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Aus: Ausgabe vom 22.06.2024, Seite 4 / Inland
Innenministerkonferenz

Die Richtung vorgegeben

Bund und Länder einig bei Abschiebung von »Gefährdern«. Differenzen bei »Drittstaatenregelung«
Von Kristian Stemmler
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Proteste gegen verschärfte Asylgesetze während der Innenministerkonferenz (Potsdam, 20.6.2024)

Nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin ging es auch bei der am Freitag in Potsdam beendeten Innenministerkonferenz (IMK) vor allem um eines: so viele Geflüchtete wie möglich wieder loszuwerden oder gar nicht erst ins Land zu lassen. Offenbar mit Blick auf drohende AfD-Triumphe bei den Landtagswahlen im Osten formulierte es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zum Abschluss der IMK so: »Wir haben alle das gleiche Interesse an einer Reduzierung der irregulären Migration in Deutschland.«

Bei der IMK seien sich alle darüber einig gewesen, »dass wir schnellstmöglich Straftäter und Gefährder nach Afghanistan und Syrien abschieben wollen«, bekundete Faeser. Für sie stünden »deutsche Sicherheitsinteressen ganz klar an erster Stelle«. Der »Schlüssel zur Begrenzung der irregulären Migration« sei indes die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese habe »höchste Priorität« und an der Umsetzung in Deutschland werde »intensiv« gearbeitet.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) rechnet laut dpa bereits in wenigen Wochen mit den ersten Abschiebungen nach Afghanistan. Die Länder seien alle aufgefordert worden, Fälle von afghanischen Straftätern und Gefährdern zu benennen, die vollziehbar ausreisepflichtig seien, erklärte er. An diesen Fällen werde jetzt konkret gearbeitet. Bei der Pressekonferenz erklärte Grote, die Bevölkerung habe hohe Erwartungen, was die »Steuerung und Begrenzung der Migration« angehe. »Die Zugangszahlen gehen runter, die Rückführungszahlen gehen hoch, die Richtung stimmt«, konstatierte der Senator.

Faeser sprach sich auch für die Abwicklung von Asylverfahren in Ländern außerhalb der EU (»Drittstaaten«) aus. Dies sei aber »nur ein Baustein« und werde »nicht die Veränderung schlechthin« bringen. Bereits bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag war die »Drittstaatenregelung« Thema gewesen. Scholz kündigte nach dem Treffen an, die Bundesregierung wolle die Machbarkeit prüfen und bis zum Dezember Ergebnisse vorlegen.

Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) wertete den Beschluss dennoch als »Meilenstein« auf dem Weg zu einem praktikablen Modell. Die SPD-Länder zeigten sich dagegen wie Scholz skeptisch, dass man mit einer »Drittstaatenregelung« die »irreguläre Einwanderung« deutlich bremsen könne. Die »rot-rot-grünen« Regierungen Thüringens und Bremens distanzierten sich in einer Protokollerklärung sogar deutlich. Bayern und Sachsen (beide unionsregiert) gingen dagegen die Beschlüsse nicht weit genug. BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sah das offenbar ähnlich. »Das war kein Doppelwumms, sondern eine Doppelnull von Scholz und den Länderchefs«, erklärte sie am Freitag in Anspielung auf einen früheren Ausspruch des Bundeskanzlers. Für die Bürger sei Migration eines der drängendsten Probleme, die Beteiligten hätten sich aber nur auf Vages verständigt.

Neben der Migration gab es bei der IMK noch weitere Themen, darunter die Eindämmung von Gewalt gegen Frauen. Faeser erklärte, die Minister seien sich einig gewesen, dass die betreffenden Gewalttäter verpflichtet würden, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Grote übte Kritik an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Die Innenminister verfolgten dessen Agieren »mit zunehmender Sorge«. Buschmann verweigere sich Gesetzesvorhaben, die Behörden stärken sollten. Kritik am Justizminister kam auch von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen. Der als Hardliner auftretende CDU-Politiker warf Buschmann vor, »geradezu tatenlos« zu sein, wenn es darum geht, härtere Strafen für Angriffe auf Politiker umzusetzen.

Einigkeit herrschte bei der Frage, zusätzliche Regelungen zur Ausweitung von sogenannten Waffenverbotszonen zu prüfen. Konkret geht es darum, anlasslose Polizeikontrollen zu ermöglichen, denn »erst wenn anlasslose Kontrollen möglich sind, entfalten Waffenverbotszonen auch die erwünschte breite präventive Wirkung«, prophezeite Sachen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (23. Juni 2024 um 07:28 Uhr)
    Die Erfahrungen am Ende der DDR zeigten nachdrücklich, dass es unmöglich ist, politisch zu lösende Probleme durch reine Administration loszuwerden. Das Problem der Migration entsteht fast ausschließlich durch Kriege, Konflikte und wirtschaftliche Ungleichheiten. Mithin durch die Ergebnisse von Politik. Bereits vor über 60 Jahren formulierte der Club of Rome die These, dass keine Mauer der Welt hoch genug sein würde, um die im Ergebnis verfehlter politischer Entscheidungen entstehende Flucht der Menschen vor sie bedrohendem Elend aufzuhalten. Die »klugen« Lösungen des Westens indes bestanden und bestehen seitdem vor allem darin, die Probleme weiter köcheln zu lassen, neue Konflikte anzuheizen und ab und zu neue Ziegelsteinchen an Grenzen stapeln zu wollen. Der große Krach des Zusammenbruchs von 1989/90: Im Westen hat man damals einfach »vergessen«, nach Lehren zu schauen, die einen einst auch selbst betreffen könnten.

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