Mit der Geduld am Ende
Von David MaiwaldSie haben das Warten satt: Die organisierten Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden an diesem Montag streiken. Rund eine Woche nach der ersten Verhandlungsrunde und rund eine Woche bevor das Nahverkehrsunternehmen in der laufenden Tarifrunde ein Angebot vorlegen will, wollen sie ab drei Uhr früh 24 Stunden lang die Arbeit niederlegen. Die BVG habe mehr als genug Zeit gehabt, argumentiert die Gewerkschaft Verdi, bereits im Oktober sei dem Unternehmen wie auch dem verhandlungsführenden kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ein Forderungskatalog der Beschäftigten überreicht worden. Doch diese ließen mit einem Angebot auf sich warten.
Der von der BVG vorgebrachte »Wunsch aller Seiten nach konstruktiven und guten Lösungen am Verhandlungstisch« ist nicht erkennbar. Eine Mehrheit der Gewerkschafter habe sich daher für einen ganztägigen Warnstreik ausgesprochen, teilte Verdi Mitte vergangener Woche mit. Denn die rund 16.500 Beschäftigten beim größten Verkehrsunternehmen Europas warten schon seit drei Jahren auf eine Lohnerhöhung. Drei Jahre, die von beispiellosen Preissteigerungen für Miete, Heizung und Lebensmittel geprägt waren. Drei Jahre, in denen die Zahl der Fahrerinnen und Fahrer für Trambahnen, Busse und U-Bahnen bei BVG und deren Tochterunternehmen Berlin Transport (BT) stetig zurückging.
Allein vom Ende des Jahres 2021 bis Juli 2024 ging die Zahl der bei dem Verkehrsunternehmen beschäftigten Fahrer um 112 zurück, ergab eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Tino Schopf (SPD) bei der Verkehrsverwaltung des Berliner Senats. Die Beschäftigten sind mit der Geduld am Ende, haben keine Geduld mehr für »Verzögerungstaktiken« des BVG-Vorstands, teilte Verdi mit. Denn um die vom Missmanagement erzeugte Mehrbelastung nicht weiter ertragen zu müssen, wechselten viele Fahrkräfte in die Teilzeit, was die Belastung für den einzelnen weiter erhöhte. Allein bei der U-Bahn arbeiteten im vergangenen Jahr nur noch 59 Prozent der Fahrer in Vollzeit, ein hoher Krankenstand führte bereits zu einem eingeschränkten Bus- und U-Bahn-Angebot
Die Verspätungen, Ausfälle und ein aus der Zeit gefallenes Informationsangebot bekommen täglich jene zu spüren, die im Alltag auf die BVG angewiesen sind. Nicht das Verkehrsunternehmen, sondern Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt bat nun um »Verständnis, dass uns nur der Streik bleibt, um unsere Forderungen durchzusetzen«. Um den Fahrbetrieb zu stabilisieren »und perspektivisch auszubauen« brauche es »spürbare Entgeltsteigerungen«. Konkret fordert die Gewerkschaft Pauschalbeträge, von denen untere Lohngruppen besonders profitieren, auch wenn alle dasselbe bekommen. Monatlich soll es nach Willen von Verdi für alle Beschäftigten 750 Euro mehr geben. Für Fahrdienste und Wechselschichten stehen demnach Zulagen von 300 Euro an, zudem 200 Euro Schichtzulage und ein 13. Monatsgehalt für die Beschäftigten bei der BVG.
Dass »Nachholbedarf beim Entgelt« besteht, weiß man dort laut Mitteilung, dem müsse aber »realistisch und verhältnismäßig« entsprochen werden. Zuletzt habe man in den Gesprächen auf »Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich« fokussiert. Hier sei man schließlich schon »Branchenführerin«. Doch das Unternehmen rangiert im Vergleich des deutschlandweiten öffentlichen Nahverkehrs bei Gehältern »fast am unteren Ende«, moniert Verdi: Die Löhne fielen im Vergleich mit anderen Bundesländern »deutlich niedriger aus«. Der Nahverkehr in der Hauptstadt lasse sich nur mit besseren Bedingungen »zuverlässig am Laufen halten«. Und dafür hätten die Fahrgäste schließlich »viel Verständnis«.
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