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Aus: Ausgabe vom 24.01.2025, Seite 8 / Inland
Bürgerbegehren gegen ZUE

»Es werden alle gängigen Klischees bedient«

NRW: Bürgerbegehren gegen geplante Geflüchtetenunterkunft in Geilenkirchen. Ein Gespräch mit Max Winkowski
Interview: Henning von Stoltzenberg
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In Geilenkirchen soll eine ZUE, eine zentrale Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete, gebaut werden. Warum sind Sie dafür?

Weil die Plätze aufgrund der Kriege in der Welt wie in der Ukraine und in Gaza dringend benötigt werden. Und wir gehen davon aus, dass es noch schlimmer werden wird, da sich die Konflikte eher zuspitzen. Die Stadt Geilenkirchen hat mit dem Land NRW über die Unterkunft verhandelt. Es würde eine Einrichtung mit neuen Wohnungen sowie einer vernünftigen Betreuung entstehen. Das Land würde alle Kosten übernehmen. Und über die Bewohner der ZUE hinaus würden der Stadt keine weiteren Geflüchteten zugeteilt. Damit kann Geilenkirchen seinen Beitrag zur humanitären Hilfe leisten. Sogar völlig problemlos. Der Vertrag zwischen der Stadt und dem Land NRW wäre eine optimale Lösung für alle.

Dennoch gibt es ein Bürgerbegehren gegen die geplante ZUE. Wer hat es initiiert und wie wird gegen den Bau argumentiert?

Die Initiative wurde von Unternehmern aus dem Gewerbegebiet gegründet, wo die ZUE gebaut werden soll, sowie von selbsternannten »besorgten Bürgern«. Sie behaupten, die Geflüchteten seien eine Gefahr für die benachbarten Dörfer Rischden und Hochheid, und natürlich für das Gewerbegebiet. In der Sache werden alle gängigen Klischees bedient. Die Argumente sind die gleichen wie überall in Deutschland.

Wie ist die Stimmung in der lokalen Bevölkerung?

Die Bevölkerung ist in der Frage gespalten. Die Bürgerinitiative hat offiziell keine Verbindung zur AfD. Ihre Vorgehensweise ist aber identisch. Facebook und besonders X werden mit Rassismus zugeschüttet. Auf der Homepage der Initiative werden fleißig Presseartikel über Gewaltverbrechen in ganz NRW gesammelt. Die Stadtverwaltung wird als durch und durch korrupt dargestellt. Damit sind sie erschreckend erfolgreich. Auf der anderen Seite ist Geilenkirchen Iim Grunde eine sehr internationale Stadt. Es gibt viele verschiedene Bevölkerungsgruppen und sogar einen queeren Jugendtreff. Die Linke Geilenkirchen war der erste und lange Zeit auch größte Ortsverband der Partei im Kreis. Welche Seite letztendlich die Oberhand behält, steht noch nicht fest. Wir werden nicht aufgeben und den Rechten Widerstand leisten, wo wir können.

Die Abstimmung hätte schon im vergangenen Jahr stattfinden sollen, aber es wird über eine Panne berichtet. Was war da los?

Die Druckerei hatte QR-Codes mit der laufenden Nummer auf die Rückseite der Stimmzettel gedruckt. Zum Durchzählen, wie bei Werbeprospekten. Im Internet verbreitete sich dann folgende Story: Die Stadt Geilenkirchen würde insgeheim eine Kartei anlegen, wer wie abgestimmt hat. Ob die Daten nun an den Verfassungsschutz oder gleich an die CIA gehen sollten, darüber konnten die Trolle sich nicht einigen. Auf die Frage, warum die Stadt denn dann nicht gleich UV-Tinte verwendet hat, die nur unter Schwarzlicht sichtbar ist, hatten sie selbstverständlich auch keine Antwort. Im Ergebnis muss der Bürgerentscheid trotzdem wiederholt werden. Es wäre nämlich rein theoretisch möglich, mit den Nummern eine Liste zu führen.

Warum wurde versucht, die Abstimmung über das Bürgerbegehren vor die Bundestagswahl zu legen?

Die Bundestagswahl und das Bürgerbegehren hatten ursprünglich nichts miteinander zu tun. Die Initiative hatte die gesammelten Unterschriften für das Bürgerbegehren bereits im Sommer 2024 eingereicht. Nachdem der Stadtrat es abgelehnt hat, wurde dann im Herbst der 15. Dezember als Termin festgelegt. Nach dem Verschwörungsdebakel wegen der Stimmzettel wollte die Bürgerinitiative erreichen, dass die Abstimmung am 23. Februar zusammen mit der Bundestagswahl wiederholt wird – vermutlich, weil man die rechte Propaganda aus dem Wahlkampf der AfD für die eigene Sache nutzen wollte, quasi als »Synergieeffekt«. Dagegen hat sich die Stadt gewehrt und vor Gericht auch Recht bekommen. Die neue Abstimmung findet erst im März statt.

Max Winkowski ist Sprecher der Linksjugend im Kreis Heinsberg

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