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Aus: Ausgabe vom 26.07.2024, Seite 6 / Ausland
Ukraine-Krieg

Russland bleibt kühl

Kreml hält an Kriegszielen gegenüber Ukraine fest. Weitere Geländeverluste Kiews im Osten
Von Reinhard Lauterbach
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Aufgeräumtes Ambiente: Beratungen zur Entwicklung des Donbass im Moskauer Kreml (24.7.2024)

Russland hat nach den ukrainischen Erklärungen über Kiews Interesse an Verhandlungen skeptisch reagiert. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sagte, mit Wolodimir Selenskij gebe es nichts zu verhandeln, weil seine Amtszeit abgelaufen sei. Die Ukraine sei offenkundig in Schwierigkeiten und versuche sie mit chinesischer Hilfe zu überwinden. Moskau halte an seinen Kriegszielen fest und werde sie erreichen, ob auf militärischem oder diplomatischem Wege: also die Abtretung der vier im Herbst 2022 an Russland angegliederten ukrainischen Verwaltungsbezirke Lugansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sowie den Verzicht auf den Beitritt zur NATO. Die Ukraine lehnt dauerhafte Gebietsabtretungen an Russland ab. Präsident Selenskij hatte zuletzt nur angedeutet, dass vielleicht nicht alle Gebiete sofort zurückgewonnen werden könnten. China hat sich für einen Waffenstillstand entlang der gegenwärtigen Frontlinie ausgesprochen.

Dass die militärische Lage für das angegriffene Land schlecht ist, hat auch ihr Oberkommandierender Olexander Sirskij eingeräumt. Er sagte dem britischen Guardian zwar, er »wisse, wie die Ukraine siegen könnte«, räumte aber die deutliche Überlegenheit der russischen Armee auf dem Schlachtfeld ein. Sein Land habe die Streitkräfte von anfänglich 100.000 Mann auf jetzt 500.000 erhöht, und er rechne bis zum Jahresende mit einer weiteren Verstärkung auf knapp 700.000 Mann. Bei Artillerie und Panzern liege das russische Übergewicht zwischen drei beziehungsweise sechs zu eins. Noch aufschlussreicher ist seine Ankündigung, die erwarteten westlichen Kampfjets vom Typ F-16 würden, wenn sie in der Ukraine eingetroffen seien, nicht näher als 40 Kilometer an die Front heranfliegen können, um das Abschussrisiko zu minimieren. Die Mobilisierung neuer Soldaten auf ukrainischer Seite läuft weiter schleppend. Aus dem west­ukrainischen Ternopil meldeten lokale Medien unter Berufung auf die Polizei, dass die Mitarbeiter der regionalen Wehrersatzbehörde monatlich bis zu 150.000 US-Dollar an Schmiergeld für Gefälligkeitsbescheinigungen aller Art einnähmen.

An der Front im Donbass sind die ukrainischen Truppen offenbar gezwungen, sich fast im Tagesrhythmus zurückzuziehen. Russland erobert, wie auch ukrainische Quellen mit jeweils mehrtägiger Verspätung einräumen, vor allem östlich der Stadt Pokrowsk ein Dorf nach dem anderen. Immer öfter geraten ukrainische Verbände in Gefahr, eingekesselt zu werden. Manche Bataillone haben nach Schilderungen ihrer Soldaten noch 20 bis 30 kampffähige Männer, Kompanien oft weniger als zehn. Trotzdem verweigerten die Brigadekommandeure die Erlaubnis zum lokalen Rückzug, was die Verluste erhöhe. Die russische Seite hat ihren Soldaten offenbar verboten, private Kommunikationsgeräte zu nutzen, um zu verhindern, dass ungeschminkte Berichte von der Lage an die Öffentlichkeit gelangen können.

Parallel zu den Bodenkämpfen beschießen sich beide Seiten gegenseitig mit Drohnen und Raketen. Auf russischer Seite gab es Einschläge und Zerstörungen in Belgorod, auf ukrainischer Seite im Donauhafen Ismail – mehrere Geschosse landeten offenbar auf der rumänischen Seite des Flusses, richteten aber keinen Schaden an.

Unterdessen ist eine Woche nach dem Mord an der radikalen ukrainischen Nationalistin Irina Farion in Lwiw ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Wie vermutet, bekannte sich im Internet ein »autonomer Rassist« aus dem Umkreis der »Asow«-Brigade zu dem Anschlag. Er habe Farion »liquidiert«, weil sie mit ihren Beleidigungen russischsprachiger Soldaten die innere Einheit der Ukraine gefährdet habe. Ob das Posting authentisch ist, blieb unklar. Offiziell macht die Ukraine Russland für die Tat verantwortlich. Hinter dem Mord steht mutmaßlich die Konkurrenz zweier faschistischer Strömungen in der ukrainischen Rechten: den an historische Vorbilder wie Stepan Bandera anknüpfenden ukrainischen Ethnonationalisten, zu denen Farion gehörte, und den an der »White Supremacy«-Ideologie orientierten »Asow«-Leuten.

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  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (26. Juli 2024 um 06:32 Uhr)
    »Die russische Seite hat ihren Soldaten offenbar verboten, private Kommunikationsgeräte zu nutzen, um zu verhindern, dass ungeschminkte Berichte von der Lage an die Öffentlichkeit gelangen können.« Möchte R. Lauterbach, dass sich das ändert? Hoffentlich nicht. Am 1.1.2023 00.00 Uhr (Silvester) hatten frisch an der Front eingesetzte russische Soldaten ihren Angehörigen in Russland zum neuen Jahr gratuliert. Die privaten Kommunikationsgeräte dieser Einheit wurden von der Ukraine geortet und alle auf der Stelle mit Artillerie erschossen.

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