Nazigegner sollen zahlen
Von Henning von Stoltzenberg
Die Veranstalter des bundesweit bekannten Festivals »Jamel rockt den Förster«, das Ehepaar Lohmeyer, sollen Tausende Euro Gebühren für die Nutzung der Gemeindeflächen zahlen. Das hat die Gemeindevertretung Gägelow im Landkreis Nordwestmecklenburg am Dienstag abend beschlossen. Für die vierwöchige Nutzung der Fläche des alljährlich stattfindenden Open-Air-Festivals werde erstmals eine Gebühr von 70 Cent pro Quadratmeter erhoben, teilte die Bürgermeisterin Christina Wandel (Wählergemeinschaft »Wir für Gägelow«/WfG) bei der Sitzung der Gemeindevertretung mit. Für die einmonatige Nutzung des etwa 1,5 Hektar großen Areals würde sich die Gebühr auf insgesamt etwa 10.500 Euro belaufen.
Das Festival ist seit Jahren ein Politikum in der Region, da es sich mit seinem Programm als kultureller Konterpart zur in dem kleinen Dorf Jamel verankerten Neonaziszene versteht.
Die neonazistische Wählervereinigung »Heimatliebe« kam bei den letzten Gemeindevertretungswahlen in Gägelow im vergangenen Jahr auf 16,1 Prozent und zog als drittstärkste Kraft mit zwei Personen in das zwölfköpfige Gremium ein. Als Wortführer gilt der seit vielen Jahren in der rechten Szene aktive Sven Krüger.
Festivalveranstalterin Birgit Lohmeyer zeigte sich von dem Beschluss der Gemeindevertretung schockiert und kündigte juristische Schritte dagegen an. Ob das Festival im August unter diesen Bedingungen überhaupt stattfinden könnte, ließ sie offen.
Laut NDR begründete die Bürgermeisterin die Pläne mit der schwierigen Haushaltslage der Gemeinde. Ein Kaufangebot der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern in Höhe von rund 80.000 Euro für die zum Großteil vom Festival genutzten Flächen in Jamel hatte die Gemeinde dennoch abgelehnt, teilte das Landwirtschaftsministerium in Schwerin mit. Bei der Sitzung am Dienstag äußerte sich die Bürgermeisterin nicht zur Entscheidung gegen den Verkauf.
Im vergangenen Jahr war das Ehepaar Lohmeyer im Zusammenhang mit der Nutzung von Gemeindeflächen wegen angeblicher Umweltvergehen angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hatte ein Verfahren eröffnet, das später mangels Tatverdachts eingestellt wurde. Die Anzeige stammte nach damaligen Angaben von einem Mitglied der Gemeindevertretung. Das Paar sah darin einen Versuch, das Festival zu behindern.
Der Linke-Landesvorsitzende Hennis Herbst positioniert sich gegen die Erhebung der immensen Festivalgebühren. »Vereinen, die das kulturelle Leben bereichern, sollte man nicht das Leben schwer machen. Gerade in dieser Gemeinde gibt es starke rechte Kräfte, die dem Festival Steine in den Weg legen wollen. Dagegen stehen wir als Linke«, so der Politiker gegenüber jW. Beide Mitglieder seiner Partei hätten in der Gemeindevertretung gegen diesen Beschluss gestimmt.
Das aus Hamburg stammende Ehepaar Lohmeyer hatte das nichtkommerzielle Festival »Jamel rockt den Förster« 2007 ins Leben gerufen. In der Vergangenheit traten dort unter anderem die Fantastischen Vier, die Sportfreunde Stiller und der Rapper Amewu auf.
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