Kommunisten haben einen intensiven Wahlkampf geführt. Ein Gespräch mit Héctor Rodríguez
Die
Kampagne zur Wiederwahl von Hugo Chávez als Präsident ist beendet.
Welche Bilanz ziehen Sie und Ihre Organisation aus den vergangenen
Wochen?
Es war ein sehr intensiver, sehr aktiv geführter
Wahlkampf, in dem die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und mit
ihr die Kommunistische Jugend mit ihren Inhalten aufgetreten sind.
Wir
haben dafür geworben, mit der Wahl von Hugo Chávez auch für die
revolutionäre Option der Arbeiterklasse zu stimmen, für die PCV. Unser
Ziel ist, 500000 Stimmen zu erringen. Und wir treten für eine weitere
Verbesserung des Organgesetzes für die Arbeiterinnen und Arbeiter ein,
das auch auf unseren Druck hin vor wenigen Monaten verabschiedet worden
ist.
Die PCV hat in der Vergangenheit nicht mit Kritik an
der Regierung und bestimmten Entscheidungen hinter dem Berg gehalten.
Trotzdem unterstützen Sie die Wiederwahl von Hugo Chávez?
Venezuela leistet Widerstand gegen die Bedrohung durch den
Imperialismus, der unsere Bodenschätze wieder den internationalen
Monopolen zur Ausbeutung überlassen will. Das ist ein Angriff auf die
Interessen der venezolanischen Arbeiterklasse, und im Kampf gegen diese
Bedrohung ist Hugo Chávez die unbestrittene Führungspersönlichkeit.
Deshalb treten wir dafür ein, daß er an der Spitze des Staates bleibt.
Trotzdem
tritt bei dieser Wahl mit Orlando Chirino auch ein sich als links von
Chávez präsentierender Kandidat an. Wie bewerten Sie dessen Kandidatur?
Bis vor ganz kurzer Zeit hat sich dieser Herr noch als Anhänger von
Chávez ausgegeben. Seine Kandidatur hat keinerlei Perspektive und dient
letztlich nur dem Imperialismus und der Rechten, weil sie einen Angriff
auf die nationale Befreiungsbewegung in Venezuela und international und
auch auf die kommunistische Bewegung darstellt.
Hunderttausende Menschen – vielleicht auch mehrere Millionen – haben am heutigen Donnerstag im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas ihre Unterstützung für Hugo Chávez vor den Präsidentschaftswahlen am Sonntag demonstriert. Sieben große Hauptverkehrsstraßen – vor allem die Avenida Bolívar – waren mit den zumeist rotgekleideten Anhängern des Amtsinhabers gefüllt. Es herrschte ausgelassene Volksfeststimmung, und zahllose fliegende Händler nutzten den Massenandrang, um kalte Getränke und Essen an den Mann und die Frau zu bringen. Von zahlreichen Bühnen riefen Redner die Teilnehmer auf, am Sonntag auch tatsächlich zur Wahl zu gehen, während anderswo Musik- und Tanzgruppen den Demonstranten einheizten.
Als nach Stunden strömender Regen einsetzte, ließen sich die Teilnehmer nicht vom Feiern abhalten und harrten aus, um auf ihren Präsidenten zu warten. Der ließ es sich nicht nehmen, selbst bis auf die Knochen durchnäßt zu werden und stellte sich auf der nicht überdachten Bühne seinen Anhängern. Er rief sie auf, bis zum Wahltag nicht nachzulassen, denn auf dem Spiel stehe »das Leben Venezuelas«. Er zeigte sich sicher, daß er auch nach dem Wahltag im Amt bleiben werde: »Meine nächste Regierung beginnt am 8. Oktober!«
Chávez erinnerte daran, daß in Venezuela unter den früheren Regierungen Hunger und Armut geherrscht habe. »Heute gibt es keinen Hunger mehr in Venezuela! Dank der Revolution ernährt sich das ganze Volk in würdevoller Weise!« Ziel müsse nun sein, die Armut in den kommenden sechs Jahren auf Null zu redzieren: »Keine einzige Familie bleibt in Venezuela ohne würdige Unterkunft. In sechs Jahren müssen wir weltweit an erster Stelle bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Lebensmittelversorgung und Arbeit stehen!« Es dürfe in Venezuela keinen einzigen Arbeitslosen mehr geben. Chávez rief seine Anhänger auf, früh zur Wahl zu gehen, damit »der Sieg von Chávez schon zur Mittagszeit unbestreitbar ist«.
Die Kundgebung war der Höhepunkt einer ganze Reihe ähnlicher Großkundgebungen, die Chávez in anderen Bundesstaaten des südamerikanischen Landes durchgeführt hatte. Auch in Städten wie Valencia oder Maracay waren Hunderttausende zu den Veranstaltungen geströmt.
Venezuela: Die Bevölkerung wird Versuchen der Opposition, einen Sieg von
Hugo Chávez nicht anzuerkennen, entgegentreten. Gespräch mit Gustavo
Rodríguez
Gustavo Rodríguez ist Mitglied der venezolanischen Linkspartei Tupamaros
und der Coordinadora Simón Bolívar im Stadtviertel 23 de Enero. Im
freien Rundfunksender Al Son del 23 moderiert er eine wöchentliche
Diskussionssendung.
