Klinikkahlschlag läuft
Von Ralf WurzbacherFür die Gewerkschaft Verdi ist es das erste Opfer der »großen Krankenhausreform« in der Bundeshauptstadt: das Klinikum des Roten Kreuzes (DRK) in Berlin-Mitte. In der Vorwoche wurde bekannt, dass der Standort mit jährlich 35.000 Patienten im kommenden Jahr dichtgemacht wird und diverse Stationen ins DRK-Haus nach Westend verlegt werden sollen. Im Neusprech von Gesundheitsökonomen läuft der Schritt unter »mehr Effizienz«, »bessere Versorgung« und »Zukunftssicherung«. Im echten Leben blühen den Leidtragenden größere Anfahrtswege, mehr Gedränge in der Notaufnahme, längere Wartezeiten, im schlimmsten Fall Sterben im Stau. Und für all das sollen sie auch noch mehr bezahlen.
»Die Schließungswelle geht los«, konstatierte am Montag Laura Valentukeviciute vom Verein »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB) gegenüber junge Welt. »Am Ende droht, dass Deutschland mehr als 400 Kliniken weniger hat – ohne adäquaten Ersatz.« Der Skandal namens »Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz« (KHVVG) birgt allerhand Zumutungen. Eine davon: Den geplanten Versorgungskahlschlag will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Hälfte mit Beitragsgeldern finanzieren. Zum sogenannten Transformationsfonds mit 50 Milliarden Euro, aus dessen Mitteln der Radikalumbau gemäß Verordnung (KHTFV) bis 2035 »gefördert« wird, sollen 50 Prozent die Bundesländer beisteuern. Der Rest wird aus dem allgemeinen Gesundheitsfonds gewonnen, also den Töpfen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die sind aber schon jetzt leergefegt, zu Jahresanfang haben die Anbieter flächendeckend die Preise erhöht. Bei demnächst pro Jahr 2,5 Milliarden Euro extra sind weitere Belastungen programmiert.
Der Sozialverband VdK will das nicht hinnehmen und hat am Montag angekündigt, mit seinen Mitgliedern gegen das Finanzierungsmodell vor Gericht zu ziehen. »Der Gesetzgeber bedient sich an den Beitragszahlungen, um die Neuordnung der Krankenhauslandschaft zu finanzieren. Das ist verfassungswidrig«, äußerte sich Verbandspräsidentin Verena Bentele in einer Medienmitteilung. Leistungen, die allen Bürgerinnen und Bürgern nutzten, dürfen nicht aus dem Aufkommen der Sozialversicherung beglichen werden. Genauso sehen das neben Verfassungsrechtlern etliche Akteure des Gesundheitswesens, etwa die Gewerkschaften, der Beamtenbund, die GKV und auch die Private Krankenversicherung (PKV). Dabei wäre letztere eigentlich fein raus. Laut Rechtsverordnung sollen sich die Privaten lediglich auf freiwilliger Basis an den Kosten beteiligen. Ein irrer Passus, denn damit blieben ausgerechnet Besserverdiener von Mehrkosten verschont, und eine Kassiererin zahlte für das Titanhüftgelenk des Bankmanagers drauf. Vielleicht ja in Sorge, dass die Politik wenigstens diese Schieflage korrigieren könnte, pocht auch der PKV-Verband auf eine »vollständige Steuerfinanzierung«.
An Lauterbach prallt die Kritik bisher ab. Durch die Beteiligung hätten die Kassen ein Interesse, dass die Klinikreform wirke, ließ er verlauten. »Mittelfristig werden sie davon profitieren, dass dadurch Kosten gespart werden.« Sein Beharren bewies er vor zwei Wochen mit der Vorlage besagter Verordnung zur Umsetzung des Fonds, die planmäßig am 14. Februar vom Bundesrat beschlossen werden soll. Darin steht geschrieben, mit welchen Projekten sich Kliniken künftig eine Förderung verdienen können. Grundsätzlich gilt das für solche, die eine »standortübergreifende Konzentration akutstationärer Versorgungskapazitäten« oder die Umwandlung zu einer »sektorübergreifenden Versorgungseinrichtung« zum Ziel haben. Ebenfalls erwünscht ist die »Bildung regional begrenzter Krankenhausverbünde zum Abbau von Doppelstrukturen«.
Das alles sind Etiketten für die Abwicklung von Abteilungen bis hin zum Wegfall ganzer Standorte. Zitat: »Förderfähig sind als Schließungskosten die Kosten für Baumaßnahmen für den Abriss oder Rückbau sowie Kosten für Personalmaßnahmen.« Valentukeviciute von GiB ist bedient: »Dass die Zerstörung der Daseinsvorsorge auch noch von den Versicherten bezahlt werden soll, ist der Gipfel des Zynismus. Man kann nur hoffen, dass der VdK mit seiner Klage erfolgreich ist.«
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