»Es herrscht Aufbruchstimmung«
Interview: Henning von StoltzenbergAm vergangenen Sonnabend hat Die Linke NRW in Kamen die Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt. Wie ist es um den Landesverband aktuell bestellt?
Unsere Landesvertreterversammlung hatte einen kämpferischen und sehr solidarischen Charakter. Wir haben ein 20köpfiges Kandidatenteam gewählt, das sich sehen lassen kann. Die Kandidierenden kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und sozialen Bewegungen, wie der Klimabewegung oder der Seenotrettung, sind aktiv in der Gewerkschaft und engagieren sich für feministische Politik. Viele der Kandidierenden sind in den lokalen Bündnissen gegen rechts engagiert. Das ist ein buntes Team, das viele unterschiedliche Blickwinkel, Erfahrungen und Kompetenzen mitbringt und sie auf unser sozialistisches Programm anwenden kann. Ich bin da wirklich guten Mutes und freue mich auf die heiße Phase dieses kurzen Wahlkampfs.
Auch dieser Landesverband hatte es in der Vergangenheit nicht leicht. Was ist jetzt anders?
Das ist richtig, aber wir sind auf einem guten Weg. Der Landesverband ist dabei, an der Erneuerung der Strukturen zu arbeiten und besser ansprechbar für die Anliegen der Menschen zu sein. Wir setzen verstärkt auf soziale Medien, aber auch auf direkten Kontakt, zum Beispiel durch Gespräche an den Haustüren. Dazu haben wir viele neue Mitglieder gewonnen, die motiviert sind und sich einbringen. Es herrscht eine Aufbruchstimmung nach den zermürbenden Debatten der letzten Jahre. Letztendlich war die BSW-Absplitterung folgerichtig, was sich auch an deren Rhetorik gegen Erwerbslose und Migranten zeigt.
Welche Schwerpunkte setzen Sie im Wahlkampf?
Zum einen müssen Städte und Gemeinden viel besser finanziert werden. Das sehe ich als Kommunalpolitiker jeden Tag, es fehlt in Nordrhein-Westfalen in vielen Städten an allen Ecken und Enden. Immer mehr Kommunen geraten in die Haushaltssicherung und sind dann nahezu handlungsunfähig. Darunter leiden die sozialen Bereiche, die bei den neoliberalen Mehrheiten ohnehin klamm sind. Wir brauchen einen Altschuldenfonds beziehungsweise einen Schuldenschnitt, um aus dieser Spirale herauszukommen. Zum anderen wende ich mich gegen die Privatisierung im Gesundheitsbereich. Die Folgen sind Pflegekräftemangel, Krankenhausschließungen und drohende Unterversorgung. Es braucht eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems, sonst wird es noch schlimmer. Dazu gehört eine solidarische Gesundheitsfinanzierung, in die alle einzahlen. Dazu gehört auch, kurzfristig für bessere Bezahlung der Pflegekräfte zu sorgen und den Krankenkassen mal ordentlich auf die Finger zu hauen, weil sie immer weniger übernehmen, aber dafür immer teurer werden.
Die Friedensfrage war bei den Bewerbungen ziemlich unterrepräsentiert, im Gegensatz zum Bundesparteitag in Halle (Saale). Woran liegt das?
In den schriftlichen Bewerbungen der Kandidierenden standen andere Themen oft im Vordergrund, was aber nicht heißt, dass die Friedensfrage nicht mitgedacht wird. Mit Ulrich Thoden auf Listenplatz vier haben wir einen langjährigen Friedenspolitiker, der explizit als solcher angetreten ist. Auch meine Kospitzenkandidatin Cansin Köktürk hat auf Nachfrage klargestellt, dass sie gegen Waffenlieferungen an kriegführende Staaten wie Israel oder die Ukraine eintritt. Das entspricht auch der Beschlusslage der Bundespartei, auch wenn einzelne bekannte Köpfe und eine laute Minderheit einen anderen Eindruck erwecken wollen. Unsere Europaabgeordnete Özlem Alev Demirel hat auf der Versammlung außerdem dafür geworben, beim Aktionstag am 15. Februar Unterschriften für den Berliner Appell gegen die US-Mittelstreckenraketen zu sammeln, und viel Zustimmung erhalten.
Welche Signale gehen noch von diesem Parteitag aus?
Mit einer Banneraktion »Antifa bleibt Handarbeit« und einer Spendensammlung haben wir uns mit den Protesten in Riesa gegen den AfD-Bundesparteitag solidarisiert. Außerdem haben wir in einer Resolution die Freilassung unserer in der Türkei inhaftierten Genossin Zozan und ihrer Schwestern gefordert. Last, not least sind wir solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen von Thyssen-Krupp und kämpfen mit ihnen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.
Sascha H. Wagner ist Landessprecher und Spitzenkandidat der Partei Die Linke NRW für die Bundestagswahl
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Leserbrief von Erhard Stammberger aus Oldenburg (14. Januar 2025 um 14:06 Uhr)Ausgerechnet ein Linker fordert, den Krankenkassen auf die Finger zu hauen. Wie wäre es denn, stattdessen die Beitragsbemessungsgrenzen aufzuheben und der Pharmaindustrie auf die Finger zu hauen?
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