Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 27.09.2024, Seite 5 / Inland
Hochwasserschutz

Höhere Flutgefahr durch Ausbau der Oder

Polder befördern Fischesterben. Wissenschaftler bilanzieren Flussverengungen und Hochwasserschutz
Von Wolfgang Pomrehn
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Bootsfahrt auf dem Buschmühlenweg am Donnerstag in Frankfurt (Oder)

An der Oder schiebt sich die Hochwasserwelle langsam flussabwärts. In Frankfurt (Oder) kletterte der Pegelstand am Donnerstag auf mehr als sechs Meter, womit er rund vier Meter über dem durchschnittlichen Wasserstand lag. Flussaufwärts in Polen sank der Pegel wieder. Auch in Eisenhüttenstadt, südlich von Frankfurt, war der Höhepunkt der Flutwelle Donnerstagmittag erreicht. Bis die Welle Szczecin und schließlich die Ostsee erreicht, wird es allerdings noch einige Tage dauern, und auch weiter flussaufwärts in Brandenburg blieben Feuerwehren und Katastrophenschutz zunächst bloß in Alarmbereitschaft. Die Pegelstände sind dort noch lange nicht auf dem Normalstand zurück, und der langanhaltende Wasserdruck könnte Deiche aufweichen.

Flussabwärts bereitete man sich darauf vor, Polder zu fluten. Diese eingedeichten Flächen, die bei Hochwasser gezielt geflutet werden können, wurden in den vergangenen Jahren vermehrt als Hochwasserschutz eingerichtet. Kommt eine Hochwasserwelle am Polder an, wird ein Teil des Wassers durch das Öffnen von Schleusentoren abgeleitet. Flussabwärts fallen dadurch die Höchststände niedriger aus. Der Flutwelle wird sozusagen die Spitze genommen und das Wasser erst abgelassen, wenn sich die Wasserstände wieder normalisiert haben.

Der Nachteil: Anders als in natürlichen Auen, in denen sich die Ökosysteme auf periodische Überschwemmungen eingestellt haben, und wo das Wasser trotzdem weiter im Fluss ist, steht es in Poldern eine Weile still. Das kann am Boden zu Fäulnisprozessen führen, die dem Wasser den Sauerstoff entziehen. Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin erinnerte am Mittwoch in diesem Zusammenhang an ein großes Fischsterben in der Havel, das 2002 infolge des Ablassens der Polder nach dem seinerzeitigen Elbhochwasser ausgelöst wurde. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete damals von rund zehn Millionen toten Fischen und nannte als Ursache Pestizide, die vom Wasser in den Poldern aus den landwirtschaftlich genutzten Böden aufgenommen worden seien.

Ein anderes Problem ist die Einengung der Flüsse. Wolter wies darauf hin, dass in den hiesigen Breiten die großen Ströme ursprünglich mehrere Betten hatten, in denen sie sich verzweigten. Durch die meist im 19. Jahrhundert durchgeführten Begradigungen flössen sie heute oft, wie zum Beispiel die Oder, etwa 20 Prozent schneller als im ursprünglichen Zustand. Das vermindert bei Hochwasser die Vorwarnzeit, und durch die Einengung laufen die Flutwellen höher auf. Der Oder sei durch Eindeichung und zum Beispiel der Trockenlegung des Oderbruchs östlich von Berlin viel Raum genommen worden, der seitdem bei Hochwasser fehle.

Doch nun soll der Querschnitt des Flussbetts durch den Ausbau und die Vertiefung noch weiter eingeengt werden. Dabei würde man bereits jetzt beobachten, dass sich extreme Durchflussmengen, wie sie aus der Geschichte bekannt sind, heute höher aufbauen. Die Bundesanstalt für Wasserbau habe fünf verschiedene Ausbauszenarien für die Oder durchgerechnet. In allen Varianten seien dabei höhere Hochwasserpegelstände herausgekommen, als sie derzeit zu erwarten sind. Entsprechend skeptisch ist der Gewässerökologe, was die bereits begonnenen Baumaßnahmen angeht. Den Preis würden womöglich die Menschen im Oderbruch bezahlen müssen, für die die Hochwassergefahren zunehmen.

Im Hinblick auf den Hochwasserschutz favorisiert Wolter wegen der schlechten Erfahrungen mit Poldern eher natürliche Varianten. Diese sollten zudem möglichst schon an den Oberläufen der Flüsse ansetzen, um die Anwohner an den Unterläufen zu entlasten. Bestehen könnte dieser natürliche Schutz unter anderem aus neuangelegten Auen, die bei Hochwasser automatisch überflutet und das Wasser länger in der Landschaft zurückhalten würden. Die Auwälder gehören zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas, weshalb derartiger Hochwasserschutz auch ein Gewinn für den Schutz der Artenvielfalt wäre, wie Wolters Kollegin Sonja Jähnig betonte.

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