Rückenwind für Merz
Von Kristian StemmlerVor der Messehalle City Cube in Berlin rufen Hunderte Demonstranten an diesem kalten Montag mittag: »Shame on you, CDU!«. Am Sonntag hatten nach Polizeiangaben über 160.000 Menschen in der Hauptstadt gegen die Partei und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz demonstriert. Die Partei hält in der Messehalle ihren 37. Bundesparteitag ab – 20 Tage vor der Bundestagswahl und eine Woche, nachdem Merz die AfD bei Abstimmungen im Bundestag ins Boot geholt hatte. Schon zu Beginn wurde deutlich, was auf der Agenda der Union steht: Schaden begrenzen, Zusammenhalt demonstrieren und mit der Verabschiedung eines »Sofortprogramms« ablenken.
Als der angespannt wirkende CDU-Chef den von rund 700 Polizisten geschützten Parteitag eröffnen wollte, kam er minutenlang nicht zu Wort. Die Delegierten bejubelten ihn stehend. Der Parteichef erwähnte die Turbulenzen im Bundestag mit keinem Wort, hob sich das für seine Rede am Nachmittag auf. Eine unionsgeführte Regierung werde die Probleme umgehend »an der Wurzel packen«, die das Land »schon lange lähmen«, so Merz. Man stehe bereit, »Deutschland wieder nach vorne zu führen«, so der CDU-Chef. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann übernahm dann bei seiner Rede zur Einführung des »Sofortprogramms für Wohlstand und Sicherheit« die Attacke. Die Ampelregierung sei »die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten«. SPD und Grüne hätten zu verantworten, dass sich die Zustimmungswerte der AfD in den drei Jahren seit Antritt der Ampelkoalition verdoppelt hätten. Linnemann dankte Merz dafür, dass er bei der Debatte über das von der Union eingebrachte »Zustrombegrenzungsgesetz« am Freitag im Bundestag, »im Gegenwind stehengeblieben ist«.
Das vom Parteitag im Folgenden einstimmig verabschiedete »Sofortprogramm« enthält 15 Maßnahmen, die von einer unionsgeführten Regierung bis zum Sommer angepackt werden sollen. So soll das Heizungsgesetz ebenso kassiert werden wie das Lieferkettengesetz. Das Papier enthält auch den Fünfpunkteplan von Merz, der Zurückweisungen an den Grenzen und dauerhafte Grenzkontrollen vorsieht. Daneben beschloss die Partei am Montag eine Änderung ihrer Satzung zur Entscheidung über die Annahme der Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen: Zukünftig entscheidet der Bundesausschuss der Partei anstelle eines Parteitags.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein kritisierte auf der Veranstaltung SPD und Grüne. Im Bundestag habe es am Freitag keine Abstimmungsniederlage der Union gegeben, sondern einen »Offenbarungseid von Rot und Grün«. Es sei deutlich geworden, dass es mit SPD und Grünen das dringend nötige »fundamentale Umsteuern« in der Migrationspolitik nicht geben werde. Im Gegensatz dazu kam von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst keine Solidaritätsadresse an Merz. CSU-Parteichef Markus Söder bekannte sich um so vehementer zum Chef der Schwesterpartei. Merz habe in der vergangenen Woche eine »Leitentscheidung« getroffen. Nicht die Linke sei der »Schutzwall gegen rechts, sondern wir, Friedrich«, rief er Merz zu. Die AfD wolle die Union »zerstören«, das Personal der Partei sei »nicht sittlich geeignet« für Führungsämter. Er sage »nein« zu »jeder Form der Zusammenarbeit mit der AfD«, so Söder. Wie Merz in der vergangenen Woche machte auch der CSU-Chef Asylsuchende für angeblich zunehmende Kriminalität verantwortlich: »Die Migration ist uns einfach über den Kopf gewachsen.«
Rückhalt erhielt Merz auch von der CDU-Bundesvize Karin Prien. Sie nannte die Vorwürfe von SPD und Grünen »infam«, die Union würde auch nur einen kleinen Finger in Richtung AfD ausstrecken. »Niemals, keine Zusammenarbeit, keine Koalition, keine Minderheitsregierung.« Die ehemalige Landwirtschaftsministerin und aktuelle Schatzmeisterin der CDU, Julia Klöckner, kritisierte die Demonstrationen der letzten Tage. Es sei besser, gegen Gewalt und Judenhass zu demonstrieren, »als gegen eine verdiente Volkspartei zu demonstrieren, die genau diesen Zustand von Gewalt und Judenhass abschaffen will«.
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