Mit diesen Bildern verabschieden wir uns von diesem jW Online Spezial über die Präsidentschaftswahl 2012 in Venezuela. Hugo Chávez bleibt Staatschef und Comandante der Bolivarischen Revolution bis 2019. Die junge Welt wird den Prozeß in diesem südamerikanischen Land weiter aktuell begleiten – wenn Ihr dafür sorgt, daß wir dies können: Dein Abo fehlt!
Die Atempause zwischen zwei Wahlkämpfen ist für die Venezolaner nur kurz. Bereits am 1. November beginnt offiziell die Kampagne für die Regionalwahlen am 16. Dezember. An diesem Tag entscheiden die Venezolanerinnen und Venezolaner in den 24 Bundesstaaten über die Gouverneure und die Zusammensetzung der Regionalparlamente.
Die Einschreibefrist für die Kandidatinnen und Kandidaten endet am heutigen Freitag. Deshalb begleitete die Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) mit großen Kundgebungen ihre Vertreter bei der Einschreibung in den jeweiligen regionalen Wahlbehörden. Auch die verbündeten Organisationen wie PPT, Tupamaros oder die Kommunistische Partei PCV nahmen an diesen Versammlungen teil. Die PCV hat allerdings in allen Bundesstaaten eigene Kandidaten angemeldet. Damit kritisieren die Kommunisten das Vorgehen der PSUV, die ihre Vertreter kaum mit den anderen Kräften koordiniert hat. In den meisten Bundesstaaten wird die PCV ihre Kandidaten allerdings noch rechtzeitig zurückziehen. Konflikte gibt es aber in einigen Regionen, wo der PSUV angehörende Gouverneure wiedergewählt werden sollen, deren Amtsführung vom linken Flügel der bolivarischen Bewegung jedoch kritisiert wird.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Entscheidung im Bundesstaat Miranda, der auch einige Stadtviertel der Hauptstadt Caracas umfaßt. Der Staat wurde bislang von Henrique Capriles Radonski regiert, der bei der Präsidentschaftswahl am 7. Oktober gegen Hugo Chávez angetreten war. Trotz seiner deutlichen Niederlage und obwohl er auch in seinem Heimatstaat – wenn auch knapp – verloren hat, will Capriles nun am 16. Dezember in Miranda für eine zweite Amtszeit kandidieren. Sein Kontrahent ist hier der bisherige venezolanische Vizepräsident Elías Jaua.
Sollte Capriles auch diese Wahl verlieren, dürfte seine politische Karriere beendet sein. Deshalb kritisieren auch Kräfte der Opposition die erneute Kandidatur, die in ihm perspektivisch einen Hoffnungsträger sehen, der die Regierungsgegner einen könnte. So wird in Venezuela angesichts der relativen Stärkung der Opposition am 7. Oktober damit gerechnet, daß diese nach Ablauf der halben Amtszeit von Präsident Chávez 2016 ein Amtsenthebungsreferendum anstreben wird. Mitentscheidend dafür dürfte jedoch auch der Ausgang der Regionalwahlen sein: Kann die revolutionäre Bewegung ihren Erfolg wiederholen und zumindest einige der bislang von der Opposition regierten acht Bundesstaaten zurückgewinnen – oder kann die Rechte den Chavistas Regionalregierungen abnehmen und ihren Einfluß »von unten« ausbauen?
Der Nationale Wahlrat (CNE) hat am Mittwoch abend den Kandidaten Hugo Chávez offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag und damit zum Staatschef Venezuelas für die Amtszeit 2013 bis 2019 erklärt. Die Präsidentin der Wahlbehörde, Tibisay Lucena, verkündete, Chávez und die ihn unterstützenden Parteien hätten insgesamt 8.136.637 Stimmen erhalten, was 55,26 Prozent der abgegebenen Stimmen enspreche.
Bei der Zeremonie im Internationalen Pressezentrum des CNE überreichte Lucena dem wiedergewählten Präsidenten die Beglaubigungsurkunde, die ihn erneut als Staatschef akkreditiert.
Begleitet wurde die Veranstaltung mit einem großen Volksfest auf der nahegelegenen Plaza Diego Ibarra im Zentrum der Hauptstadt Caracas. Bekannte Bands wie Grupe Madera, Dame Pa’ Matala und andere spielten hier unter anderem den Wahlkampfhit »Chávez, corazón del pueblo«, den Tausende begeistert mitsangen.
Chávez nutzte seine kurze Ansprache dazu, für die neue Amtszeit, die offiziell am 10. Januar beginnt, mehr Effizienz »beim Übergang vom Kapitalismus, vom Neoliberalismus, zum Sozialismus, der die Demokratie ist,« zu versprechen.
