Zeit zum Nachdenken
Thilo Mischke ist seinen Job als Moderator des ARD-Kulturmagazins »TTT – Titel, Thesen, Temperamente« los, bevor er ihn überhaupt angetreten hat. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkverbund hat einen Rückzieher gemacht. Der Journalist und Autor wird seit gut zwei Wochen heftig wegen sexistischer Äußerungen kritisiert – größtenteils in dem Buch »In 80 Frauen um die Welt« (2010), aber auch wegen Thesen in einem Podcast von 2019 über Vergewaltigung als Wesen männlicher Sexualität. .
Vor Weihnachten hatte die ARD bekanntgemacht, dass Mischke ab Februar mit Siham El-Maimouni die Moderation der Sendung übernehmen werde, die sonntags am späten Abend im Ersten ausgestrahlt wird. »TTT« zählt zu den bekanntesten Kulturformaten der ARD. Die Sendung gibt es seit 1967, sie hat durchschnittlich rund 850.000 Zuschauer.
Vor allem im Netz wurde an der Personalie schnell viel Kritik geübt. In einem Podcast wurden Zitate Mischkes zusammengetragen. In einem offenen Protestbrief erklärten zuletzt Unterzeichner wie Alena Schröder, Saša Stanišić, Jan Brandt, Ulrike Draesner, Margarete Stokowski oder Till Raether, nicht mit ihm zusammenarbeiten zu wollen. Sie werfen ihm vor, sich nicht kritisch mit seinen früheren Äußerungen auseinandergesetzt und sich nicht ausreichend von diesen distanziert zu haben.
Der Rundfunkverbund erklärte nun in einem Statement vom Sonnabend: »Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von ›TTT‹ und Thilo Mischke abzuwenden.« Mischke befinde sich in einem noch andauernden Prozess der Auseinandersetzung mit den Ereignissen und werde sich zu gegebener Zeit selbst zur Sache äußern.
ARD-Programmdirektorin Christine Strobl kritisierte die aktuelle Diskussionskultur gegenüber der dpa: »Ich habe in den letzten Tagen schon das Gefühl gehabt, dass wir in einer sehr aufgeregten, sehr dynamisierten Form diskutiert haben. Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Form zurückkommen, die nicht eine Debatte unmöglich macht.«
Die ARD hatte zunächst an der Personalie festgehalten. Seit der Buchveröffentlichung im Jahr 2010 habe sich Mischke »intensiv und selbstkritisch mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild vermittelt und stellenweise rassistische Sprache benutzt zu haben, auseinandergesetzt«.
Der in 1981 Ostberlin geborene Mischke, der auch als Kolumnist für die Berliner Zeitung schreibt, ist vor allem durch Reportagen für den privaten Fernsehsender Pro sieben bekannt. Er gewann 2023 den Deutschen Fernsehpreis für seine Reportage »Verlassen und vergessen? Afghanistan im Griff der Taliban«. Zu Beginn seiner journalistischen Laufbahn widmete er sich vor allem dem Thema Sexualität. (dpa/jW)
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 31.12.2024
TV-Duell nur im Radio!
- 29.11.2024
Vorschlag
- 13.11.2024
Ringelnatz, Raupach-Petersen, Schimpf
Regio:
Mehr aus: Feuilleton
-
»Diese Genossen sind von einer Aura umgeben«
vom 06.01.2025 -
Aufrechtes Zentralorgan
vom 06.01.2025 -
Kunstvolles Blubbern
vom 06.01.2025 -
Was nicht ist, kann ja noch werden
vom 06.01.2025 -
Nachschlag: Durée
vom 06.01.2025 -
Vorschlag
vom 06.01.2025 -
Veranstaltungen
vom 06.01.2025