Sie moderieren eine wöchentliche Sendung beim lokalen Rundfunksender
Al Son del 23, im Stadtviertel 23 de Enero. An wen richtet sich dieses
Programm?
Meine Sendung heißt „Aló 23“, und sie gibt es inzwischen seit sieben
Jahren, seitdem unsere Radiostation ihren Sendebetrieb aufgenommen hat.
Der Sender soll der Gemeinde dienen, indem er Nachrichten,
Informationen, Bildung und Kultur verbreitet.
Letztlich ist er eine
Konsequenz aus dem Putschversuch vom April 2002, als alle Fernsehsender,
die in der Hand der faschistischen Rechten und der Konzerne waren,
Zeichentrickfilme ausgestrahlt haben, während auf den Straßen das Volk
massakriert wurde.
Wir haben damals verstanden, wie notwendig es für die
Menschen in unserem Barrio, in unserem Viertel, ist, ein eigenes
Handwerkszeug in die Hand zu bekommen, damit sie nie wieder zum
Schweigen gebracht werden können. Das Radio dient diesem Ziel ebenso wie
die politische Organisation, die hinter ihm steht, die Coordinadora
Simón Bolívar. Diese Organisation gibt es inzwischen seit 17 Jahren,
doch viele von uns, die in ihr aktiv sind, kommen aus der linken
Bewegung der 60er und 70er Jahre.
Für uns ist besonders bedeutsam, daß
unser Radiosender in einem Gebäude arbeitet, in dem sich früher eine
Wache der Policía Metropolitana befand. Diese Hauptstadtpolizei war ein
Organ der früheren Regierungen zur Unterdrückung der oppositionellen
Bewegungen. Hier gab es immer wieder Kämpfe gegen dieses Kommando. In
der Zeit des bewaffneten Kampfes hier in Venezuela wurde ich an einem
Gründonnerstag festgenommen, in diese Wache verschleppt und hier
zusammen mit zwölf weiteren Genossen gefoltert.
Das gesamte Viertel 23 de Enero hat den Ruf, eines der
kämpferischsten und widerständigsten Viertel ganz Venezuelas zu sein.
Wie erleben Sie hier den derzeitigen Wahlkampf?
Dieser Wahlkampf ist, ebenso wie die vorangegangenen 14 Wahlkämpfe –
denn die Welt muß wissen, daß Venezuela ein äußerst demokratisches Land
ist, in dem das Volk zu jeder Angelegenheit befragt wird – für uns eine
Fortsetzung der Kämpfe, die wir seit Jahrzehnten geführt haben für
Gerechtigkeit und Demokratie.
Wir gehören zu denen, die auch heute noch
eine sozialistische Gesellschaft anstreben. Im 23 de Enero erlebst du
viel Freude, die Menschen sind sehr solidarisch, sie teilen gerne. Als
ich am Dienstag abend zu mir nach Hause zurückkehrte, stieß ich auf
einen italienischen Journalisten, der auf der Straße die Menschen
interviewte. Es bildete sich schnell um ihn eine Menschentraube, denn
jeder wollte seine Meinung sagen, obwohl er seine Fragen sehr provokativ
formulierte. Wir haben schnell gemerkt, daß dieser Herr ein Vertreter
dieser Medien der Großkonzerne war, aber wir haben uns entschieden, ihm
mit klaren und ehrlichen Argumenten entgegenzutreten.
Und wie werden Sie den Wahltag selbst erleben?
Vom frühen Morgen an werden wir auf der Straße sein. Um 3 Uhr morgens
ertönt überall das Signal zum Wecken, die sogenannte Diana, als Ruf zum
Kampf. Am Sonntag führen wir den Kampf des Volkes gegen das
nordamerikanische Imperium, den Kampf um die Zukunft unseres Volkes,
Lateinamerikas und vielleicht der ganzen Welt gegen den Imperialismus.
Das Imperium hat einen Vertreter gefunden, der Venezuela wieder unter
seine Kontrolle bringen soll. Seit ein paar Jahren ist es ihnen
gelungen, sich von den alten Parteien abzusetzen, die das Venezuela vor
Chávez repräsentierten – die sozialdemokratische AD und die
christsoziale COPEI – und haben eine neue Partei gegründet, Primero
Justicia (Zuerst Gerechtigkeit). Die Gründungsmitglieder kamen aus der
COPEI und hatten eine faschistische Sekte gegründet, die sich
„Tradition, Familie und Eigentum“ nannte. Finanziert wurde die Gründung
dieser Partei mit Geldern aus unserem Erdölunternehmen PDVSA, das damals
noch unter der Kontrolle der Rechten stand.
Auch wenn alle seriösen Meinungsforschungsinstitute Venezuelas einen
Sieg für Präsident Chávez voraussagen, ist mir in einer Analyse
aufgefallen, derzufolge der Amtsinhaber zwar auch unter den Jungwählern
die Mehrheit hat – aber mit deutlich knapperem Vorsprung als zum
Beispiel unter den 35- bis 50jährigen. Geht der Revolution die Jugend
verloren?
