Edith Piaf. Das Akkordeon ist ihr Medium der Konkretion wie der Transzendenz.

    Die Lieder von Thomas Putensen nennen die einen Songs, die anderen Chansons – auf jeden Fall sind es Gesänge. Zarte und nicht so zarte Gesänge aus wilden Gefilden. Sie handeln von kaputten Radiomoderatoren und Navigatoren im Raumschiff Welt, von geklonten Genies und ausgeflippten Rentnern, vom allgegenwärtigen Shoppingwahnsinn und alltäglichen Medienblödsinn – eben davon, wie das Leben wirklich spielt. Die Lieder und Etüden entstanden erstmals in Zusammenarbeit mit dem Texter Ed Stuhler.

    Thomas Putensen spielte unter anderem im DEFA Kultfilm »Ete und Ali« (1984) an der Seite von Jörg Schüttauf eine der beiden Hauptrollen, war eine Zeitlang auch Moderator im Kinderfernsehen der DDR. Er wuchtete schon mal ein Klavier in »Wetten daß«, komponierte Filmmusiken und arbeitete als Pianist an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Er war unterwegs mit der Panzerkreuzer Putensen Band, jetzt leitet er das Putensen Beat Ensemble und spielt das Programm »Broken Heart auf Kaffeefahrt«. Für Piraten und Landratten – er kapert am liebsten sofort das Herz. (jW)

    Donnerstag, Wismar, 20 Uhr, Konzert mit Frank Viehweg, Technologie- und Gewerbezentrum; 3.7. Rostock-Warnemünde, 20 Uhr, Frank Viehweg, Peter Weiss Haus; 4.7. Rostock, ca. 15 Uhr, Thomas Putensen, Stadthafen; 9.7.Greifswald, 19 Uhr, Isabel Neuenfeldt u.a., St. Spiritus; 10.7. Stralsund, 19Uhr, Thomas Putensen, Kulturkirche St. Jakobi

  • · Fotostrecken

    Klar zum Ostseetörn

    Auftakt in Kiel
    Der jW-Stand am Kieler Germania-Hafen
    Passagiere und jW-Mitarbeiter an Bord der Albin Köbis
    Bordbeflaggung
    Kein Schutzgeldkassierer - bloß jW-Redakteur
  • · Tagebuch

    Krimiabend in Kiel

    Claudia Wangerin

    Zu WM-Zeiten haben Buchvorstellungen allgemein eher schlechte Karten – dafür kann der Autor sicher sein, dass das Publikum auch wirklich interessiert ist.

    So war es auch am Dienstagabend im Kieler Kulturzentrum „Die Pumpe“. Der Krimi-Autor und Strafverteidiger Heinz Jürgen Schneider entführte seine Zuhörer – darunter die Teilnehmer der jW-Antörntour – in eine düstere Welt: Das präfaschistische Schleswig-Holstein.

    In seinem Debüt-Roman, der 1931 in Itzehohe spiel, geht es nicht nur um die Frage „Mord oder versuchter Doppelselbstmord“, sondern auch um die Todesstrafe die politische Instrumentalisierung einer jungen Frau, die erhängt in einer Scheune aufgefunden wurde. Nicht aktuell und doch irgendwie aktuell, denn der Lynchmob, der dem Angeklagten – einem polnischen Erntehelfer – den Tod wünscht, ist nicht ausgestorben. Er benutzt heute nur modernere Kommunikationsmittel. Davon kann sich jeder überzeugen, der Online-Diskussionen über spektakuläre Kriminalfälle verfolgt.

    Seine Idee, einen Kriminalroman zu schreiben, stammt aus dem Jahr 2007, sagt Schneider, der zunächst Schwierigkeiten hatte, einen Verlag für den Regionalkrimi zu finden. Den entscheidenden Tip gab ihm jW-Redakteur Gerd Schumann.

    Nach seiner Lesung aus dem bereits erschienenen Roman "Tod in der Scheune" wurden wir zum Premierenpublikum: Schneiders nächster Roman "Tod im Störhafen" erscheint voraussichtlich 2011. Wir erhielten gestern abend schon eine Kostprobe. Empfehlenswert und spannend sind beide Romane.

  • · Tagebuch

    Die jW-Crew ist unterwegs!

