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Aus: Ausgabe vom 29.01.2025, Seite 8 / Inland
Sozialdienst in Gefangenschaft

»Vor Ort ist man Einzelkämpfer«

Saarland: Justizvollzugsanstalt Ottweiler bekommt ab April wieder eine Drogenberatung. Ein Gespräch mit Dirk Schmitt
Interview: Katharina Schoenes
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Gefangenschaft ist eine schlechte Voraussetzung für eine positive menschliche Entwicklung (Ottweiler, 17.2.2011)

Nach mehreren Monaten Unterbrechung wird die Caritas ab April wieder eine Suchtberatung in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler anbieten. Zuvor hatten sich nach Informationen des Saarländischen Rundfunks mehrere Strafverteidiger über die Zustände in der JVA beschwert. Welche Bedeutung hat die Suchtberatung für die Gefangenen?

Seit 1980 bieten wir in der JVA Ottweiler eine Suchtberatung an. Sowohl inhäusig, das heißt für diejenigen, die noch ihre Haftstrafe absitzen, als auch in der Nachbetreuung, also auch für diejenigen, die wieder auf freiem Fuß sind, bei denen die Suchtproblematik oft aber noch fortbesteht. Wir sind dort seit 45 Jahren mit zwei Beschäftigten im Einsatz. Hilfe bei der Schaffung einer realistischen Perspektive sehen wir als unsere wichtigste Aufgabe an. Das gilt um so mehr, weil wir es in der JVA Ottweiler auch mit jüngeren Menschen zu tun haben. Das primäre Ziel besteht darin, den Menschen aus der Sucht herauszuhelfen. Das zweite: Selbstverständlich kann jemand, der sich beraten lässt, in Therapie geht und das auch ernst meint, im Erfolgsfall seine Haftzeit reduzieren.

Wie sieht die Beratung konkret aus?

Es handelt sich um einen längerfristigen Prozess. Zunächst müssen wir herausfinden, was die Problematik ist. Welche Suchtmittel werden konsumiert? Sind es »leichtere«, die man besser in den Griff bekommt, oder sind es härtere Drogen? Wie können wir die Person am besten unterstützen? Das lässt sich nicht bei einem einzelnen Termin klären. Unsere Beraterinnen vereinbaren immer mehrere Gespräche mit den Gefangenen, um individuelle Lösungsansätze zu entwickeln. Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt. Was wir bewusst nicht wollen, ist eine schematische Herangehensweise nach dem Motto »dort musst du hin, dort bekommst du den Schein, ich bin raus, der nächste bitte«.

Warum hat es so lange gedauert, die Stelle nachzubesetzen?

Zum 1. August 2024 wurde die Stelle vakant, woraufhin wir in den Bewerbungsprozess eingestiegen sind. Eine geeignete Bewerberin hatte kurzfristig aus persönlichen Gründen wieder abgesagt. Deshalb mussten wir die Stelle erneut ausschreiben. Nun haben wir eine Kandidatin gefunden: Spätestens ab April gibt es wieder das volle Beratungsangebot.

Davon abgesehen ist es kein einfacher Job. Ich muss die Hausordnung der JVA akzeptieren. Es ist nicht gerade ein schöner Arbeitsplatz, wenn hinter mir die Tür abgeschlossen wird. Und selbstverständlich kann der Mitarbeiter sich mit uns im Team besprechen, aber vor Ort ist er Einzelkämpfer. Wenn man das mit einbezieht, ist klar, warum es mit einigem Aufwand verbunden ist, eine geeignete Person für die Stelle zu finden. Als Teil unseres Bewerbungsverfahrens mussten alle Kandidaten dazu einen Tag in der JVA hospitieren. Das war für uns wichtig, um zu vermeiden, dass wir die Stelle besetzen, und drei Wochen später sagt der Mitarbeiter, »nein danke, ohne mich, so habe ich mir das nicht vorgestellt«. Es ist wichtig, dass konstant gearbeitet werden kann.

Gibt es ausreichend Ressourcen für die Beratung?

Mit der einen oder anderen Einheit mehr könnte man manches vielleicht noch schneller in die Wege leiten, aber im großen und ganzen reicht das Personal aus. Sollte sich ab April herausstellen, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt, wären wir die ersten, die den Austausch zum Justizministerium und zur JVA suchen, um die Beratung auszubauen.

Nach Auskunft des saarländischen Justizministeriums hat gut die Hälfte der Gefangenen in der JVA Ottweiler eine Suchtproblematik. Ist das im Vergleich zu anderen Haftanstalten eine hohe Zahl?

Zahlen kenne ich nicht, weil wir unsere Beratung nur in der JVA Ottweiler anbieten. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese Problematik überall auftritt.

Dirk Schmitt ist Direktor des Caritas-Verbandes Schaumberg-Blies

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