Diese Gefahr besteht immer, und es ist unsere Verantwortung, das zu
verhindern. In der nächsten Wahlperiode müssen wir die Verbindungen mit
den Jugendlichen verstärken. Aber vergessen wir nicht, daß dies eine
sehr junge Revolution ist, und wir sind sehr weit vorangekommen. Vor
allem, wenn wir daran denken, daß wir all dies auf friedlichem und
demokratischem Weg erreicht haben. In den vergangenen 13 Jahren unter
Präsident Chávez ist nie auf eine Demonstration der Studenten geschossen
worden. In den 60er und 70er Jahren wurden demgegenüber Dutzende meiner
Studienkollegen ermordet. Sie aber sind noch sehr jung, sie haben das
nicht erlebt. Und zugleich verbreitet der Kapitalismus seinen Einfluß
weltweit über alle Kanäle, über das Kino, die Musik, die Kultur, das
Fernsehen, den Konsum. Den Jugendlichen wird eingepflanzt, daß sie ein
bestimmtes Telefon, eine bestimmte Kleidungsmarke haben wollen. Unsere
Aufgabe ist riesig und besteht darin, die Mentalität dieser Jugendlichen
zu ändern und ihnen Bewußtsein für ihr Volk zu wecken. Das erreicht man
natürlich nicht von heute auf morgen.
Derzeit kursieren in Venezuela unzählige Gerüchte über geheime Pläne
der Opposition, die einen Wahlsieg von Hugo Chávez nicht anerkennen
wolle, oder über Provokationen. Was passiert in Caracas am Sonntag nach
der Schließung der Wahllokale?
Bevor der Nationale Wahlrat CNE die ersten offiziellen Ergebnisse
bekanntgibt, wird zweifellos das Volk auf den Straßen sein. Wir müssen
unsere Revolution verteidigen, denn wir sind davon überzeugt, daß wir
keinen anderen Weg haben. Die Augen der Welt sind in diesem Augenblick
auf Venezuela gerichtet, und das bedeutet für uns eine riesige
Verantwortung. Wir werden auf den Straßen und Plätzen auf die ersten
Zahlen des CNE warten, in vollem Vertrauen auf unser Wahlsystem, das
gegen jeden Manipulationsversuch gepanzert ist. Wichtig ist, daß sich
niemand etwa vormachen läßt, auch nicht in Deutschland: Ein Wahlbetrug
ist in Venezuela unmöglich.
Danach, mit der Veröffentlichung des ersten Bulletins des CNE, werden
wir der Welt den Sieg der Bolivarischen Revolution, des Präsidenten
Chávez und des Volkes verkünden und feiern, daß wir den Aufbau einer
sozialistischen Gesellschaft fortsetzen können. Nachdem 1990 schon das
Ende der Geschichte verkündet wurde, war es gerade Venezuela, das die
Banner des Sozialismus wieder erhoben hat. Das war kein Zufall, denn
dies ist die Heimat von Simón Bolívar und von Francisco de Miranda, von
vielen Männern und Frauen, die in die Welt gezogen sind, um Freiheit zu
bringen. Es wird also ein großes Fest. Aber wir wissen natürlich auch,
daß wir uns in einem Krieg der vierten Generation befinden und daß die
Finger des Imperiums nicht erst seit gestern, sondern seit vielen
Jahrzehnten tief in unseren Ländern stecken.
Noch immer kontrolliert die
Bourgeoisie in unserem Land 75 bis 80 Prozent der Medien. Wir dürfen
nicht vergessen, daß die Opposition auf zwei Karten setzt. Eine ist das
Gesicht, das sie offen zeigen, und die andere ist die der Sabotage, der
Unruhen, der gewaltsamen Regierungsumstürze. Wir sehen in ihren
Demonstrationen die Zeichen dieser Bewegungen aus Europa, die „weißen
Hände“ und die jungen Leute von „Otpor“ mit ihren „bunten Revolutionen“,
die diese faschistische Ideologie aus Europa nach Venezuela importiert
haben und bei einigen Studenten Anklang gefunden haben. Es wäre
tragisch, wenn nach einem Sieg des Präsidenten Chávez diese Kräfte
versuchen, Unruhen anzuzetteln und das Ergebnis nicht anzuerkennen, denn
wir sind bereit, unsere Revolution mit allen Mitteln zu verteidigen.
Mittags an der Metrostation Chacaito, in einem eher mittelständisch
geprägten Viertel der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Einige hundert
Studenten der Katholischen Universität Andrés Bello (UCAB) haben sich
hier versammelt, um für ihren Kandidaten Henrique Capriles Radonski zu
werben.
Sie tragen weiße T-Shirts, auf denen sie sich zu »Helden der
Demokratie 2012« erklären. Die Hemden werden zu Dutzenden kostenlos an
die Teilnehmer verteilt, mancher nimmt sich auch gleich zwei oder drei
mit, und auch ein Straßenkehrer deckt sich mit neuer Wäsche ein.
Inhalte
sind bei dieser Kundgebung, zu der die meisten der Teilnehmer mit der
U-Bahn aus Nobelvierteln wie Chacao im Osten der Hauptstadt gekommen
sind, Fehlanzeige. »Studenten! Studenten!« oder »UCABista!« lauten ihre
Sprechchöre, und auf den in Massen verteilten Aufklebern wird »die
Zukunft« beschworen. Von Vorschlägen und Forderungen, was sich in
Venezuela konkret ändern muß, ist nichts zu hören. Nur daß Hugo Chávez
weg muß, darin sind sich hier alle einig.
