Jetzt bist du dran!
Gegründet 1947 Dienstag, 22. Oktober 2024, Nr. 246
Die junge Welt wird von 2964 GenossInnen herausgegeben
Jetzt bist du dran! Jetzt bist du dran!
Jetzt bist du dran!
Aus: Ausgabe vom 22.10.2024, Seite 4 / Inland
»Brombeer«-Koalition in Thüringen

Streitpunkt Frieden

Koalitionsverhandlungen in Thüringen: Wagenknecht verlangt Distanzierung von CDU-Chef Merz wegen Ukraine-Politik. CDU weist Forderung zurück
Von Karim Natour
4.jpg
Wollen US-Raketen in Deutschland: Friedrich Merz (l.) und Mario Voigt beim Wahlkampf (Erfurt, 21.8.2024)

Nachdem die Spitzen von CDU, SPD und BSW am Wochenende den Weg für Koalitionsverhandlungen in Thüringen freigemacht haben, hat die Annäherung der Parteien für die Bildung einer möglichen »Brombeer«-Landesregierung einen Rückschlag erlitten. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht forderte am Sonntag eine Distanzierung der CDU in dem Freistaat von ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Nach der »entsetzlichen Rede von Friedrich Merz«, in der er »faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Russland gefordert« habe, könne man »mit seiner Partei nur in Koalitionen eintreten, wenn die Landesregierung sich von solchen Positionen klar abgrenzt«, sagte sie dem Spiegel.

Der CDU-Chef hatte am Mittwoch im Bundestag die Ampelregierung dazu aufgefordert, »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. In der am Abend ausgestrahlten ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« verteidigte Wagenknecht ihren Vorstoß. Den Eintritt in Verhandlungen habe sie nicht allein abgebremst, es handle sich auch um eine Entscheidung des Thüringer Landesverbands.

Dennoch gingen die Gespräche in Erfurt am Montag weiter, wie Vertreter der drei Parteien erklärten. Das BSW will vor der Aufnahme offizieller Koalitionsgespräche, dass sich die Parteien zu der zur Bedingung erhobenen Friedenspräambel für einen Koalitionsvertrag beraten. Darin sollen ein Bekenntnis für Frieden, diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sowie ein »Nein« zu der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland festgehalten werden. Diese Positionen würden im Osten von der großen Mehrheit der Menschen unterstützt, sagte Wagenknecht gegenüber dem Spiegel.

Am Freitag war ein gemeinsames Sondierungspapier der »Brombeer«-Parteien vorgestellt worden, auf dessen Grundlage die Verhandlungen in Thüringen stattfinden sollen. Am Sonnabend hatte die SPD als letzte der drei Parteien ihre Zustimmung zu dem Vorgehen erklärt. Steffen Schütz, Landesvorsitzender des BSW in Thüringen, zeigte sich am Montag zuversichtlich und erklärte, noch in dieser Woche könne womöglich eine Einigung erreicht werden – »wenn die Friedensformel in der Präambel klar und eindeutig ist«, sagte Schütz der dpa.

Die CDU in Thüringen wies Wagenknechts Forderung nach einer Distanzierung von ihrem Parteivorsitzenden entschieden zurück. »Friedrich Merz ist unser Kanzlerkandidat und auf dem richtigen Kurs für Deutschland«, schrieb der Landesverband am späten Sonntag abend beim Kurznachrichtendienst X. Wagenknechts Forderungen würden »immer abenteuerlicher«, heißt es in dem vom stellvertretenden CDU-Vorsitzende in Thüringen Christian Hirte gezeichneten Post. Auch CDU-Landes- und -Fraktionschef Mario Voigt verteidigte Merz. Bei X veröffentlichte er ein Foto, auf dem er neben ihm zu sehen ist, und schrieb dazu: »Eine Union.« Im Deutschlandfunk erklärte Voigt am Montag, eine Präambel gegen US-Waffen und Ukraine-Unterstützung vor Gesprächen lehne er ab. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, bezeichnete die Forderung nach einem »Nein« zur Raketenstationierung als »geradezu absurd«. Wagenknecht habe die Verhandlungen »torpediert«, erklärte er am Montag gegenüber den Sendern RTL und N-TV.

Auch der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch äußerte sich kritisch über das BSW. »Wir werden Politik nicht betreiben, indem man sich erpressen lässt«, sagte er der Main-Post und der Augsburger Allgemeinen (Montag). Er wünsche sich, dass in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Stabilität einkehre. Man könne aber »nicht auf Gedeih und Verderb« in eine Koalition gehen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Ein Brombeere ist auf Seite 19 der gedruckten Ergebnisse der Son...
    21.10.2024

    Manege frei für Brombeere

    Thüringen: SPD, CDU und BSW bereit zu Koalitionsverhandlungen. BSW fordert »Friedenspräambel«
  • Reinhard Simon (BSW) ist der Alterspräsident des Landtags von Br...
    18.10.2024

    Die Brombeere reift heran

    Nach Landtagswahlen im Osten: Gespräche zwischen CDU, SPD und BSW weit fortgeschritten
  • Der neue Parlamentspräsident mit seinen drei Stellvertretern (Er...
    30.09.2024

    Im zweiten Anlauf

    Thüringen: CDU-Kandidat nach Gerichtsentscheidung zum Landtagspräsidenten gewählt. Erneut Rufe nach AfD-Verbot