Lasche Kampfansage
Von Ralf WurzbacherManchmal müssen die Kleinen den Großen zeigen, wo es lang geht. Zum Auftakt der Tarifauseinandersetzung bei der Deutschen Post haben Hunderte Beschäftigte in Teilen von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt von Dienstag zu Mittwoch die Arbeit ruhen lassen. In der Folge verblieben Zehntausende Sendungen in den Depots und mussten die Empfänger noch länger als üblich auf den Briefboten warten. Allerdings kam der Aufruf zum 24stündigen Ausstand von der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM), die rund 20.000 Beschäftigte bei Post DHL, Postbank, Telekom und in der Callcenterbranche vertritt. Der Fachverband steht traditionell für Radau und bewies schon bei der Lohnrunde vor zwei Jahren mehr Angriffslust als die große Verdi. So läuft es, zumindest zum Auftakt, auch diesmal. Man habe »ein deutliches Zeichen gesetzt«, verbreitete die Pressestelle nach dem Ausstand.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft beließ es zunächst beim üblichen Wortgeklingel. »Nur mit deutlichen Lohnsteigerungen für die Beschäftigten lassen sich die noch immer hohen Kosten und Lebensmittelpreise bewältigen«, äußerte sich Andrea Kocsis. Als stellvertretende Bundesvorsitzende führt sie die am Mittwoch begonnenen Verhandlungen mit der Konzernleitung. Die hatte sich mit dem letzten Abschluss über alle Einkommensgruppen hinweg immerhin im Schnitt 11,5 Prozent mehr Geld abtrotzen lassen. Das war zwar respektabel, aber immer noch zuwenig, zumal bei einer Laufzeit von zwei Jahren, in denen die Verbraucherpreise weiter kräftig geklettert sind. Die Bezüge der großen Mehrheit der Belegschaft lägen »noch immer unter dem mittleren Einkommen in Deutschland«, befand Kocsis in einer Medienmitteilung. 90 Prozent erhielten ein Bruttogehalt zwischen 2.448 Euro und 3.430 Euro. Damit die Kolleginnen und Kollegen »über die Runden kommen« könnten, müssten sie deutlich mehr erhalten.
Konkret verlangt Verdi linear sieben Prozent mehr Lohn für Festangestellte, Auszubildende und dual Studierende, drei Tage mehr Urlaub sowie einen zusätzlichen Urlaubstag für Mitglieder der Gewerkschaft. Außerdem soll für die rund 19.000 Beamtinnen und Beamten des Unternehmens die sogenannte Postzulage fortgeschrieben werden. Diese gleicht die Besoldungsdifferenz zu den übrigen Bundesbeamten aus. Die Forderung wirkt insgesamt ziemlich schwächlich, nicht nur im Vergleich zu der nach 15 Prozent mehr Lohn bei der 2023er Runde. Absehbar wird Verdi auch diesmal von der Ansage einer einjährigen Laufzeit abrücken, wodurch nach den ebenso erwartbaren Abstrichen in puncto Gehalt nicht allzu viel mehr Geld herumkommen dürfte. Geschweige denn ein echtes Plus auf dem Konto. Neben teuren Mieten, Nahrungsmitteln und anhaltend hohen Energiekosten ziehen zu Jahresbeginn auch die Ausgaben für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung massiv an – sowie für Briefporto und Pakete. Gerade den ohnehin schlecht bezahlten Post- und Paketzustellern drohen damit weitere Einbußen.
Doch natürlich geht der Rückfall von Verdi in die alte Genügsamkeit der Konzernetage nicht weit genug. Die Ansprüche ignorierten die Sachlage im Unternehmen, die hohen Investitionsbedarfe und schrumpfende Briefmengen, ließ sich am Dienstag ein Post-Sprecher in den Medien zitieren. »In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld« stehe die Beschäftigungssicherung an erster Stelle und gelte es, eine »Balance« zwischen Lohnsteigerungen und ökonomischer Tragfähigkeit zu erreichen. Tragfähig? 2022 erzielte die Post DHL Group einen Überschuss von mehr als acht Milliarden Euro, im Jahr darauf waren es 6,3 Milliarden Euro und für 2024 wird mit 5,8 Milliarden Euro gerechnet. Weil man eigentlich auf bis zu 6,6 Milliarden Euro gehofft hatte, gab der Konzern Ende Oktober eine »Gewinnwarnung« heraus.
Muss man deshalb Mitleid haben? Die DPVKOM jedenfalls will den gelben Riesen nicht so billig davonkommen lassen. Die Gewerkschaft fordert »mindestens acht Prozent« oder wenigstens 350 Euro mehr Entgelt – ein Prozentpunkt mehr als Verdi – und einen Urlaubszuschlag in Höhe eines Monatsgehalts. Bei den horrenden Profiten sei es an der Zeit, »dass endlich auch die 170.000 Tarifbeschäftigten profitieren«, erklärte die Bundesvorsitzende Christina Dahlhaus.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 18.07.2023
Fehlende Perspektive
- 29.04.2023
Die Woge geglättet
- 08.02.2023
Kampfbereite Postler
Mehr aus: Inland
-
»Innerhalb der Mauern herrschen eigene Gesetze«
vom 09.01.2025 -
Mehr als drei Prozent
vom 09.01.2025 -
Correctiv bleibt dabei
vom 09.01.2025 -
Mickriger Verzicht
vom 09.01.2025 -
»Er ist seit einem Monat in einer Art Isolationshaft«
vom 09.01.2025