Der Staatschef nutzte seine Ansprache dazu, den bisherigen Außenminister Nicolás Maduro als neuen Vizepräsidenten vorzustellen. Er löst Elías Jaua ab, der bei den Regionalwahlen im Dezember Gouverneur des Bundesstaates Miranda werden will. Wer Maduro im Außenministerium nachfolgt, wurde noch nicht mitgeteilt. (AVN/jW)
Am Montag (Ortszeit) verbreitete der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) ein aktualisiertes Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Sonntag, das sich auf einen Auszählungsstand von 97,65 Prozent bezog. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei für das Land historischen 80,72 Prozent. In 22 der 24 Bundesstaaten Venezuelas konnte sich Chávez durchsetzen, nur Mérida und Táchira an der Grenze zu Kolumbien fielen an die Opposition. Auch im von Henrique Capriles Radonski als Gouverneur regierten Miranda setzte sich Chávez – wenn auch knapp – durch. Am Mittwoch soll Hugo Chávez vom CNE offiziell zum Wahlsieger proklamiert werden.
Die Wahlergebnisse im einzelnen:
Hugo Chávez: 8062056 Stimmen, 55,14 Prozent Davon:
Vereinte Sozialistische Partei (PSUV): 6287638 Stimmen (43,01%)
Kommunistische Partei (PCV): 482317 Stimmen (3,29%)
Der Nationale Wahlrat (CNE) hat am Montag auf der Grundlage eines Auszälungsstandes von 97,46 Prozent detailliertere Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 7. Oktober veröffentlicht. Von besonderem Interesse ist dabei, wie sich die Ergebnisse der Kandidaten auf die sie unterstützenden Parteien verteilen. So bleibt die vom wiedergewählten Staatschef Hugo Chávez geführte Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) mit fast 43 Prozent der Stimmen klar stärkste Partei des Landes. Im Gegensatz zu früheren Abstimmungen waren diesmal jedoch die Stimmen der mit der PSUV verbündeten Parteien ausschlaggebend für den Gewinn der Mehrheit gegen das Oppositionslager. Die Kommunistische Partei PCV wurde erstmals zweitstärkste Kraft im chavistischen Lager, was Parteichef Oscar Figuera im Gespräch mit junge Welt als »große Verantwortung« würdigte.
Das Oppositionslager präsentierte sich zersplittert in mehrere nahezu gleich starke Kräfte. Die Partei ihres Kandidaten Henrique Capriles Radonski, Primera Justicia, die separat angetreten war, wurde fast genauso stark wie die Bündnisliste Mesa de Unidad Democrática (MUD).
Die anderen Kandidaten spielten keine Rolle. Mit Ausnahme von Reina Sequera, die immerhin auf knapp 0,5 Prozent kam, blieben alle Aspiranten unter 0,1 Prozent. (jW)
Zehntausende Menschen haben am Sonntag abend (Ortszeit) am Präsidentenpalast Miraflores im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas und auf den umliegenden Straßen begeistert den erneuten Wahlsieg von Hugo Chávez gefeiert. Bereits vor der Bekanntgabe der ersten offiziellen Zahlen durch den Nationalen Wahlrat (CNE) hatten sich Tausende in der Umgebung versammelt. Die jW-Korrespondenten waren mittendrin und haben viele Fotos mitgebracht. Unsere Bildstrecke findet Ihr hier.
André Scheer, Telefonbericht aus Caracas während der CD-Release Party zu Ehren von Franz Josef Degenhardt in Berlin
Hugo Chávez bleibt Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela! Tibisay Lucena, Präsidentin des Nationalen Wahlrats (CNE) gab um 22 Uhr Ortszeit die ersten offiziellen Ergebnisse bekannt. Demnach erreichte Amtsinhaber Hugo Chávez mit mehr als acht Millionen Stimmen 54,42 Prozent. Fast zwei Millionen Stimmen weniger erreichte Henrique Capriles Radonski, der auf 44,97 Prozent kam.
Die Wahlbeteiligung lag mit 80,9 Prozent historisch hoch.
In Venezuela deutet alles darauf hin, daβ Hugo Chavez im Amt bleibt. Der Sprecher des Wahlkampfstabs des Staatschefs, Jorge Rodriguez, nannte bei einer Pressekonferenz um 20 Uhr Ortszeit den Wahltag »historisch«. Die Wahlbeteiligung sei so hoch gewesen wie noch nie zuvor. Zudem sagte er mit einem breiten Lachen: »Ich habe den Verdacht, daβ wir uns heute nochmal sehen«.
Wie junge Welt inoffiziell aus Regierungskreisen erfuhr, soll Chavez die heutige Wahl mit zwölf Prozentpunkten Vorsprung gewonnen haben.
Noch ist unklar, wann der Nationale Wahlrat (CNE) sein erstes Bulletin verbreitet und damit die ersten offiziellen Zahlen nennt. (jW)
Als »gute
Nachricht«
verbreitet die Onlineredaktion der Tribuna Popular, der Zeitung der
Kommunistischen Partei Venezuelas, unter Berufung auf einen
hohen Beamten der Regionalregierung der Hauptstadt Caracas die
Information, daβ der
Präsidentenpalast
Miraflores hell beleuchtet sei und am sogenannten »Balkon
des Volkes«
gerade eine Bühne
aufgebaut wird. Dies wird als Vorbereitung auf eine mögliche
Siegesfeier gewertet.