Gelangweilt
betrachten vielleicht hundert Meter entfernt einige Anhänger des
amtierenden Präsidenten, die auch nicht älter sind als die Jugendlichen
dort, das lautstarke Treiben. Sie haben einen »roten Punkt« aufgebaut.
So heißen die Infostände mit Werbematerial für Hugo Chávez, die in
diesen Tagen an nahezu jeder Straßenecke der Innenstadt zu finden sind.
Plakate, das Wahlprogramm, Broschüren mit Reden und kleine Flyer über
die Errungenschaften des nun schon 13 Jahre dauernden revolutionären
Prozesses werden zu Tausenden verteilt. »Das ist eine Minderheit«, sagt
einer der Chavisten schulterzuckend und deutet auf die
Capriles-Anhänger. »Vielleicht ein Drittel oder ein Viertel der
Studenten sind so drauf.«
Tatsächlich haben Umfragen gezeigt,
daß Hugo Chávez auch unter den Jungwählern mit einer Mehrheit rechnen
kann, doch wird sie in dieser Altersgruppe knapper ausfallen als etwa
unter den 35- bis 50jährigen. »Die Gefahr, daß die Revolution die Jugend
verliert, besteht«, räumt Gustavo Rodríguez, der im lokalen
Rundfunksender La Son del 23 eine wöchentliche Sendung moderiert, im
Gespräch mit junge Welt ein. »Wir haben eine große
Verantwortung, das zu verhindern.« Er selbst hat erlebt, wie die
Realität Venezuelas vor dem Amtsantritt von Hugo Chávez aussah. Er wuchs
in einem Rancho, einer selbstgebauten Hütte, auf, die direkt an einem
Abwasserkanal lag. Von der Polizei wurde er in demselben Gebäude
mißhandelt, in dem heute sein Rundfunksender installiert ist.
Nachdem
die Beamten der damaligen Hauptstadtpolizei Policía Metropolitana aus
dem Gebäude vertrieben worden waren, richtete sich dort vor sieben
Jahren die Coordinadora Simón Bolívar ein, ein Bündnis linker Gruppen
aus dem für seine kämpferischen Traditionen bekannten Stadtviertel 23 de
Enero. An eine Polizeiwache erinnert hier heute nichts mehr. Die
Außenwände sind mit den Bildern Che Guevaras und Simón Bolívars bemalt,
drinnen rufen Plakate zur Solidarität mit Palästina auf oder zeigen das
Porträt des legendären Comandante der kolumbianischen FARC-Guerilla,
Manuel Marulanda. In einem Nachbargebäude arbeitet ein »Infocentro«:
Rund zwei Dutzend moderne Computer stehen hier zur Nutzung bereit, in
Kursen wird den Nachbarn, von denen die wenigsten selbst bereits einen
Rechner besitzen, der Umgang mit der neuen Technik vermittelt. Auch
andere Missionen, die unter Chávez eingeführten Sozialprogramme, haben
hier ihren Sitz. »Am Sonntag wird im 23 de Enero Fiesta sein. Das ganze
Viertel wird auf der Straße sein, um den Sieg unseres Präsidenten und
der Bolivarischen Revolution zu sichern«, ist sich Gustavo Rodríguez
sicher. Er wolle sich nicht ausmalen, was in diesem Land passieren
würde, wenn entgegen allen Erwartungen doch Capriles und die Opposition
die Präsidentschaftswahl gewinnen würden: »Dann herrscht hier wieder
Krieg.«
Damit das nicht passiert, nutzt auch Gustavo Rodríguez
seine Sendung, um die Hörer zur Besonnenheit aufzurufen. »Reagiert nicht
auf die Gerüchte, die gestreut werden, um die Lage zu destabilisieren!«
Am Sonntag komme es darauf an, die Wahl mit möglichst großem Vorsprung
zu gewinnen, um den Manipulationsgerüchten jede Grundlage zu entziehen.
»Wir werden unseren Wahlsieg verteidigen – selbst wenn er nur mit einer
Stimme Mehrheit erreicht worden sein sollte«, zeigt sich Gustavo
Rodríguez überzeugt. »In diesem Land darf es kein Zurück geben.«
Venezuelas Hauptstadt Caracas ist heute fest in roter Hand. Mehrere Millionen Menschen werden ab 11 Uhr Ortszeit (17.30 Uhr MESZ) im Zentrum der Metropole zur großen Wahlkampf-Abschlußveranstaltung erwartet. Nachdem es der Opposition am vergangenen Wochenende gelungen war, die Avenida Bolívar zu füllen, wollen die Chavistas sich nicht lumpen lassen und haben als Ort ihrer Kundgebung gleich sieben der breiten Verkehrsadern angemeldet.
Bereits am frühen Morgen waren auf den Straßen der Hauptstadt Gruppen in roten T-Shirts – dem Markenzeichen der Chávez-Anhänger – unterwegs zu ihren Sammelpunkten. Aus Lautsprecherwagen tönten »Uh! Ah! Chávez no se va!«, eines der bekanntesten Lieder der Bolivarischen Revolution, und der offizielle Wahlkampfsong »Chávez Corazón del Pueblo« (Chávez, Herz des Volkes).
