Massenproteste in Bukarest
Von Fabio NacciSie hupen, schwenken rumänische Flaggen, rufen »Johannis Diktator«, »Zurück zur zweiten Runde« und zeigen Plakate mit Slogans wie »Wir wollen freie Wahlen«: In Rumänien haben in den vergangenen Tagen Zahlreiche Menschen gegen die Annullierung der Präsidentschaftswahlen und für den Rücktritt von Präsident Klaus Johannis protestiert.
In einer beispiellosen Entscheidung hatte das rumänische Verfassungsgericht am 6. Dezember die Präsidentschaftswahlen auf Grundlage von Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes annulliert – zwei Tage vor der geplanten Stichwahl und kurz nachdem es den Vorwurf von russischer Einflussnahme zugunsten des erstplazierten unabhängigen Kandidaten Călin Georgescu zurückgewiesen hatte. Dieser hatte entgegen aller Wahlprognosen am 24. November die meisten Stimmen erhalten und sollte gegen Elena Lasconi von der liberal-progressiven USR antreten.
Ein Bericht des unabhängigen rumänischen Journalistenkollektivs Snoop legte später nahe, dass Georgescus Wahlkampagne auf Tik Tok nicht von Russland, sondern von der PNL, der Partei von Präsident Johannis, finanziert worden war. Ziel war offenbar, einen Fall russischer Einflussnahme zu inszenieren, den NATO-kritischen Kandidaten Georgescu auszubremsen und eine für den eigenen Kandidaten schlecht laufende Wahl abzublasen. Die Tatsache, dass der rumänische Geheimdienst direkt dem Präsidenten untersteht, verstärkte die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Informationen, auf denen die Entscheidung des Verfassungsgerichts basierte.
Johannis selbst kündigte an, bis zur Wahl eines neuen Präsidenten im Amt zu bleiben, was voraussichtlich im Frühjahr geschehen soll. Das Mandat von Johannis lief offiziell am 21. Dezember aus. Während der Skandal, der einem Staatsstreich gleichkommt, von europäischen Leitmedien weitgehend ignoriert wird, hat er in Rumänien große Empörung ausgelöst.
Eine große Demonstration am Sonntag wurde von der rechten Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR) organisiert. Ihr Vorsitzender, George Simion, hatte nach seinem schlechten Abschneiden in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen seine Unterstützung für die Kandidatur Georgescus kundgetan. Das ist insofern interessant, als Georgescu bis zu seinem Austritt im Jahr 2022 selbst Parteimitglied war.
»Wir protestieren gegen den Staatsstreich vom 6. Dezember«, erklärte Simion am selben Tag gegenüber Journalisten. »Es ist enttäuschend zu erkennen, dass wir so lange in einer Lüge gelebt haben und von Menschen geführt wurden, die sich als Demokraten ausgeben, es aber keineswegs sind«, fügte er hinzu. »Wir fordern die Rückkehr zur Demokratie durch die Wiederaufnahme der Wahlen, beginnend mit der zweiten Runde.« Obwohl die Polizei die Zahl der Demonstranten auf etwa 30.000 schätzte, zeigen Bilder und Videos in Medienberichten, dass die Teilnehmerzahl näher an den von den Veranstaltern angegebenen 100.000 gelegen haben könnte.
Das Verhalten des rumänischen Staatsapparates gegenüber der Opposition ist auch im Zusammenhang mit dem NATO-Russland-Konflikt zu sehen. Rumänien würde im Falle einer weiteren Eskalation des Konflikts eine strategische Position einnehmen. Gerade plant das westliche Militärbündnis, die Luftwaffenbasis Mihail Kogălniceanu am Schwarzen Meer auszubauen, um mehr Truppen und militärische Ausrüstung unterzubringen und sie damit zur größten NATO-Basis in Europa zu machen. Befürworter ist Johannis, der sich im Sommer um das Amt des NATO-Generalsekretärs beworben hatte.
Tatsächlich dürfte auch die Sorge, dass Rumänien weiter in eine Konfrontation mit Russland hineingezogen werden könnte, viele Menschen zu den Wahlurnen und den jetzigen Demonstrationen mobilisiert haben. Schließlich hat sich Georgescu als Kritiker der NATO und der Ukraine-Unterstützung hervorgetan. Erst am Sonnabend legte er in einem Interview mit der »The Shawn Ryan Show« nach und beanstandete die Umwandlung des Landes in ein »Tor zum Krieg«.
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