Auch
die Opposition, die gerade eine Pressekonferenz durchführt,
erweckt derzeit nicht den Eindruck, sich als Sieger zu sehen. Statt
dessen verweist sie auf die hohe Wahlbeteiligung, durch die alle
Venezolanerinnen und Venezolaner Sieger dieses historischen Tages
seien.
Alle
Seiten bemühen sich
derzeit jedoch, die Vorgabe des Nationalen Wahlrats (CNE)
einzuhalten, keine Ergebnisse bekanntzugeben, bevor die Behörde ihr
ersten Bulletin verbreitet hat. Das will diese erst tun, sobald die
Tendenz der vorliegenden Ergebnisse »unumkehrbar«
ist.
Zugleich
führen
Regierungsgegner jedoch einen schmutzigen Krieg gegen Medien des
Staates oder dem Staatschef Hugo Chavez nahestehende Quellen. So
wurden die Homepage des staatlichen Rundfunks Radio Nacional de
Venezuela, das Onlineportal Laiguana.tv und andere Seiten von Hackern
angegriffen und muβten
vom Netz genommen werden. (jW)
In diesen Minuten schließen in Venezuela die Wahllokale. Nach 18 Uhr Ortszeit dürfen nur noch die Wählerinnen und Wähler abstimmen, die sich in den Warteschlangen befinden.
Venezuelas Hauptstadt Caracas war heute in weiten Teilen nahezu menschenleer. Viele Geschäfte hatten spätestens gegen Mittag ihre Türen geschlossen – entweder, weil die Inhaber selbst zur Wahl gehen wollten, oder weil sie Probleme gegen Ende des Tages befürchteten, wenn die Ergebnisse der heutigen Wahlen bekanntgegeben werden. Oppositionelle Medien hatten versucht, Unruhen herbeizuschreiben, doch wie Sprecher des Nationalen Wahlrats (CNE) am Nachmittag erklärten, gab es von vereinzelten Reibereien abgesehen keinerlei Zwischenfälle. Das können auch die jW-Korrespondenten in Caracas bestätigen, die eine entspannte und ruhige Atmosphäre vorfanden. An einigen Wahllokalen hatten sich die dort positionierten Sicherheitskräfte sogar zum Schlafen hingelegt.
Am Vormittag hingegen hatte vor Schulgebäuden und anderen Einrichtungen, die zu Wahllokalen umgewidmet worden waren, oftmals Trubel geherrscht. Schon am frühen Morgen hatten sich hier lange Schlangen von Wartenden gebildet, die auf die Gelegenheit zur Stimmabgabe warteten. Schon gegen Mittag hatten in vielen Wahllokalen mehr als die Hälfte der Berechtigten die Stimme abgegeben. So etwa im Liceo Andrés Bello im Zentrum von Caracas, das mit 14000 Wahlberechtigten als das größte Abstimmungslokal Venezuelas gilt. Wie Sprecher des örtlichen Wahlvorstandes gegenüber junge Welt sagten, lag die Beteiligung hier schon am Mittag bei 75 Prozent.
Gegenüber diesem Schulgebäude, das unter der Regierung von Hugo Chávez renoviert und neu eröffnet wurde, arbeitet der Kommunale Rat Avenida México, ein mit rotem Stern und zahlreichen Plakaten der Linksparteien geschmücktes Nachbarschaftszentrum. Hier wimmelte das Leben, ein ständiges Kommen und Gehen. „Wir helfen hier den Leuten beim Wählen, die dies nicht alleine können“, berichtete José Luís, der das Zentrum koordiniert, im Gespräch mit junge Welt. „Wir haben hier Rollstühle, um Leute, die nicht selber gehen können, ins Wahllokal zu bringen, wir beraten, haben Getränke und Essen für die Menschen in den Warteschlangen.“ Einig waren sich die Anwesenden, die bereits alle stolz ihren blaugefärbten Finger vorzeigen konnten. Durch das Tunken des kleinen Fingers in nicht abwaschbare Tinte wird zusätzlich zur Ausweiskontrolle verhindert, daß jemand seine Stimme mehrfach abgeben kann.
Bereits vor Schließung der Wahllokale waren am Nachmittag Gruppen von Motorradfahrern und Autokarawanen unter roten Fahnen durch Caracas gefahren, um den Sieg des Präsidenten Hugo Chávez zu feiern – der von offizieller Seite bislang jedoch nicht bestätigt worden ist. „Wir werden erst dann Zahlen bekanntgeben, wenn die Tendenz unumkehrbar ist“, unterstrich CNE-Sprecherin Tibisay Lucena.
Bei der Präsidentschaftswahl in Venezuela zeichnet sich gegen Mittag eine hohe Beteiligung ab. »Ich beglückwünsche die Venezolaner«, sagte Jorge Rodríguez, Chef des Wahlkampfstabs von Amtsinhaber Hugo Chávez, »Comando Carabobo«, bei einer Pressekonferenz gegen 11.30 Uhr Ortszeit. Er bat die stundenlang in den Schlangen vor den Wahllokalen wartenden Venezolanerinnen und Venezolaner um Geduld, »da wir eine sehr hohe Wahlbeteiligung haben«. Dabei konnte er sich ein breites Lächeln nicht verkneifen, denn eine hohe Beteiligung galt im Vorfeld als Vorteil für Chávez.