Die Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt, die vom venezolanischen Fernsehen direkt übertragen wird (Links zu Livestreams: Hier klicken), ist der Höhepunkt einer ganzen Reihe riesiger Großveranstaltungen mit jeweils mehreren Hunderttausend Teilnehmern, die Chávez in allen Bundesstaaten des südamerikanischen Landes durchgeführt hat.
Ab Freitag um 0 Uhr sind Wahlkampfveranstaltungen dann offziell untersagt, es herrschen »Ruhetage«, damit sich die Wähler noch einmal unbeeinflußt von der Propaganda ihre Entscheidung überlegen können. Beide Seiten – die Chavistas ebenso wie die Anhänger des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski – sind fest von ihrem Sieg überzeugt. Behalten die Meinungsforschungsinstitute recht, wird sich der Amtsinhaber am Sonntag jedoch mit deutlichem Vorsprung durchsetzen.
Venezuelas
Hauptstadt Caracas vibriert vor Wahlkampf. An nahezu jeder Straßenecke –
zumindest im Stadtzentrum –stehen Infostände, an denen die Chavistas um Stimmen
werben. Hier und da taucht mal ein Flugblattverteiler auf, der für den
Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski wirbt. Doch geht man von dem
Eindruck aus, den man bei einem Spaziergang durch die Millionenstadt bekommt,
ist das Rennen entschieden: Die Dominanz der Chavistas ist deutlich. Daran ändern
auch Kundgebungen oppositioneller Studenten nichts, die lautstark, aber
inhaltsarm für Capriles werben. Eindrücke aus
Caracas in unserer Fotostrecke: Hier klicken
Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) will am Sonntag eine halbe Million Stimmen zum Wahlsieg des Präsidenten Hugo Chávez beitragen. Das kündigte Douglas Gómez vom Politbüro der Partei an. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2006 hatte die PCV mehr als 342000 Stimmen erreicht – schon damals ein Rekordergebnis. Diese Zahl will die PCV erneut erreichen. Hinzu kommen die Stimmen, die auf anderen Listen für Chávez abgegeben werden, und die durch Wahlkampfaktivitäten der PCV in den Staaten Venezuelas mobilisiert wurden. Insgesamt hat sich die linke Bewegung zum Ziel gesetzt, zehn Millionen Stimmen für die Wiederwahl des Präsidenten zu mobilisieren.
„Wir haben eine sehr gut vorbereitete Organisation, um den großen Kampf für den perfekten Sieg am 7. Oktober zu führen“, erklärte Gómez. „Das Volk wird auf die Straßen strömen, um ihre Unterstützung für Hugo Chávez und den sozialistischen Vorschlag für ein neues Venezuela zu unterstützen.“ Zugleich sei man darauf vorbereitet, jedem Versuch einer Destabilisierung durch die Opposition zu begegnen.
Eine Stimme für die PCV sei eine bewußte Stimme für die Vertiefung des revolutionären Prozesses, unterstrich Gómez. Ziel müsse sein, daß die Arbeiterklasse Venezuelas die Führung der Bolivarischen Revolution übernehme.
Die venezolanische Polizei hat Medienberichten zufolge drei Personen unter dem Verdacht festgenommen, für die Ermordung von zwei Oppositionellen während einer Wahlkampfkundgebung der Regierungsgegner verantwortlich gewesen zu sein. Jason Antonio Valero und Omar Fernández waren am vergangenen Sonnabend erschossen worden, als sie sich an einer Veranstaltung zur Unterstützung des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski beteiligt hatten. Offenbar war es dabei zu Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Gruppen gekomen, in deren Verlauf die tödlichen Schüsse fielen.
Venezuelas Justizminister Tareck El Aissami hatte am Montag zunächst über den Internetdienst Twitter nur die Festnahme eines Tatverdächtigen gemeldet, ohne nähere Details mitzuteilen. Präsident Hugo Chávez hatte bereits am Sonntag die Tat verurteilt und alle Venezolanerinnen und Venezolaner aufgerufen, die Auseinandersetzung „mit den Ideen, mit den Stimmen, friedlich, nicht mit Gewalt" auszutragen. Niemand dürfe sich von der Bourgeoisie provozieren lassen, die Venezuela destabilisieren wolle, „weil sie wissen, daß sie verloren haben und mit der Idee schwanger gehen, den Sieg des Volkes nicht anerkennen zu wollen".
Tatsächlich befürchten viele Anhänger des Präsidenten, daß radikale Teile der Opposition durch Gewalttaten eine Absage der Abstimmung, die am kommenden Sonntag stattfinden soll, provozieren wollen. Sogar eine Ermordung des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Henrique Carriles Radonski werde von diesen Kräften erwogen, heißt es in Caracas. So wurde junge Welt ein Plan zugespielt, der von Oppositionellen ausgearbeitet worden sein soll, und in dem Festlegungen für „die letzte Schlacht" getroffen werden. Darin wird stolz festgestellt, daß es der Opposition gelungen sei, in zahlreichen Medien der USA und Europas Berichte zu lancieren, wonach Capriles gewinnen werde, die venezolanische Regierung dies jedoch durch Betrug jedoch verhindern wolle. Weiter heißt es in dem Papier: „Was uns nun noch fehlt ist: (2) massenhaft zu wählen, (3) die Stimmen zu verteidigen, die Zeugen, die Akten und die Stimmen parallel auszuzählen und (4) die Straßen zu besetzen, bis das Regime seine Niederlage anerkennt. Danach sprechen wir von Punkt (5), in dem es darum gehen wird, das Heimatland und seine Institutionen bis zur Amtsübernahme der neuen Regierung zu verteidigen, damit die Roten nicht... nun, das lasse ich mal so stehen."
