Staatsanwalt sieht keine Fehler
Von Kristian StemmlerIm September 1991 starb der Ghanaer Samuel Yeboah im Alter von 27 Jahren bei einem Brandanschlag auf ein Heim für Asylsuchende in Saarlouis. Die übrigen 20 Bewohner konnten sich retten, einige verletzten sich dabei. Es war der Auftakt zu einer im Vergleich zu den zeitgleichen Neonaziübergriffen in Ostdeutschland medial wenig beachteten Serie von Anschlägen auf Unterkünfte von Geflüchteten im Saarland.
Am Donnerstag hat vor dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe in dieser Sache eine Revisionsverhandlung begonnen. Überprüft wird das Urteil, das das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Oktober 2023 gegen den heute 52 Jahre alten Peter S. verhängt hat. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass S. die Unterkunft aus »Hass auf Ausländer« in Brand gesetzt hatte, und verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten.
Wie das OLG festgestellt hatte, war Yeboah in eine Feuerwand geraten und hatte zehn bis 15 Minuten lang um Hilfe gerufen. Er konnte noch aus dem Gebäude befreit werden, starb aber im Krankenhaus an seinen schweren Verbrennungen. Der Anschlag blieb jahrzehntelang unaufgeklärt, nachträglich wurden gravierende Pannen in den nachlässig geführten Ermittlungen festgestellt. Vor knapp fünf Jahren wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Eine Zeugin hatte der Polizei berichtet, dass S. sich ihr gegenüber bei einem Grillabend als Täter zu erkennen gegeben habe.
Im April 2022 wurde S. festgenommen. Nach den Feststellungen des Koblenzer Gerichts verkehrte er in der Neonaziszene von Saarlouis. Nach einem Treffen mit Kumpanen in einer Kneipe, bei dem über die rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda gesprochen wurde, verschüttete er demnach am 19. September 1991 am frühen Morgen Benzin in der Unterkunft und zündete sie an. S. legte ein Teilgeständnis ab.
Der Angeklagte war ebenso wie der Generalbundesanwalt und vier Nebenkläger in Revision gegangen, mit unterschiedlichen Begründungen, wie aus einer Mitteilung des BGH vom Dezember hervorgeht. Bei den Nebenklägern handelt es sich um Bewohner der Unterkunft, die sich bei dem Brand retten konnten. Das OLG hatte S. »wegen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und mit zwölf tateinheitlichen Fällen des versuchten Mordes und der versuchten besonders schweren Brandstiftung« verurteilt. Das bezog sich auf Yeboah und weitere zwölf Bewohner des Heims. Bei acht Geflüchteten, die in einem Eckzimmer nahe des Eingangs einen Geburtstag feierten, hatte das OLG keinen Tötungsvorsatz gesehen. Der Angeklagte sei davon ausgegangen, dass sie sich noch in Sicherheit bringen könnten.
Die Nebenkläger wollen mit der Revision erreichen, dass der Angeklagte auch für die acht Personen, bei denen das OLG keinen Tötungsvorsatz sah, wegen versuchten Mordes verurteilt wird. Ihr Anwalt sprach am Donnerstag von einem Rechtsfehler im OLG-Urteil. Die Bewohner der Unterkunft hätten nicht nur durch Flammen, sondern auch beispielsweise durch Rauchgase sterben können oder beim Retten anderer Bewohner. Er nannte das Beispiel eines Mandanten, der in das brennende Haus zurückgelaufen war, um seinen schlafenden Zimmernachbarn zu retten.
Die Verteidiger von S. wollen den Fall dagegen neu verhandeln lassen. Sie argumentierten, dass es Lücken in der Beweiswürdigung gebe. So sei nicht festgestellt worden, wo der Benzinkanister herkam. Außerdem verwiesen die Verteidiger darauf, dass der Angeklagte mit seinem »von Reue geprägten« Teilgeständnis zur Aufklärung beigetragen habe. Auch spiele der Erziehungsgedanke eine Rolle, argumentierte die Verteidigung. Der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer verwies darauf, dass dieser Gedanke mit dem zunehmenden Alter von Angeklagten an Bedeutung verliere.
Die Vertreter der Bundesanwaltschaft hatten zwar auch Revision eingelegt. Der dafür zuständige Vertreter der Behörde beantragte vor dem BGH jetzt aber, diese zu verwerfen. Er sah nach Überprüfung der Lage keine Rechtsfehler in dem Koblenzer Urteil. Eine Entscheidung soll am 23. Januar verkündet werden.
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