»Die Oppositionellen rechnen damit, gewinnen zu können, deshalb werden sie alle, ohne Ausnahme, zur Wahl gehen«, sagte Carlos Aquino, der dem Politbüro der KP Venezuelas angehört, im Gespräch mit junge Welt. »Es wird deshalb darauf ankommen, daß auch wir alle unsere Anhänger mobilisieren könen.«
Bislang liegen keinerlei Berichte über Zwischenfälle vor. Von Journalisten befragte Wähler äußerten sich jedoch unzufrieden über die langen Wartezeiten in den Schlangen. Das habe mit der versprochenen Schnelligkeit nichts zu tun, sagte eine Befragte dem staatlichen Fernsehen VTV.
Unterdessen haben wegen der Zeitdifferenz die Wahllokale in Europa, die vor allem in den diplomatischen Vertretungen und Konsulaten Venezuelas eingerichtet wurden, bereits wieder geschlossen. Insgesamt wurden auf der ganzen Welt 304 Wahllokale für die im Ausland lebenden Staatsangehörigen Venezuelas eingerichtet, so zum Beispiel in der venezolanischen Botschaft in Berlin sowie in den Generalkonsulaten in Hamburg und Frankfurt. Ausgezählt werden die hier abgegebenen Stimmen allerdings ebenfalls erst, wenn der Nationale Wahlrat (CNE) in Caracas den Prozeß der Stimmabgabe für beendet erklärt hat.
Regulär haben die Wahllokale in Venezuela bis 18 Uhr Ortszeit (0.30 Uhr MESZ) geöffnet, eine Verlängerung bei Verzögerungen ist möglich. Zudem haben alle Venezolaner, die zum Ende der offiziellen Wahlfrist noch in der Schlange stehen, das Recht, ihre Stimme noch abzugeben. Bei vergangenen Wahlen wurde der Prozeß deshalb mehrfach um bis zu zwei Stunden verlängert.
Bislang ohne große Zwischenfälle hat in Venezuela die Präsidentschaftswahl begonnen. Nachdem morgens um 3 Uhr Ortszeit (9.30 Uhr MESZ) der Wahltag mit Fanfaren und Feuerwerk begrüßt wurde, konnten um 6 Uhr morgens die ersten Menschen ihre Stimmen abgeben. Vor den Wahllokalen haben sich bereits lange Schlangen gebildet, geduldig warten die Venezolanerinnen und Venezolaner darauf, ihre Stimme abgeben zu können.
Während in Deutschland die meisten Medien vom »Der schwerste Kampf des Caudillo« (Spiegel Online) oder gar bereits vom »letzten Kampf des Comandante Chávez« (news.de) schreiben, sind sich sowohl die Anhänger des Staatschefs als auch die Oppositionellen siegessicher. Am Vorabend der Abstimmung protestierten die Regierungsgegner in den Mittelschichts- oder Nobelvierteln der Hauptstadt Caracas mit einem »Cacerolazo« - lautstarkem Trommeln auf Kochtöpfe – gegen Chávez. Das ließen die Bewohner des eher von Armen bewohnten Barrios La Vega nicht auf sich sitzen. Sie fuhren mit einem Kleinlastwagen, auf den sie große Lautsprecher montiert hatten, in das Mittelschichtsviertel Montalban, stellten sich vor die Wohnhäuser der Oppositionellen und ließen lautstark Musik von Alí Primera und Wahlkampflieder der Chávez-Kampagne ertönen.
Viele Chavistas, die bereits in den frühen Morgenstunden zur Wahl gegangen waren, riefen ihre Freunde und Bekannten per SMS dazu auf, das selbe zu tun: »Wichtig ist, daß ihr wählt. Nimm dein Recht wahr. Es ist nicht wichtig, ob du für Hugo stimmst, oder für Rafael, oder sogar für Chávez – aber wähle! Und heute nacht feiern wir mit Frías!« Frías werden in Venezuela nicht nur die eisgekühlten Biere genannt – es ist auch der zweite Nachname des Präsidenten Hugo Rafael Chávez Frías.
Eine andere, 63 Jahre alte Frau, die erst im Rahmen des Alphabetisierungsprogramms Misión Robinson Lesen und Schreiben gelernt und später sogar noch ihr Abitur gemacht hat, teilte morgens um 6.30 Uhr ebenfalls per SMS mit: »Ich habe meine Pflicht für das Heimatland erfüllt, ich habe gewählt. Lang lebe meine Comandante! Für das Leben, für unsere Kinder, Enkel, für die Hoffnung auf eine bessere Welt: Viva Chávez!«
Mit Fanfaren in allen Regionen Venezuelas hat um 3 Uhr morgens (Ortszeit) die Präsidentschaftswahl in Venezuela begonnen. Die Wahllokale sind bis 18 Uhr Ortszeit geöffnet.
