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Aus: Ausgabe vom 08.08.2024, Seite 4 / Inland
Palästina-Aktivismus

Übergriff nach Polizeimanier

Leipzig: Selbsterklärte Vorkämpfer gegen Antisemitismus attackieren jüdische Studenten
Von Yaro Allisat
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Palästinasolidarisches Camp auf der Lenné-Anlage unweit der Unimensa und des Gewandhauses zu Leipzig (10.6.2024)

Am Dienstag sind in Leipzig palästina-solidarische Aktivisten angegriffen worden, die sich bei einer Veranstaltung der »Punks against Antisemitism« im alternativen Konzert- und Veranstaltungsort Atari kritisch geäußert haben. Auf Instagram postete die Studierendengruppe Palestine Campus Leipzig ein Video von dem Übergriff. Die Betroffenen berichteten gegenüber junge Welt von leichten Verletzungen. Der Polizei war der Vorfall auf jW-Anfrage unbekannt. Für den Mittwoch abend war eine Kundgebung vor dem Atari angekündigt, um Solidarität mit den Betroffenen zu demonstrieren.

Zwei Mitglieder der Leipziger Gruppe Jüdisch-Israelischer Dissens (JID) und ein Mitglied der Students for Palestine Leipzig berichteten, man habe bei dem Vortrag zum Thema »sexualisierte Gewalt« unter dem Motto »Is Palestine a feminist issue?« von Cordula Trunk, Promovendin an der Universität Leipzig, kritische Nachfragen stellen wollen. JID ist ein Zusammenschluss von in Leipzig lebenden jüdischen Israelis, die die Unterdrückung der Palästinenser in ihrem Heimatland ablehnen.

»Meine Freundin stellte den Vortrag in Frage«, so ein Aktivist von JID. »Und dann kam eine Deutsche und sagte uns, wir sollten still sein, also wandte ich mich an sie und sagte ihr, dass hier einige Lügen darüber verbreitet werden, woher ich komme, und dass es für mich wichtig ist, an der Diskussion teilzunehmen. (…) Als meine Freundin zum zweiten Mal das Wort ergriff, um eine Frage zu stellen, die den Diskurs in Frage stellt, wurden wir am Arm und am Hemd gepackt und auf die Straße geworfen.« Mehrere Männer hätten eine Person anschließend auf den Boden gedrückt, »einer setzte sich sogar auf meine Freundin – wie Polizisten das sonst machen«. Auf dem bei Instagram verbreiteten Video ist zu sehen, dass einer der Angreifer ein T-Shirt mit der Aufschrift »fight against all and any kind of antisemitism« trägt. Eine weitere Person berichtet, von hinten mit einem Würgegriff zu Boden gebracht worden zu sein, sowie von weiteren verbalen und körperlichen Angriffen. Mehrere Menschen seien den Attackierten schließlich zu Hilfe gekommen.

Von den Aktivisten heißt es, man habe »zeigen wollen, dass Feminismus und der Kampf gegen Antisemitismus hier als Fassade genutzt werden, um den Genozid und die Angriffe Israels gegen Palästinenser zu rechtfertigen«. Den »Vortrag hatte sie (Cordula Trunk, jW) schon einmal vor einigen Monaten gehalten«, so ein JID-Mitglied. »Die Punkte, die sie nennt, sind bereits offiziell widerlegt, was sie jedoch nicht dazu gebracht hat, sie zu ändern.«

»Schon auf dem Plakat der Veranstaltung wurde deutlich, dass es sich nicht um eine Veranstaltung über echten Antisemitismus handelte«, so eine der Aktivistinnen. »Es zeigte eine Faust, die auf eine ausgestopfte Krakenpuppe einschlug – in bezug auf die Puppe, die Greta Thunberg auf ihrem Foto hatte, als sie zum ersten Mal ihre Solidarität mit Palästina bekundete, eine Puppe, von der sie erklärte, dass sie ihr im Umgang mit ihrem Autismus hilft – als ob diese ausgestopfte Krakenpuppe der Antisemitismus wäre, mit dem wir als jüdische Menschen konfrontiert sind.« Eine Anfrage an Cordula Trunk zu dem Vorfall blieb bis jW-Redaktionsschluss unbeantwortet.

In der sächsischen Stadt kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Aktionen propalästinensischer Gruppen, unter anderem auch bei Wahlkampfveranstaltungen von SPD und Linkspartei. Am 1. September finden in Sachsen Landtagswahlen statt. Zudem gab es dort bereits mehrere prozionistische Übergriffe: Unter anderem wurde die Fassade eines linken Hausprojekts beschmiert, in dem die Gruppe Handala (benannt nach der berühmten Figur des palästinensischen Cartoonisten Nadschi al-Ali) eine Veranstaltung abhielt, sowie ein migrantisches Hausprojekt angegriffen, in dem propalästinensische Gruppen ein- und ausgehen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Verena B. aus Berlin (8. August 2024 um 13:05 Uhr)
    Erstaunliche Frage. Palästina war natürlich schon immer ein feministisches Thema, ebenso wie Kurdistan, Westsahara und so viele andere. Und palästinensische Feministinnen gab es schon immer. Aber die feministische Stimme, die auch hier weltweite gesellschaftliche Zusammenhänge in ihrem vollen Umfang offen legt, ist schwach geworden. In ihrem Gastbeitrag »Palestine is the Issue« (https://therealdykemarch.substack.com/p/distanzierung-vom-vorfall-in-der) greifen Susanne und Sofía derartige Ideen wieder auf, fügen aktuelle Beispiele an und verweisen auf mehrere palästinensische Autorinnen und Kämpferinnen. An vorderster Stelle zitiere ich: »Palestinian Women and Territorial Sovereignty« von Khitam Saafin. (https://capiremov.org/en/analysis/palestinian-women-and-territorial-sovereignty/) Khitam Saafin, Kader der »Union of Palestinian Women’s Committees« (UPWC) und Mitfrau des »World March of Women«, ist mittlerweile aus Administrativhaft freigekommen. Die feministische Bewegung gemeinsam mit den Gefangenenhilfsorganisationen kämpfte für ihre Freiheit, auf change.org gab es übrigens auch eine Petition. Susanne und Sofía zitieren auch: Lina Nabulsy, »Westbank. Interviews with Radical Palestinian Women«, Shoal Collective 2021. Mir scheint es wichtig, über die tatsächliche Vielfalt des palästinensischen Widerstands auch hier wieder aufzuklären.

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