Nachschlag: Gepresste Freiheit
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Ellsberg? Spielberg! Wenn der Meister eine große Geschichte anpackt, verändert sie sich. Mal zum Besseren, mal zum Schlechteren. Hier purzelt die eigentliche Story von der Tischplatte. Mit Mut und Sturheit hatte Daniel Ellsberg 1971 der New York Times die späterhin berühmten Pentagon Papers zugespielt. Die Washington Post bekam Wind von der Sache und übernahm das Ruder. Spielberg konzentriert sich auf letztere, erzählt anstelle der Story um Ellsberg, der sich seine Überzeugung einiges hat kosten lassen, die Geschichte eines gediegenen Chefredakteurs und einer schüchternen Verlegerin, die in einer Männerwelt das Richtige tun muss. Verflechtungen von Medien und Politik werden angedeutet, etwa in der Freundschaft der Verlegerin mit McNamara, am Ende aber siegen die Presse und ihre Freiheit. Die viel interessantere Frage, wie Medienleute es schaffen, ihre idealisierte Funktion eines Korrektivs in Herrschaftsverhältnissen auszufüllen und zugleich die Herrschaft zu stabilisieren, bleibt unbehandelt. (fb)
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Leserbrief von A.G. (7. Januar 2025 um 20:45 Uhr)Spielberg hatte ein Drehbuch einer Newcomerin. (Monatelang hielt sich das Gerücht, ihr Name sei nur ein Pseudonym für den eigentlichen Autor, Steven Soderbergh.) Spielberg erweiterte das Originaldrehbuch um eine Einleitung, die uninteressant ist, weil sie wie angeklebt wirkt, weil lediglich erklärend: Ellsbergs Zeit in Vietnam und seine Enttäuschung über McNamara. Was Spielbeg trotz aller Längen – die sich in seinem, was man Alterswerk zu nennen pflegt, auffällig oft häufen – im Endspurt gelingt, ist die Evokation eines nie real existenten, aber als Ideal manifesten Horts der freien Meinungsäußerung - First Amendment Rights getragen von der US Legacy Press. Und in diesem Kontext wirkt auch die heroische (wenn auch von Meryl Streep mit nervtötender Methodik gespielte) Katherine Graham, schwingt sie sich doch auf zur Retterin der Meinungsfreiheit und darüber hinaus Verteidigerin der Emanzipation von Amerikas Frauen. Was John Wayne für den emotionalen Haushalt des US-Filmkonsumenten im Western der 1950/60er, ist heute Mrs. Streep im Gesellschaftsdrama. Der Soundtrack von J. Williams hilft bei alledem. In der wahren Welt hatte ein Carl Benstein bereits 1977 WaPo und Co. der Kooperation mit der CIA bezichtigt. Von Ben Bradlee (Tom Hanks) heißt es zudem: Er setzte einen Mitarbeiter unter Druck, als dieser in einem Buch über Graham behauptete, sie sei über die Verbindungen der Post zur CIA informiert, so dass das Buch nie erschien. Heute gilt die Binse: WaPo steht der CIA nahe, NYT dem US-Außenmin.(oder wars umgekehrt?!) Dass es heute dennoch um ein unerhörtes Maß schlimmer bestellt ist als damals, beweist ein anderes trauriges Detail: R.B. Brenner, ein Ex-Mitarbeiter der Post, der auch Spielberg beriet, tritt heute für das Ende der damals geprägten »Pentagon Paper Principles« ein. Mehr dazu von Matt Taibbi: »Who Helped Overturn the «Pentagon Papers Principle»? The Washington Post and New York Times« https://www.racket.news/p/who-helped-overturn-the-pentagon
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