Wenige Stunden vor der Öffnung der Wahllokale in Venezuela haben sich Präsident Hugo Chávez und der Leiter der Beobachtermission der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), Carlos Álvarez, am Samstag abend (Ortszeit) im Regierungspalast Miraflores den Fragen der internationalen Presse gestellt. Dabei zog Álvarez eine positive Bilanz seiner bisherigen Tätigkeit. Die Beobachter seien neutral, da ja auch die UNASUR ein pluraler Staatenbund sei. Man habe sich mit Oppositionsvertretern ebenso getroffen wie mit der Regierung und dem Nationalen Wahlrat (CNE).
Für den Ablauf des Wahltages in Venezuela zeigte sich Álvarez »sehr optimistisch«. Das venezolanische Wahlsystem sei hinsichtlich seiner Transparenz und der Glaubwürdigkeit des Ablaufs ein Beispiel für viele andere Länder. Alle politischen Akteure forderte er auf, die Ergebnisse der Wahl anzuerkennen.
Präsident Chávez hob hervor, daß am Sonntag die Stunde der Demokratie sei und erinnerte an die Worte des früheren US-Präsidenten James Carter, wonach Venezuela das beste Wahlsystem der Welt habe. »Ich würde es so formulieren: Wir haben eines der besten Systeme der Welt«, zeigte sich der Staatschef diplomatisch zurückhaltend.
Auf die Frage einer kolumbianischen Journalistin unterstrich er Venezuelas Unterstützung für den im Nachbarland gerade beginnenden Friedensprozeß. Er erinnerte daran, daß er selbst in seiner Jugend kurz davor gewesen sei, sich der Guerilla anzuschließen und einer bewaffneten Bewegung angehört habe. Der Weg zum Frieden sei für Venezuela die verfassunggebende Versammlung gewesen, die er unmittelbar nach seinem Amtsantritt in die Wege geleitet hatte. Dabei zeigte er die Verfassung der Bolivarischen Republik vor, die dem Volk seine souveränen Rechte zurückgegeben habe.
Die Korrespondentin des US-Fernsehsenders CNN wollte wissen, wie der Staatschef die Gefahr von Unruhen in Venezuela einschätze, »wenn die Ergebnisse knapp sind, und vor allem, wenn sie für Sie ungünstig sind«. Chávez ließ diese Provokation abtropfen und unterstrich, daß – egal, wie das Resultat ausfallen wird und wie der Abstand zwischen den beiden wichtigen Kandidaten sein wird – der wichtigste Garant für den Frieden in Venezuela das venezolanische Volk sei.
Auf Fragen des deutschen ZDF und anderer Medienkonzerne, die wie selbstverständlich davon ausgingen, daß Chávez die Wahl verlieren wird, entgegegnete Chávez nur, daß er aufgrund des geltenden Wahlgesetzes darauf keine Antwort geben könne. Die einzige Prognose, zu der er sich hinreißen ließ, war, daß am Sonntag »die Bolivarische Republik Venezuela gewinnen wird«. Bei der Wahl stehe alles auf dem Spiel, unterstrich er und erinnerte daran, daß Venezuela bei seiner Amtsübernahme ein Land am Abgrund gewesen sei. Schuld daran seien die Rezepte des Internationalen Währungsfonds (IWF) gewesen, die nun auch den »Kollaps« Europas verursacht hätten. »Die Ereignisse in Europa schmerzen uns sehr«, unterstrich der Präsident und sprach auch die Korrespondentin der spanischen »La Vanguardia« auf die brutale Repression der Polizei gegen die Großdemonstrationen gegen den Sozialabbau in Spanien an.
Demgegenüber habe sich Lateinamerika fundamental verändert. Die linken Regierungen hätten den Kontinent vor der Amerikanischen Freihandelszone (ALCA) gerettet und mit der UNASUR und dem verstärkten Mercosur neue Strukturen geschaffen. Ob dieser Kurs fortgesetzt werde, entschieden am Sonntag die Venezolanerinnen und Venezolaner.
Ausdrücklich würdigte Chávez, daß die Opposition mittlerweile auf den Boden der Bolivarischen Verfassung, die sie zuerst radikal abgelehnt und sogar verbrannt habe, zurückgekehrt sei.
Eine Vertreterin des Fernsehsenders Russia Today fragte Chávez nach seiner Meinung, warum der Westen so viel Angst vor ihm habe. Dieser zog zunächst in Zweifel, ob das der Fall sei. Dann antwortete er, Venezuela werde von manchen Regierungen und den Medienkonzernen als »gefährliches Beispiel« angesehen. Dazu benannte er die zahlreichen Sozialprogramme seiner Regierung, die in radikalem Unterschied zum Sozialabbau manch anderer Regierung stehe. Zudem verfüge Venezuela über Öl – und alle venezolanischen Staatschefs, die versuchten, die Ausbeutung der venezolanischen Bodenschätze durch ausländische Konzerne zu beenden, seien gestürzt worden »von Cipriano Castro (Anfang des 20. Jahrhunderts) bis zu mir«, sagte er mit Blick auf den Putschversuch vom 11. April 2002. Die westlichen Mächte seien auf den Rohstoff angewiesen.
Chávez warnte seine Gegner und die oppositionellen Medien zudem davor, vor der Bekanntgabe der offiziellen Zahlen durch den CNE irgendwelche eigenen Prognosen zu verbreiten. Dann sei er als Staatschef gezwungen, dagegen drastische Maßnahmen zu ergreifen, warnte er.