    Peter Wolter

    Der große Segeltörn der jungen Welt ist am Dienstag gestartet: Im Kieler Germaniahafen schifften sich gegen Mittag die Mitsegler auf die »Albin Köbis« ein – zeitgleich kam das »Landkommando« an, das die Ostseetour mit dem PKW begleitet.

    Die meisten der Teilnehmer sind Leserinnen und Leser unserer Zeitung, der Rest sind Redakteure bzw. Verlagsmitarbeiter der jW. Die Vorstellungsrunde löste Gelächter aus: Fünf der männlichen Teilnehmer hören auf den Vornamen »Peter«.

    Bei dem Ostseetörn geht es nicht nur um das Segeln, sondern auch darum, ein wenig Werbung für die jW zu betreiben: Vor dem Liegeplatz des Schiffes wird – möglichst in jedem Hafen – ein Pavillon aufgebaut, es werden Zeitungen an Passanten verteilt, die die Hafenpier entlangschlendern, zusätzlich gibt es Abendveranstaltungen mit Lesungen und Diskussionen. Gleich am ersten Abend las in der Kieler Kneipe »Zur Pumpe« der Rechtsanwalt und Krimiautor Jürgen Schneider aus seinem Buch »Tod in der Scheune«, ein regionaler Krimi, der im Jahre 1931 in Itzehoe (nördlich von Hamburg) spielt.

    Am heutigen Mittwoch, für 8.00 Uhr morgens ist für die Bordcrew das Auslaufen angesagt – Ziel ist die Insel Fehmarn, die Fahrt dürfte etwa zehn Stunden dauern. Das müßte locker zu schaffen sein, wenn der Wind das hält, was er am Dienstagabend versprach: Er hatte in Kiel auf etwa sechs Windstärken aufgefrischt, auf See dürften es in Böen sieben gewesen sein. Traumhaftes Segelwetter also, auch wenn die eine oder andere Landratte mit schwachem Magen das im Laufe des Tages anders sehen mag. Bleibt zu hoffen, daß sie schon den Unterschied zwischen "Luv" und "Lee" gelernt haben, falls ihnen irgendwann das Frühstück aus dem Gesicht fallen sollte. Segeln macht aber trotzdem Spaß!

    Das »Landkommando« hat sich erst einmal geteilt: Ein Teil ist schon mal zur mecklenburgischen Küste vorgefahren, wo unser Stützpunkt für die Versorgung mit Zeitungen und Werbematerial ist, der andere Teil bleibt in Kiel, um gegen 10.00 Uhr an einer Demonstration von ver.di teilzunehmen. (Dank an die Kieler SDAJ für die Unterbringung!) Der Protest richtet sich gegen die Kieler Nachrichten, die ihre Druckerei mit Leiharbeitern betreibt. Die hatten die Frechheit besessen, einen Betriebsrat zu gründen, worauf der Zeitungsverlag den Druckauftrag flugs an andere Leiharbeitsfirmen vergab – ein etwas anderer Aspekt der Pressefreiheit. Man kann sie auch als die Freiheit verstehen, Leute zu feuern und Beschäftigten ihre Rechte vorzuenthalten. 389 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen.

    Die junge Welt ist jedenfalls bei der Demonstration dabei – einige hundert Zeitungen wurden zur Verteilung nach Kiel umdirigiert, es gibt voraussichtlich auch einen Bericht mit Foto. Die Donnerstag-Ausgabe abwarten!

  • · Tagebuch

    Klarmachen zur Ostseetour!

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    Sommer, Sonne, junge Welt: Heute startet in Kiel unsere »Antörntour« auf dem Traditionssegler »Albin Köbis«. Benannt ist die Gaffelketsch nach dem Matrosen Albin Köbis, einem Vorkämpfer der Novemberrevolution von 1918. Zum Klarmachen liegen wir hier am Ostufer der Innenförde, mitten im Germaniahafen.
    Der Abend wird spannend: Heinz Jürgen Schneider, schleswig-holsteinischer Krimiautor, liest aus seinem Buch »Tod in der Scheune« (2009) sowie aus dem Manuskript seines neuen Krimis »Tod im Störhafen«. Die Pumpe, Haßstraße 22, ab 19 Uhr.

    Weitere Termine: www.jungewelt.de/ostsee

    Übrigens: Wir haben eine Scheibe: Holen Sie sich den jW-Frisbee!

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