Die Unruhe in Venezuela wird unter anderem durch den oppositionellen Fernsehsender Globovisión geschürt, der am Montag zum Beispiel behauptete, allein in der vergangenen Woche seien in dem südamerikanischen Land 80 Polizisten ermordet worden. Der Wahlkampf wird schmutzig.
Von China aus ist am Samstag um 12.15 Uhr Ortszeit (6.15 MESZ) der zweite venezolanische Satellit in eine Umflaufbahn geschossen worden. Mit einer Rakete vom Typ Langer Marsch hob der Himmelskörper pünktlich und ohne Probleme ab. Tausende Menschen, die sich auf der Plaza de los Museos im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas zum Public Viewing versammelt hatten, feierten lautstark den gelungenen Start.
Während der 2008 gestartete Satellit VENESAT-1, der auf den Namen des venezolanischen Nationalhelden Simón Bolívar getauft worden war, auf einer geostationären Umlaufbahn vor allem der Übertragung von Daten und Videosignalen dient, sollen mit dem neuen Satelliten Francisco de Miranda Beobachtungen des venezolanischen Territoriums möglich werden. So soll es den Sicherheitsbehörden des südamerikanischen Landes künftig leichter möglich sein, illegale Aktivitäten in den ausgedehnten Regenwaldregionen im Süden Venezuelas aufzuspüren. Geologische und andere Erkundungen des Landes sollen ebenso erleichtert werden. Außerdem kündigte das zuständige Wissenschaftsministerium an, durch den neuen Satelliten alle 40 Tage aktuelle Aufnahmen zu bekommen, die der Erstellung von Landkarten dienen sollen.
Gesteuert wird der Satellit zunächst von China aus. Ab Januar sollen dann aber 54 eigens dafür ausgebildete Techniker von der Luftwaffenbasis in La Carlota, Caracas, und vom Weltallkontrollzentrum in El Sombrero, Bundesstaat Guárico, aus die Steuerung übernehmen. (jW)
Hunderttausende Menschen feiern zur Stunde in Maturín, der Hauptstadt des im Nordosten Venezuelas gelegenen Bundesstaates Monagas, ihren Präsidenten und Kandidaten Hugo Chávez.
Kurz vor der Präsidentschaftswahl haben sich weitere Oppositionelle von ihrem Kandidaten Henrique Capriles Radonski abgesetzt. Die lokale Parteiführung der christsozialen COPEI im Landkreis Tomás Lander im Bundesstaat Miranda entzog am Donnerstag bei einer Pressekonferenz dem Bündnis der Regierungsgegner ihre Unterstützung. Zu den Abtrünnigen gehört auch Pablo Serrano, der bislang das einzige Stadtratsmandat der COPEI in Miranda innehatte. Er erklärte gemeinsam mit einigen anderen Anhängern auch seinen Austritt aus der Partei.
Leonardo Arvelo, der örtliche Vizechef der Organisation, erklärte bei einer Pressekonferenz im örtlichen Parteibüro, der Schritt sei aus Protest gegen die neoliberalen Pläne Capriles' erfolgt. Mehr als die Hälfte der örtlichen Parteiführung und der aktiven Mitglieder hätten die Entscheidung unterstützt, so Arvelo weiter. Zudem kritisierte er, daß die im Oppositionsbündnis tonangebenden Rechtsparteien die kleinen Partner - zu denen auch die COPEI gehört - ignoriert hätten.
Man werde ab sofort als unabhängige Politiker agieren, kündigte der Sprecher an. Man wolle im Interesse der eigenen Gemeinden wirken, so Arvelo. Dazu gehöre auch zu verhindern, daß sich eine elitäre Gruppe die Errungenschaften aneigne, die die Bevölkerung unter der Regierung Chávez erlangt habe.
Das Comité de Organización Política Electoral Independiente (COPEI) war in der sogenannten Vierten Republik (1958-1998) die zweitgrößte Partei Venezuelas. Die COPEI stellte den Präsidenten in Venezuela von 1969 bis 1974 und 1979 bis 1984. Schon Anfang der 90er Jahre, aber besonders seit dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten schwand die Bedeutung der COPEI. Auch in der Opposition zur Regierungskoalition des heutigen Präsidenten Hugo Chávez spielen sie kaum eine Rolle mehr. Bei den Parlamentswahlen 2010 erreichte sie fünf der 165 Sitze in der Nationalversammlung. (jW)
In der Endphase des Wahlkampfs sieht sich Venezuelas Opposition einem Problem gegenüber, das sie sich selbst eingebrockt hat. Sie muß fürchten, daß manche ihrer potentiellen Wähler am 7. Oktober zu Hause bleiben, weil sie dem venezolanischen Wahlsystem nicht vertrauen. Jahrelang hatten die Regierungsgegner den Nationalen Wahlrat (CNE) attackiert und bei Abstimmungen vor Manipulationen gewarnt. So schwadronierte ein Roberto Carlo Olivares nach den Parlamentswahlen vom September 2010 über einen »Megawahlbetrug«, den sogar die Opposition akzeptiert habe, und unterstellte der Behörde sogar, die Wahlbeteiligung, die 93.59 Prozent (!) betragen habe (was nicht nur venezolanischer, sondern vermutlich auch Weltrekord gewesen wäre), auf 66,45 Prozent heruntergerechnet zu haben.