Mehr als 10.000 Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt haben sich beim Nationalen Wahlrat (CNE), der obersten Wahlbehörde Venezuelas, für die Abstimmung am Sonntag akkreditieren lassen. Neben internationalen Medien wie CNN, TeleSur und internationale Nachrichtenagenturen steht auch die junge Welt auf der Liste der Pressevertreter – als eine von ganz wenigen deutschen Medien.
Um den Journalisten die Berichterstattung über die Wahlen zu erleichtern, hat der CNE ein Pressezentrum mit 120 Plätzen und Ruhebereichen eingerichtet. Zudem stehen 15 Computer mit Internetzugang und kostenlosem Telefonanschluß zur Verfügung.
Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela in Berlin
Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) beobachtet den korrekten Verlauf der Wahlen am Sonntag in Venezuela. Der Leiter der internationalen Delegation, der Argentinier Carlos Alvarez, hat der Präsidentin des Nationalen Wahlrates (CNE), Tibisay Lucena, die Liste mit den Namen der Beobachter der Abstimmung vom 7. Oktober übergeben.
Der CNE ist die von der Verfassung garantierte und für alle Wahlvorgänge zuständige Institution, die auch die Abstimmung vom Sonntag zu organisieren und zu überwachen hat.
Die Wahlbeobachtergruppe der UNASUR setzt sich aus Beamten und Technikern von Wahlbehörden aus den UNASUR-Mitgliedsländern zusammen. Bereits am 23. Januar war die Entsendung der Wahlbeobachter durch die Staatengemeinschaft bei einem Gipfeltreffen in Asunción, Paraguay, beschlossen worden. Die Gruppe ist strikt neutral und soll die formale Qualität des Wahlaktes überwachen.
Am Freitag abend, nach dem großen Konzert in »PDVSA La Estancia« (siehe Bericht hier), wollte keiner der Musiker nach Hause gehen, und auch die jW-Korrespondenten wurden eingeladen, noch in eine Bar mitzukommen. Unser Einwand, daß wegen der Sicherheitsbestimmungen vor der Öffnung der Wahllokale doch alle Kneipen geschlossen wäre, wurde mit einem wissenden Lächeln beantwortet.
Der Weg zum Treffpunkt war dann jedoch auch für die Wissenden nicht einfach. Auch die Mitglieder der Gruppe »Dame Pa' Matala«, die zuvor auf der Bühne Hunderten Jugendlichen eingeheizt hatten, mußten sich über Telefon zum Zielort lotsen lassen. Von der Straßenseite aus wies nichts darauf hin, daß sich in dem unscheinbaren Gebäude eine Kneipe, die »Puto Bar«, befinden könnte. Doch vor dem Eingang zu dem mehrstöckigen Wohnhaus wartete bereits einer der Wirte. Durch einen langen Gang im Erdgeschoß, der eher an einen Schulkorridor als an den Eingang einer Bar erinnerte, wurde unsere kleine Gruppe durch den Hintereingang in die Kneipe geschleust. Eindringlich wurden wir gebeten, leise zu sein. Kurz öffnete sich die Tür, um schnell wieder verschlossen zu werden. Uns schlugen Salsamusik und der süßliche Geruch von Räucherstäbchen entgegen. Wir befanden uns in einer kleinen Einraumkneipe, die mit einigen Graffitis an den Wänden ihre politische Orientierung klar zum Ausdruck bringt: »Chavéz ist einer von uns«. Der Präsident prangt auf einem Bild als gepiercter Punk mit Irokesenschnitt an einer Tür.
Seit Freitag herrscht in ganz Venezuela Alkoholverbot, doch uns wurden hier Cuba Libre, Wodka, Rum oder Bier angeboten. Beim ausgelassenen Kickerspiel »Veneuela gegen Deutschland«, das zwei Bandmitglieder mit den jW-Korrespondenten austragen, gewinnt Venezuela mit 10:9 Toren. Nachzügler wurden in kleinen Gruppen möglichst unauffällig in die Bar gelotst. »Wir wollen nicht, daß die Polizei auf uns aufmerksam wird«, erklärte die junge Frau mit den kurzen Haaren, die hinter der Bar den Laden schmiß.
Seit Freitag morgen, 48 Stunden vor Öffnung der Wahllokale, herrschen in Venezuela erhöhte Sicherheitsbestimmungen, um eine Destabilisierung der Lage bis zum Wahltag zu verhindern. In allen Geschäften ist der Verkauf von alkoholischen Getränken verboten, Bars sind geschlossen und auch kulturelle Großveranstaltungen dürfen eigentlich nicht stattfinden.
