Meer voller Rotorblätter
Von Oliver Rast
Blicke in die Ferne bleiben an Rotorblättern hängen, verstellen sprichwörtlich die Sicht auf das offene Meer. Der Grund: Offshorewindparks. Zur Energiegewinnung, für die regenerative Wende bei der Stromerzeugung. Hunderte Tonnen schwere Türme samt massiven Betonfundamenten prägen als moderne Industrieensembles Küstenstreifen von Nord- und Ostsee, teils Dutzende Kilometer weit auf hoher See. Nur: Die Windkraftanlagen haben nicht nur Fans, werden bisweilen kritisiert, etwa von Umweltaktivisten. Dazu gleich.
Erst am vergangenen Donnerstag veröffentlichte das zuständige Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) in Rostock einen geänderten und fortgeschriebenen Flächenentwicklungsplan (FEP) gemäß dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG). Es ist der vierte seiner Art, berichtete dpa gleichentags. Der FEP ist der Fachplan für den geordneten Ausbau von Windenergieanlagen auf See und deren Anbindungsleitungen in der sogenannten deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee und Ostsee. Die Fortschreibung diene laut BSH dem Erreichen der Ausbauziele von mindestens 40 Gigawatt (GW) bis 2035 und mindestens 70 GW bis 2045 – und zwar mit Netzanschluss. Bislang sind vor den deutschen Küsten Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp neun GW in Betrieb.
Betreiber von Deutschlands aktuell größtem in Bau befindlichen Offshorewindpark ist EnBW. »He Dreiht« (niederdeutsch: Er dreht) heißt die Anlage etwa 85 Kilometer nordwestlich von Borkum und rund 110 Kilometer westlich von Helgoland. Mehr als 500 Personen arbeiteten zu Hochzeiten auf der Großbaustelle mitten im Meer. Über 60 Schiffe seien beteiligt, hatte NDR kürzlich berichtet. Ein Megaprojekt mit einer Investitionssumme von 2,4 Milliarden Euro und einer Gesamtleistung von 960 Megawatt, das Ende dieses Jahres realisiert sein soll.
Kritik am FEP äußerte die Umweltstiftung WWF Deutschland: »Leider vergibt der Plan die Chance, Klima- und Biodiversitätsschutz Hand in Hand umzusetzen und schießt über sein Ziel hinaus«, sagte Axel Krumsiek gegenüber dpa, der beim WWF den Bereich Meeresschutz leitet. Die Planung erstrecke sich auch auf Gebiete, die für die Natur besonders wichtig seien. Ähnlich äußerte sich wiederholt Kim Cornelius Detloff. Denn Bau, Betrieb und Wartung der Anlagen wirkten sich schädlich auf Meeressäuger, Vögel, Fische und Lebensgemeinschaften am Meeresboden aus, so der Leiter Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).
Und erst jüngst hatte es Zoff zwischen dem Nabu sowie den Lobbyorganisationen Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) und Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gegeben. In einem Positionspapier hatten die Industrieverbände mehr Flächen für Offshorewindräder und die Kabellegung beispielsweise durch das Meeresschutzgebiet Sylter Außenriff gefordert. Etablierte Planungs- und Umweltkriterien drohten dadurch abgeschafft zu werden, mahnte Detloff.
Stefan Thimm widerspricht. Der Nabu würde die Forderungen »missinterpretieren«, wurde der BWO-Geschäftsführer in einer Mitteilung zitiert. Es gehe um geringere Ausgaben für den Netzausbau mittels optimierter Flächenplanung. Thimm: »Das senkt die Kosten der Energiewende und damit den Strompreis und bringt so den Klimaschutz voran.« Eine Formel, mit der Detloff wenig anfangen kann. Zumal Windschatteneffekte und energetische Ertragseinbußen »durch eine viel zu dichte Bebauung der Nordsee mit Windkraftanlagen« die Konsequenz seien. Und eh, BWO und BDEW scheine es nicht um naturverträglichen Klimaschutz zu gehen, »sondern um Gewinnmaximierung«.
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