Auch in den vergangenen Tagen häuften sich im Internetdienst Twitter Kurzmeldungen, in denen der Regierung und dem CNE vorgeworfen wurde, den »sicheren Wahlsieg« des Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski nicht anerkennen zu wollen. Quellen für die Siegessicherheit: Keine - dafür aber »Chavismo«-Vorwürfe gegen Meinungsforschungsinstitute wie Hinterlaces, die Zahlen veröffentlichen, die den Regierungsgegnern nicht passen. Chávez werde versuchen »die Schlösser auszutauschen«, deshalb müsse man »die Tür zur Zukunft einschlagen«, plädiert ein Regierungsgegner für Gewalt.
Der offizielle Wahlkampfstab der Opposition bemüht sich deshalb, das Mißtrauen in das Wahlsystem zu zerstreuen. Ängste vor Manipulationen der Wahlmaschinen oder eine mögliche Verletzung des Wahlgeheimnisses seien »Mythen«. Per blinkender Grafik auf der Homepage des Bündnisses »Einheit Venezuela« versichern die Regierungsgegner: »Deine Stimme ist sicher und geheim!«
Ausdrücklich stellt die Opposition fest: »In den technischen Kontrollen, die in jedem Wahlprozeß durchgeführt wurden, konnte niemals belegt werden, daß das Wahlgeheimnis irgendeines Wählers verletzt worden wäre.« Erinnert wird allerdings an die »Lista Tascón«, eine vom damaligen Parlamentsabgeordneten Luis Tascón 2004 veröffentlichte Aufstellung der Unterstützer eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Chávez. Die Liste war zwar nicht geheim, Tascón hatte aber auf seiner Homepage ein Tool eingerichtet, mit dem sie nach Personalausweisnummern sortiert durchsucht werden konnte. Dadurch sollte, so seine Begründung, Anhängern des Präsidenten die Gelegenheit gegeben werden, zu kontrollieren, ob sie ohne es zu wollen als Unterzeichner für eine Absetzung Chávez' aufgeführt worden waren. In einigen Fällen war das tatsächlich geschehen, um das notwendige Quorum für das Durchsetzen des Amtsenthebungsreferendums (das Chávez schließlich am 15. August 2004 mit 59,1 Prozent klar gewann) zu erreichen. Die Opposition sah in dieser Liste hingegen ein Instrument, um regierungskritische Staatsangestellte rauswerfen zu können.
Mit Blick auf die Wahlen vom 7. Oktober betonen die Regierungsgegner nun jedoch, daß diese Liste nie ergänzt wurde, »auch nicht, wenn Staatsangestellte für oppositionelle Kandidaten gestimmt haben«.
In dem Dokument nimmt das »Comando Venezuela«, wie sich der Wahlkampfstab der Opposition nennt, auch die »populärsten Mythen« auseinander, zum Beispiel die Behauptung, daß die Daten der Wähler »über das neue Unterwasserkabel nach Kuba geschickt« würden. Die Regierungsgegner dazu: »Die übermittelten Akten sind von fünf unabhängigen Sicherheitsmänteln umgeben. Es ist praktisch unmöglich, die Sendung zu dechiffrieren, zu verändern und weiterzusenden, ohne daß dies jemand bemerkt. Außerdem beziehen sich die gesendeten Akten auf ausgezählte Wahllokale, deren Akten ausgedruckt wurden und sich in den Händen der Zeugen befinden. Welchen Sinn sollte es haben, die Akten an irgendeinen anderen Ort zu schicken, wenn jede mögliche Veränderung festgestellt werden kann?«
Weiter betonen die Regierungsgegner, daß Zeugen der Opposition bei allen Wahlen und Abstimmungen seit 2005 im zentralen Auszählungszentrum dabeigewesen sind. Die Einschränkung »seit 2005« erinnert indirekt daran, daß die Opposition die Parlamentswahl Ende 2005 boykottiert hatte.
Schließlich erinnert die Opposition auch daran, daß die Stimmabgabe nicht nur elektronisch erfolgt, sondern von den Wählern durch den Ausdruck des Stimmzettels überprüft werden kann: »Der Papierabschnitt erlaubt es den Bürgern, sicherzustellen, daß ihr Willen respektiert wird. Bislang ist keine einzige Akte entdeckt worden, deren Zahlen von denen abgewichen wären, die der CNE veröffentlicht hat.«
Bei einer Großkundgebung in der Stadt Coro im westvenezolanischen Bundesstaat Falcón hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez dazu aufgerufen, die Wahlen am 7. Oktober »haushoch« zu gewinnen. Dazu sei es notwendig, »in jedem Viertel, jeder Straße, jedem Dorf, jeder Siedlung, überall« zu werben, damit keine einzige Stimme verlorengehe. »Wir dürfen nicht zulassen, daß Venezuela in die schlimmsten Zeiten der Vergangenheit zurückgeworfen wird«, rief er den Tausenden Anhängern zu, die sich vor der großen Bühne versammelt hatten. Der Wahlsieg sei sicher, »und nichts und niemand wird ihn verhindern können«, erklärte er. Trotzdem sei es noch zu früh, den Sieg zu feiern: »Wir sind nicht nur verpflichtet, die Wahlen zu gewinnen, sondern auch, sie sehr gut zu gewinnen"«
»Was wir bislang getan haben, war schon viel. Aber uns bleibt noch viel zu tun, um das Werk der Erneuerung des venezolanischen Heimatlandes, den Aufbau der sozialistischen Heimat zu vollenden«, rief Chávez aus.