Doch die Jugend der Hauptstadt Caracas findet Wege, sich darüber hinwegzusetzen – und „klammheimlich" hilft ihnen der Staat dabei. Ohne öffentliche Werbung, nur durch Mund-zu-Mund-Propaganda informiert, fanden sich am Freitag abend in „PDVSA La Estancia" Hunderte Jugendliche zu einem Open-Air-Konzert zusammen, bei dem fünf Bands ihre gemeinsame Tournee „Aire Libre" abschlossen. Die Polizei beschränkte sich darauf, die Besucher zu kontrollieren und zu verhindern, daß Getränkeflaschen oder Feuerzeuge mit auf das Gelände geschmuggelt wurden. Zu den bekanntesten Gruppen auf der großen Bühne mit ausgefeilter Videoshow im Hintergrund gehörten die jW-Lesern zum Beispiel von der diesjährigen „Fiesta de Solidaridad" im Juli in Berlin bekannten Jungs von „Dame Pa' Matala". Hier hatten sie ein Heimspiel: die Besucher sangen die Lieder lauthals mit und bejubelten die Statements von Pedro Blanco und Willian Alvarado, die knapp an verbotenen Wahlkampfstatements vorbeischrammten : „In Venezuela herrscht kein Krieg! Laßt euch nicht aufhetzen! Wir sind ein Erdölland, aber wir sind ein Land, in dem Frieden herrscht!" Ihre programmatische Hymne „Canto por la Paz" (Lied für den Frieden) wurde begeistert aufgenommen, ebenso wie der Aufruf, am Sonntag wählen zu gehen. Dabei ließen die Bandmitglieder keinen Zweifel daran, welchem Kandidaten ihre Präferenz gilt: „Ich darf den Namen nicht sagen, aber Ihr wißt schon, wen ich meine!"
„PDVSA La Estancia" ist ein ausgedehntes Parkgelände mitten im Oberschichtviertel Altamira. Während draußen der Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski von den Wahlplakaten lächelt, finden drinnen Ausstellungen, Workshops und eben Konzerte statt. Auch die Zukunft dieses Kulturzentrums, das aus den Einnahmen des staatlichen Erdölkonzerns finanziert wird und dessen Veranstaltungen deshalb praktisch immer bei freiem Eintritt stattfinden, steht am Sonntag auf dem Spiel. Bis etwa 2003, als Venezuelas Regierung der Opposition die Kontrolle über den Ölkonzern entreißen konnte, war das Gelände für die normale venezolanische Bevölkerung kaum zugänglich. Hier gaben sich die Herrschaften der „oberen Zehntausend" ein Stelldichein, die sich etwas besseres als die armen Schlucker dünkten. Der inzwischen in „La Estancia" eingezogene Trubel ist ihnen bis heute suspekt. Chávez-Plakate sieht man hier kaum in den Fenstern, im Gegensatz etwa zum Zentrum der venezolanischen Hauptstadt. Mißtrauisch beäugte so mancher Bewohner aus den umliegenden Hochhäusern das lautstarke Treiben im Park, so daß Willian Alvarado eines seiner Lieder „besonders unseren zuschauenden Nachbarn" widmete.
An der Jahreswende 2002/2003 hatte das damalige Management des Ölgiganten PDVSA versucht, durch ein Stoppen der Erdölförderung die Regierung von Hugo Chávez ökonomisch zu erdrosseln. Das scheiterte an der breiten Mobilisierung der Bevölkerung und des Militärs, die gemeinsam die Raffinerien beschützten. Einfache Arbeiter und auch bereits Pensionierte ignorierten die Streikaufrufe ihrer Chefs und hielten den Betrieb aufrecht. Hinzu kam die internationale Solidarität etwa Brasiliens, das Lieferverpflichtungen Venezuelas übernahm, um Caracas dadurch Vertragsstrafen zu ersparen. Nach dem Scheitern dieser Sabotage, die als „Ölputsch" in die venezolanische Geschichte eingegangen ist, hatte die Regierung die arbeitsrechtliche Handhabe, die obersten Manager zu feuern. So konnte der riesige Wasserkopf des Konzerns in Caracas abgebaut werden. Die freiwerdenden Verwaltungsgebäude wurden neuen Zwecken zugeführt. Während das Management in das Gebäude des Erdölministeriums zog, wurde die bisherige Konzernzentrale zum zenralen Sitz der Bolivarischen Universität, die seither Venezolanern aus den ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zu einem Hochschulstudium ermöglicht. Das alles will die Opposition zurückdrehen, wie sie kaum verklausuliert in ihrem Wahlprogramm ankündigt.
Im Gespräch mit junge Welt zeigte sich Willian Alvarado deshalb besorgt über die Entwicklungen am Sonntag: „An eine so angespannte Stimmung kann ich mich nicht erinnern." Selbst 2002/2003 sei die Atmosphäre anders gewesen: „Damals waren wir alle eher überrascht über das, was in unserem Land passiert. Jetzt aber schüren einige Elemente offen den Haß." So bekomme er seit Wochen per E-Mail und über Twitter Morddrohungen: „Wir wissen, wo du wohnst!" Das sei in den vergangenen Jahren nie passiert.
