»Eine Abschiebung nach Syrien ist möglich«
Interview: Hendrik PachingerIn den vergangenen Tagen überschlugen sich die Nachrichten bezüglich der im sogenannten Budapest-Komplex beschuldigten Antifaschisten. Was ist zum jetzigen Zeitpunkt bekannt?
Am Montag vormittag stellten sich sieben der beschuldigten Antifaschisten an verschiedenen Orten in Deutschland. Gegen sechs von ihnen liegen deutsche Haftbefehle vor, sie wurden dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt und anschließend in U-Haft genommen. Zaid aus Nürnberg ist der einzige, bei dem nur ein ungarischer, aber kein deutscher Haftbefehl vorliegt. Daher wurde er auch nicht dem Bundesgerichtshof vorgeführt. Die jungen Antifaschisten sitzen derzeit in Gefängnissen in verschiedenen deutschen Städten, darunter Köln, Wuppertal, Chemnitz, Leipzig und Bielefeld, ein.
In allen Fällen wurde Untersuchungshaft verhängt und die Eröffnung von Verfahren in Deutschland geprüft. Lässt das Schlüsse über die Wahrscheinlichkeit von Auslieferungen zu?
Bislang lässt sich darüber kaum eine Aussage treffen. In den zwei Jahren, in denen die Antifaschisten untergetaucht waren, gab es mehrere Angebote, sich gegen die Zusicherung eines Verfahrens in Deutschland zu stellen – diese wurden allesamt von den Behörden abgelehnt. Auch die allen rechtlichen Standards widersprechende Auslieferung Majas vergangenes Jahr hat gezeigt, dass es den hiesigen Behörden mitnichten um ein faires Verfahren geht. Es gilt also mehr denn je, öffentlichen Druck aufzubauen, um zu verhindern, dass den jetzt Aufgetauchten ein ähnliches Schicksal blüht wie Maja, die im schlimmsten Fall mit 24 Jahren Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen zu rechnen hat.
Ist nun die von Ungarn ausgehende europaweite Suche nach Antifaschisten vorbei?
Erstens muss konstatiert werden, dass sich die aktuelle Hatz auf linke Aktivisten zwar an den Geschehnissen von Budapest aufhängt, aber auch der deutsche Staat seinen unbedingten Verfolgungswillen mehrfach unter Beweis gestellt hat – anders als etwa die ultrarechte Regierung Italiens, die von Auslieferungen nach Ungarn absieht. Die Jagd auf die im »Budapest-Komplex« Beschuldigten reiht sich ein in eine Repressionswelle in Deutschland, die ihren Ursprung in der Vergangenheit hat. Außerdem verbleiben weiterhin mehrere Gesuchte, die es vorgezogen haben, sich dem Zugriff der Repressionsorgane zu entziehen. Auch ihnen gilt selbstverständlich unsere ungebrochene Solidarität.
Einer der Beschuldigten, Zaid, kommt aus Nürnberg. Mit einer Aktivistin namens Hanna ist das die zweite im Verfahren gesuchte Person aus der Stadt, die in Haft sitzt.
Bei Zaid liegt wie gesagt (noch) kein nationaler Haftbefehl vor. Es ist möglich, dass dieser in den kommenden Tagen noch erlassen wird. Wenn das nicht passieren sollte, scheint eine Auslieferung nach Ungarn wahrscheinlicher. Daher wurde Zaid auch nicht dem Bundesgerichtshof vorgeführt. Zudem verfügt Zaid über keinen deutschen Pass, daher kann eine Abschiebung nach Syrien nicht ausgeschlossen werden.
Am Donnerstag haben Sie in Nürnberg protestiert. Was war der Zweck der Versammlung?
Am Donnerstag haben wir uns vor dem Polizeipräsidium in der Nürnberger Innenstadt versammelt, um das Thema im Stadtgespräch noch präsenter zu machen. Unserem Aufruf folgten viele Menschen, um ihrer Solidarität mit Zaid, Hanna und allen anderen Ausdruck zu verleihen. Neben Aktivisten von der Roten Hilfe und dem Solikreis sprach außerdem eine betroffene Mutter.
Wie geht es nun weiter?
Wir werden weiterhin Hanna unterstützen, die nach wie vor in Nürnberg inhaftiert ist. Sie wird voraussichtlich Mitte Februar nach München gebracht, wo am 19. Februar ihr Prozess beginnt. Aus Nürnberg werden wir die Solistrukturen in München nach Kräften unterstützen und zur Kundgebung zum Prozessauftakt mobilisieren. Außerdem gilt es, den öffentlichen Druck zu erhöhen, um eine Auslieferung von Zaid – und natürlich auch von den anderen Verfolgten – zu verhindern. Zu diesem Zweck werden wir in Nürnberg versuchen, mit Aktionen, Flugschriften und Pressearbeit noch mehr Öffentlichkeit für den Fall zu generieren.
Alex Schmidt ist Sprecher des »Solikreises Nürnberg«
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