Wider die Hochschulmisere
Von Ralf Wurzbacher
Der »Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften« (FZS) mischt sich in den Wahlkampf ein. »Einem großen Teil der Studierenden geht es schlecht. Sie leben unter der Armutsgrenze und zahlen dystopisch hohe Mieten«, sagte Verbandsvorstandsmitglied Emmi Kraft am Donnerstag im Gespräch mit junge Welt. Mit der Kampagne »Schlussverkauf Bildung« soll die allgemeine Hochschulmisere thematisiert und für eine Kehrtwende mobilisiert werden. Das Motto: »Solidarität statt Sparwahn.« Die Gebäude seien »vielerorts marode, es regnet rein, Schimmel bildet sich, teilweise kommen die Decken runter«, bemerkte Kraft, die in Köln Jura studiert. »Es kann nicht sein, dass man seine Gesundheit aufs Spiel setzt, wenn man einen Hörsaal betritt.«
Losgegangen ist die Kampagne am vergangenen Montag mit einer Aktionswoche auf Social Media. Ziel sei es, auf möglichst vielen Accounts »auf die Probleme der Studierenden aufmerksam zu machen und zu zeigen, was sich ändern muss«. Daneben sollen weitere Inhalte der Kampagne sowie Logos, Flyer, Termine und Aufrufe über sämtliche Kanäle verbreitet werden. Die größten Baustellen wurden bei »Thementagen« intensiver bearbeitet: Am Dienstag ging es ums Wohnen mit der Anregung, »die schaurigste, haarsträubendste Geschichte auf der Wohnungssuche« zu schildern. Am Mittwoch standen »Studienfinanzierung, steigende Studienkosten und Mobilität« auf dem Programm, der Freitag drehte sich um den »Sanierungstau – Hilfe, meine Uni ist kaputt«. Am Sonntag wird Rückschau gehalten, das Erreichte bilanziert und das Kommende geplant.
»Das ist erst der Anfang«, versprach Kraft. »Wir wollen die Kandidatinnen und Kandidaten für den Bundestag erreichen und lautstark auf die Bedarfe der Studierenden hinweisen.« Deren Vorstellungen wurden im Positionspapier »Für zukunftsfähige Hochschulbildung« abgefasst. Einer der Schwerpunkte ist die Bundesausbildungsförderung (BAföG). Zwar haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zweimal die Bedarfssätze und Wohnkostenpauschale erhöht, aber längst nicht im erforderlichen Umfang. Derzeit lebt jeder Dritte von rund drei Millionen Hochschülern unter der Armutsgrenze, unter denen mit eigener Haushaltsführung sind es fast 80 Prozent. »Es muss dringend eine große Strukturreform her, mit bedarfsdeckenden, dynamisierten Sätzen, dazu Wohnzuschüssen, die an die örtlichen Märkte angepasst sind, und einer Rückkehr zum Vollzuschuss«, erklärte die FZS-Kovorsitzende.
Ihre Forderungen decken sich in Teilen mit denen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sowie des Deutschen Studierendenwerks (DSW). Die beschlossen am Donnerstag bei einer gemeinsamen Veranstaltung in Berlin Maßnahmen für ein »zukunftssicheres deutsches Hochschulsystem«. Unverzichtbar sei eine »kraftvolle Sicherung und Stärkung von Lehre und Studium sowie der für größere Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit nötigen sozialen Studienrahmenbedingungen einschließlich des BAföG«, heißt es darin. DSW-Präsidentin Beate Schücking sagte, es drohe eine »neue Form der sozialen Auslese über die Miete«.
Der FZS als traditionell linker Verband will der Spaltung in Arm und Reich und der Verrohung der politischen Auseinandersetzung mit »mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit« beikommen. Das Mittel der Wahl: Umverteilung von oben nach unten, in Gestalt einer Vermögenssteuer, einer stärkeren Besteuerung von Erben, höherer Kapitalsteuern und einer Finanztransaktionssteuer. Kraft ärgert es, dass Bildung und Hochschulen im Wahlkampf bisher kaum eine Rolle spielen. »Viele Studierende fühlen sich einfach vergessen von der Politik und alleingelassen.« Das sei ein »Armutszeugnis für Regierungen und Parlamente«.
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