Trotzdem zeigt sich Alvarado optimistisch, daß Venezuela ein friedliches Land bleibt. Er geht fest von einem Wahlerfolg des amtierenden Staatschefs aus und will – ebenso wie seine Bandkollegen – das seinige zu diesem Ergebnis beitragen. Am Samstag nehmen alle die mehrere Hundert Kilometer lange Fahrt in ihre Heimatorte auf sich, um am Sonntag wählen zu können. Briefwahl gibt es in Venezuela nicht. „Niemand darf am 7. Oktober zu Hause bleiben!" riefen sie am Freitag auch den Konzertbesuchern zu.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag endete in Venezuela offiziell der Wahlkampf. Seither sind Wahlkampfaktivitäten – Kundgebungen, Wahlveranstaltungen, Infostände – untersagt. Doch die Regierungsgegner setzen ihre Kampagne fort – per Spam.
Erst am Mittwoch haben sich die jW-Korrespondenten in Caracas eine neue Handynummer zugelegt, um in der venezolanischen Hauptstadt erreichbar zu sein. Am Freitag morgen dann erreichte uns eine SMS, die von einer venezolanischen Nummer aus geschickt wurde. Die Nummer war uns unbekannt – kein Wunder, denn der Absender lud uns ein, die Rechtspartei »Un Nuevo Tiempo« (Eine Neue Zeit) zu wählen: »Wähle sicher, wähle Henrique Capriles auf der Liste von Un Nuevo Tiempo – unten rechts auf dem Stimmzettel«.
Die jW-Korrespondenten, die natürlich gar nicht wahlberechtigt sind, haben ihre Nummer nirgendwo registriert. Trotzdem erreichte uns diese Nachricht. Und wir sind nicht die einzigen. Venezolanische Studenten, die zum Beispiel in Deutschland eine Universität besuchen, wurden bereits vor Wochen auf diese Art und Weise behelligt.
Offensichtlich stellen Kräfte in den venezolanischen Mobilfunkunternehmen den Regierungsgegnern ihre Infrastruktur für die Propaganda zur Verfügung, vermutet Carlos Aquino, Organisationssekretär der KP Venezuelas, im Gespräch mit junge Welt.
Auf andere Weise machen Oppositionelle zudem Stimmung gegen die Regierung. Mitten in der Nacht, gerne gegen 2 Uhr, werden Wahlberechtigte von mexikanischen und anderen ausländischen Nummern angerufen. Sie hören eine Stimme, die an die von Präsident Chávez erinnert und sie aufruft, am Sonntag für den Amtsinhaber zu stimmen. Die Rechnung hinter diesen Anrufen ist offensichtlich, daß die so Belästigten aus Empörung gerade der Opposition ihre Stimme geben. Aus dem Regierungslager stammen diese Anrufe jedenfalls nicht, wie das »Comando Carabobo«, der Wahlkampfstab von Hugo Chávez betont.
Hunderttausende Menschen – vielleicht auch mehrere Millionen – haben am heutigen Donnerstag im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas ihre Unterstützung für Hugo Chávez vor den Präsidentschaftswahlen am Sonntag demonstriert. Sieben große Hauptverkehrsstraßen – vor allem die Avenida Bolívar – waren mit den zumeist rotgekleideten Anhängern des Amtsinhabers gefüllt. Es herrschte ausgelassene Volksfeststimmung, und zahllose fliegende Händler nutzten den Massenandrang, um kalte Getränke und Essen an den Mann und die Frau zu bringen. Von zahlreichen Bühnen riefen Redner die Teilnehmer auf, am Sonntag auch tatsächlich zur Wahl zu gehen, während anderswo Musik- und Tanzgruppen den Demonstranten einheizten.
Als nach Stunden strömender Regen einsetzte, ließen sich die Teilnehmer nicht vom Feiern abhalten und harrten aus, um auf ihren Präsidenten zu warten. Der ließ es sich nicht nehmen, selbst bis auf die Knochen durchnäßt zu werden und stellte sich auf der nicht überdachten Bühne seinen Anhängern. Er rief sie auf, bis zum Wahltag nicht nachzulassen, denn auf dem Spiel stehe »das Leben Venezuelas«. Er zeigte sich sicher, daß er auch nach dem Wahltag im Amt bleiben werde: »Meine nächste Regierung beginnt am 8. Oktober!«
Chávez erinnerte daran, daß in Venezuela unter den früheren Regierungen Hunger und Armut geherrscht habe. »Heute gibt es keinen Hunger mehr in Venezuela! Dank der Revolution ernährt sich das ganze Volk in würdevoller Weise!« Ziel müsse nun sein, die Armut in den kommenden sechs Jahren auf Null zu redzieren: »Keine einzige Familie bleibt in Venezuela ohne würdige Unterkunft. In sechs Jahren müssen wir weltweit an erster Stelle bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Lebensmittelversorgung und Arbeit stehen!« Es dürfe in Venezuela keinen einzigen Arbeitslosen mehr geben. Chávez rief seine Anhänger auf, früh zur Wahl zu gehen, damit »der Sieg von Chávez schon zur Mittagszeit unbestreitbar ist«.
Die Kundgebung war der Höhepunkt einer ganze Reihe ähnlicher Großkundgebungen, die Chávez in anderen Bundesstaaten des südamerikanischen Landes durchgeführt hatte. Auch in Städten wie Valencia oder Maracay waren Hunderttausende zu den Veranstaltungen geströmt.