Bildstrecke von der Kundgebung in Falcón: Hier klicken
Die Spitzenkapitalisten der USA haben sich damit abgefunden, daß Hugo Chávez die Wahlen in Venezuela gewinnen wird. Der Amtsinhaber sei drauf und dran, die Abstimmung am 7. Oktober für sich entscheiden zu können, erklärte die Bank of America Merrill Lynch. Wie das Wirtschaftsportal Bloomberg berichtet, teilte Francisco Rodriguez, einer der Wirtschaftsanalysten des Finanzinstituts, am Montag den Abonnenten eines Newsletters unter Berufung auf verschiedene venezolanische Meinungsumfragen per E-Mail mit, dass der von einigen Instituten vermeldeten »Rückgang« der Unterstützung für Chávez »unzureichend« sei, um die Kluft zwischen den beiden wichtigsten Kandidaten bis zum Wahltag zu schließen. »Diese Ergebnisse legen nahe, daß das wahrscheinlichste Szenario Chávez' Wiederwahl sein wird, und das höchstwahrscheinlich mit einem zwanzigprozentigen Vorsprung«, so Rodriguez. (jW)
Sandra Oblitas, Vizepräsidentin des Nationalen Wahlrats (CNE) Venezuelas, hat am Dienstag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz in Barcelona, der Hauptstadt des Bundesstaates Anzoátegui, Details über den Ablauf der Wahlen am 7. Oktober, der nachfolgenden Stimmenauszählung und der Bekanntgabe der Ergebnisse erläutert. Die Vertreterin der obersten Wahlbehörde des Landes betonte, daß ihre Institution erst dann ein erstes Bulletin veröffentlichen werde, wenn die Tendenz des Ergebnisses unumkehrbar sei. Im Unterschied zu anderen Ländern der Welt verbreite ihre Behörde nur Ergebnisse, jedoch keine Prognosen oder Hochrechnungen.
Frühester Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines Kommuniqués sei, wenn alle Wahllokale geschlossen worden seien. Das sei planmäßig um 18 Uhr Ortszeit (0.30 Uhr MESZ) der Fall, allerdings blieben die Lokale so lange geöffnet, wie noch Wähler in den Warteschlangen stehen.
Weiter erinnerte Oblitas daran, daß der Wahlkampf um Donnerstag, 4. Oktober, um Mitternacht ende und anschließend keine Werbeveranstaltungen mehr stattfinden dürfen. Die letzten Meinungsumfragen zur Wahl dürfen noch bis diesen Sonntag, 30. September, veröffentlicht werden. (jW)
Mit einer Großkundgebung in den Llanos hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Montag (Ortszeit) den Endspurt im Wahlkampf eingeläutet. Vor Zehntausenden Menschen in Acarigua im Bundesstaat Portuguesa, einer Hochburg der bolivarischen Bewegung, gab der Amtsinhaber als Ziel aus, in diesem Bundesstaat wie vor sechs Jahren mit einer Mehrheit von mehr als 70 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Der regionale Wahlkampfstab strebe sogar 80 Prozent an, rief Chávez seinen zumeist in rot gekleideten Anhängern zu, und diese griffen den Slogan auf: »Achtzig Achtzig!«
Die Revolution sei auf dem Kurs zu einem »perfekten Sieg« am 7. Oktober, sagte Chávez. »Ich habe gesehen, wie sich das Volk von Portuguesa seinen revolutionären Geist bewahrt hat. Hier demonstriert ihr einmal mehr eure Unterstützung für das sozialistische Projekt«, rief er den Tausenden zu. Man dürfe sich jetzt jedoch nicht zurücklehnen, sondern müsse in den letzten Tagen des Wahlkampfs noch einmal zulegen »und diese Schlacht des 7. Oktober kraftvoll angehen«.
Mit Blick auf den Oppositionskandidaten sagte er, die Kampagne der Bourgeoisie habe sich erschöpft, sie dem Land habe außer unzähligen Lügen nichts zu sagen. Zudem versuche Henrique Capriles Radonski vergeblich, gegenüber dem Volk seine politischen Bündnispartner und seine neoliberalen Pläne für den Fall eines Wahlsiegs zu verschleiern. Demgegenüber sei Venezuelas Linke »nicht das Produkt einer Show gut bezahlter Berater«, sondern sei aus den Wurzeln des Volkes erwachsen: »Wir haben einen Vorschlag, den das Land kennt, einen Vorschlag, Venezuela weiter zu entwickeln.«