»Der Klassenkampf ist dafür zentral«
Interview: Hendrik Pachinger, NürnbergIn insgesamt 22 Vorträgen, Workshops und Panels hat sich Ihre Konferenz zum Monatsbeginn in Nürnberg mit der Frage nach Vergesellschaftung in Bayern befasst. Was hatten Sie sich mit der Veranstaltung vorgenommen?
Die Konferenz hatte die Absicht, die Teilnehmenden in die Grundlagen der Vergesellschaftungsthematik einzuführen sowie bereits bestehende politische Initiativen und Kampagnen vorzustellen. Für die Basics hatten wir Sabine Nuss eingeladen, die schon seit Jahren über Vergesellschaftung als linke Strategie schreibt. Georg Freiß von der Uni Regensburg ist ein ausgewiesener Experte zur Rechtsgeschichte der Vergesellschaftung, die ja mit Artikel 15 im Grundgesetz steht. Freiß’ Einführung war enorm lehrreich, weil die Forderungen nach Enteignung oder Vergesellschaftung von Konservativen immer als wahnsinnig radikal abgetan werden. Vincent Janz von Communia ist schon lange in der Vergesellschaftungsbewegung aktiv und hat in seiner Keynote-Rede den aktuellen Stand dargestellt.
Detaillierter ging es dann in den Workshops zu, die in die vier Grundbereiche natürliche Ressourcen, Sorgearbeit, Kultur und Theorie aufgeteilt waren. Da präsentierten viele Gruppen, aber auch Einzelpersonen ihre Aktivitäten. Das Spektrum war groß und ging vom für vergesellschaftete Landwirtschaft eintretenden Ackersyndikat über selbstverwaltete Kulturräume bis zur Umwidmung von Shoppingmalls in Care-Zentren.
Welche Bedeutung hatten Klassenkampf und die Arbeiterklasse?
Der Klassenkampf ist zentral für das Einfordern von Vergesellschaftung, weil es im Kern darum geht, die Produktionsmittel aus den Händen des Kapitals zu befreien. In den Workshops wurde neben den Kämpfen in den Pflegeberufen zum Beispiel auch die seit drei Jahren andauernde Besetzung des ehemaligen Autozulieferbetriebs GKN in der Nähe von Florenz vorgestellt. Dort gehen Arbeitskampf und Vergesellschaftung Hand in Hand.
Die Konferenz wurde von einem großen Bündnis auf die Beine gestellt. Was war Ihr gemeinsamer Nenner?
Unser Hauptziel ist es, Alternativen zur kapitalistischen Verwertungslogik mit den daraus entstehenden sozialen Härten und der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich aufzuzeigen. Das Thema Vergesellschaftung scheint gerade sehr anschlussfähig zu sein. Wir wurden bei den Anmeldungen regelrecht überrannt: In zwei Tagen war die Konferenz ausgebucht, auf der Warteliste standen dann auch noch mal 100 Personen. Das hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen.
Wieso ist die vernetzte Zusammenarbeit gerade jetzt so wichtig?
Zum einen gibt es sehr viel voneinander zu lernen. Die Erfahrungen aus lokalen Kämpfen sind wahnsinnig wertvoll, um andernorts Strategien aufzugreifen und weiterzuentwickeln. In der Vergesellschaftung steckt ein Potential, auch auf großer Ebene etwas zu verändern. Wir wollen ran an die Energie- und Wohnungskonzerne und diese zu Strukturen umbauen, die nicht mehr nach Marktregeln, sondern im Wohle der Allgemeinheit agieren. Dafür braucht es große Kampagnen und Überzeugungsarbeit außerhalb der eigenen Blase. »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« hat gezeigt, dass das möglich ist. Das ist ein wichtiges Hoffnungszeichen in Krisenzeiten.
Wie zufrieden sind Sie mit der Beteiligung?
Die vielen Anmeldungen und die Rückmeldungen nach der Veranstaltung waren sehr ermutigend! Wir werden nun sondieren, wie wir die weitere Zusammenarbeit gestalten können. Wir wünschen uns, bald wieder eine ähnliche Konferenz in Bayern veranstalten zu können. Noch wichtiger wäre es, wenn andere Regionen nachziehen und die Bewegung insgesamt weiter wächst. Das Potential dafür war in Nürnberg deutlich zu spüren!
Luise Preetz ist Mitglied des Veranstalterkollektivs der Konferenz »Vergesellschaftet Bayern!«, die vom 29. November bis 1. Dezember in Nürnberg stattfand
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (9. Dezember 2024 um 16:12 Uhr)Ergänzung: Man lese hierzu auch www.jungewelt.de/artikel/489326.hambacher-forst-der-konzern-bevorzugt-die-billigste-l%C3%B6sung.html samt Leserbrief.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (8. Dezember 2024 um 22:56 Uhr)Bitte nicht von »Enteignung oder Vergesellschaftung« reden! Dass das (zur Zeit) zwei vollständig verschiedene Begriffe sind, mag die Bundestagsdrucksache »Drucksache 20/11900« verdeutlichen: »Neu aufgenommen werden zudem Verweise, um die Umwidmung von Erdgasleitungen für den Kohlendioxidtransport zu erleichtern, in begrenzten Fällen den vorzeitigen Baubeginn zu ermöglichen und die Enteignung auch für solche Kohlendioxidleitungen zu ermöglichen, die nicht zu einem Kohlendioxidspeicher führen.« Erklärend ist hinzuzufügen, dass die zu errichtenden CO2-Pipelines a priori als dem Gemeinwohl dienend betrachtet werden: »Das Vorhaben dient dem Wohl der Allgemeinheit, wenn es dazu dient, Kohlendioxid zu einem Kohlendioxidspeicher zu transportieren«. Die Anlagen werden aber privat und profitorientiert betrieben! Aus »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes« (Quelle: https://dserver.bundestag.de/btd/20/119/2011900.pdf)
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